Sonntag, 28. Januar 2007

Mitten in der Pampa

Die "Pampa" ist für uns in Deutschland Synonym für Langeweile, für Provinz, für ländliche Abgeschiedenheit. Tatsächlich ist "Pampa" eine Provinz Argentiniens und zwar ziemlich genau im Herzen des großen Landes. Ob hier auch wirklich das Herz der Nation schlägt, habe ich mich aufgemacht herauszufinden. Cordoba, die Provinzhauptstadt soll für die nächsten Tage meine Basis werden für Ausflüge in die nahegelegene Sierra Pampina, ein Gebirgszug, der angesichts der nahen Anden von Touristen eher links liegen gelassen wird und mich daher umso mehr anzieht.
Meinen eigentlichen Plan soweit in den Süden zu fahren, wie man kann, bis an das Ende des Kontinents, in die Stadt Calafate, habe ich aufgegeben. Ich hatte keine Lust mehr auf Touristenrestaurants, wo man nach dem Geschmack der Gäste kocht, auf Massen an Menschen, die an Sehenswürdigkeiten für ein schnelles Foto ausgeladen werden und ihrem Urlaubszeitplan hinterher hetzen, auf ein Argentinien, das man sich bemüht so zu gestallten, wie es die Touristen vermeintlich vorzufinden wünschen.
Ich möchte das ursprüngliche Argentinien kennen lernen, einfach so wie es ist, möchte erfahren wie die Menschen hier leben, was sie bewegt. Was war also naherliegender, als mitten in die Pampa zu fahren.
So bin ich gestern Abend in Cordoba angekommen, der zweitgrößten Stadt des Landes und der Hauptstadt des landwirtschaftlichen Zentrums. Was zuerst auffällt, als unser Flugzeug die Wolkendecke durchstößt, ist das satte Grün, das man überall sieht. Keine Wälder, keine Felder, überall Weiden, nur saftige grüne Weiden. Das Fleisch der argentinischen Rinder ist deshalb so zart, weil es hier weniger Wasser gibt und das Fleisch daher trockener ist, aber nach Wasserarmut sieht es hier nicht aus.
In der Tat werde ich am Morgen von heftigem Regen geweckt, der an mein Fenster klopft. Er soll bis in den späten Nachmittag nicht aufhören, aber das weiß ich noch nicht, als ich das Hotel verlasse, um die Stadt zu Fuß zu erkunden. Ich bin hier in einer der ältesten Städte des Kontinents. Knapp 80 Jahre nach dessen "Entdeckung" wurden hier, von der spanischen Krone und den Jesuiten, schon prächtige Kathedralen und Klöster gebaut. Offensichtlich blieb auch ihnen das landwirtschaftliche Potenzial der Region nicht verborgen. Die Fülle an gut erhaltenen Gebäuden aus der Kolonialzeit fällt auf und dafür ist Cordoba auch bekannt. Nur richtig genießen kann ich meinen kleinen Stadtrundgang nicht, dafür regnet es zu stark. So beschließe ich mich in ein Café zu setzten und in meinem "Nachtzug nach Lissabon" zu lesen.
In meinem Führer lese ich zufällig von einem Antiquitätenmarkt, der immer am Wochenende zwischen 17 und 22 Uhr stattfindet. Ich schaue auf den Stadtplan und stelle fest, dass ich ganz in der Nähe bin, also beende ich meine Lektüre und mache mich auf den Weg.
Ich mag es auf diesen Märkten zu stöbern. Ich mag alte Dinge, Dinge mit Geschichte. Es macht mir Spaß mir vorzustellen, wer ein altes Möbelstück vorher wohl besessen hat, was seine Geschichte war, bevor es hier landete und wer es wohl erstehen und mit nach Hause nehmen wird.
Es herrscht Flohmarktstimmung, neben Antiquitäten wird auch der übliche Tand angeboten. In einer Gasse verkaufen alte Damen Selbstgebackenes um ihre Rente aufzubessern. Lange laufe ich umher, gehe in einige Geschäfte um die Ware anzuschauen, ein paar Worte mit den Besitzern zu wechseln, die Atmosphäre zu genießen.
Schließlich komme ich an einem Geschäft vorbei, das sich auf alte Uhren und optische Geräte spezialisiert hat. Im Schaufenster entdecke ich ein Mikroskop, das genau so aussieht, wie das, dass ich einmal besessen habe. Ein schwarzes Metallgestell, mit einem ebensolchen Objektträger und einer einfachen Halterung in der die einäugige Optik befestigt ist. Als Lichtquelle dient ein kleiner Spiegel, der unterhalb des Objektträgers angebracht ist. Es war das Mikroskop meines Vaters, ein einfaches Gerät, das er sich zu seiner Studienzeit gekauft hatte, für ein besseres hatte das Geld wohl nicht gereicht. Irgendwann hat er mir es dann geschenkt, ich glaube, es war zum Geburtstag. Ich erinnere mich, wie er mir erklärte was man damit machen kann und dann den Flügel einer toten Stubenfliege für mich präparierte, dessen Adern und Struktur ich mir dann fasziniert immer und immer wieder angeschaut habe. Ich versuche mich daran zu erinnern was damit geschehen ist, wann ich es zum letzten Mal gesehen habe. Bei irgendeinem meiner vielen Umzüge ist es wohl abhanden gekommen, denke ich, und trete wehmütig meinen Heimweg an.

1 Kommentar:

Benjamin Struve hat gesagt…

"Mitten in der Pampa" - toller Artikel, genau das, was ich zu dem Synonym gesucht habe.