Mittwoch, 18. Januar 2012

Gestrandet

Um genau 8:30 Uhr hebt das Flugzeug in Richtung Buenos Aires ab. Ich kann unter mir die Präkordilliere sehen und, als wir höher steigen, auch den Hauptkamm der Anden. Saftiges, grünes Grasland erstreckt sich im Tal.

Etwa zwei Stunden später landen wir in Buenos Aires. Ich versuche meinen Anschlußflug nach El Calafate zu bekommen, der nur eine halbe Stunde später die Stadt verlässt. Leider ist der Flug voll, genauso wie die nächsten beiden. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als eine Nacht hier in Buenos Aires zu verbringen. Ist nicht weiter schlimm, ich habe ja genug Zeit und es gibt schlechtere Orte für einen ungeplanten Zwischenstopp.
Ich frage nach, wie ich jetzt an meinen Koffer komme und man sagt mir, dass die stand by Koffer nach Abschluß des letzten Fluges auf das Kofferband kommen.
Ich warte 45 Minuten vergebens. Eine Nachfrage bestätig, dass mein Koffer ohne mich die zweitausend Kilometer lange Reise nach Patagonien angetreten hat.
Man versichert mir, dass er mit der letzten Maschine zurückkommt und die landet kurz nach Mitternacht.
Argentinier sind wirklich liebe Menschen, stets freundlich und bemüht, aber mit der Organisation hapert es manchmal. Ich traue der Aussage des Aerolineas Angestellten zwar nicht, aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als mir ein Hotel zu suchen und darauf zu vertrauen, dass ich meine Habseligkeiten morgen wieder bekomme und meine Reise fortsetzen kann.

1026 Stufen

... sind es bis zum Gipfel des Cerro Bernardo. Man könnte auch die Teleférico, die Seilbahn, nehmen, aber das möchte ich nicht.
Eigentlich sollte heute mein Ruhetag werden, keine Aktion, kein Ausflug, nur ein Buch, ein Platz in einem Café und eine Menge Zeit.

Als ich aufwache fällt mir der Berg ein, der sozusagen der Hausberg Saltas ist. Nur 1454 Meter weist er auf und ist auch sicherlich sonst keine Herausforderung, bietet aber einen wunderschönen Ausblick auf die Stadt und das Umland.
Ich freue mich als ich die letzte Stufe erklommen habe und mein nasses T-Shirt erst mal trocknen lassen kann. Die Temperaturen sind hoch und die Luftfeuchtigkeit ist es auch.
Man kann das ganze Tal von hier oben überblicken. Man könnte mir ein Foto von hier zeigen, ohne das ich wüsste, wo es aufgenommen wurde, könnte ich sofort sagen, dass es sich um Südamerika handelt. Warum weiß ich nicht genau. Sind es die grünen Hügel, die hohen Berge, die weiten Täler?
Mich erinnert diese Landschaft an Kolumbien, das das erste Land auf diesem Kontinent war, das ich, vor mehr als 20 Jahren, besucht habe.
Von allen Plätzen auf der Welt, von meiner Heimat Europa einmal abgesehen, fühle ich mich hier am meisten zu Hause.

Morgen werde ich Salta in Richtung Patagonien verlassen. Salta, la Linda - die Schöne - diesen Titel hat sie sich verdient.

Montag, 16. Januar 2012

Highway to Hell

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Ich soll um 11:00 chilenischer Zeitrechnung in meinem Hotel abgeholt werden. Das bedeutet irgendetwas zwischen 12:00 und 13:00, vielleicht auch später. Um 12:30 erscheint mein Fahrer und drängt zur Eile, gerade so, als ob ich mich verspätet habe.
Chilenen sind wahre Meister in der Fehleinschätzung von Zeit. Sie halten sich für das bestorganisierteste Land Lateinamerikas, belegen jedoch auf meiner Liste den letzten Platz.
Den Wagen, der mich abholt, kenne ich schon. Es ist eben dieser schrottreife Ford Van, mit dem man mich schon von der argentinischen Grenze abgeholt hat. Auf Grund von fehlender Dichtungen, kommt auf den Schotterpisten massenweise Staub ins Fahrzeug, so dass wir alle durch unsere T-Shirts atmen müssen. Das fällt im Normalfall schon schwer, bei einer Höhe von 4300 Metern um so mehr.
Es geht zur Grenzkontrolle. Die Schlange vor der Grenzstation ist vielleicht einhundert Meter lang. Das würde nicht lange dauern, versichert Señor Jorge, der auf Transporte in San Pedro ein Exklusivrecht besitzt und der sich als ein Großmeister des Zeitmanagements herausstellt. Tatsächlich lässt man uns geschlagene zweieinhalb Stunden in der Mittagshitze stehen. Zur Erinnerung: wir sind in der Wüste und die Temperaturen in der Sonne klettern leicht auf über 50°C.
Um drei Uhr ist Abfahrt, da hätten wir aber schon an der Grenzstation sein sollen, um in das argentinische Fahrzeug umzusteigen. Señor Jorge schätzt, dass wir um sieben Uhr abends in Salta sind. Mir reicht sein dummes Geschwätz und ich bitte ihn einfach nur den Mund zu halten und keine weiteren Einschätzungen mehr zu geben. Jetzt ist er beleidigt - gut so!

Die Straßen auf argentinischer Seite sind schlecht, auf chilenischer Seite jedoch in einem so erbärmlichen Zustand, das eine Geschwindigkeit über 40 Km/h das altersschwache Vehikel glatt in Stücke reißen würde. Man stelle sich eine Fahrt über 600 Kilometer auf einer, mit dickem Staub bedeckten, einem Waschbrett gleichenden Piste vor und hat eine ungefähre Vorstellung von dem, was uns jetzt erwartet.
Ich versuche mich mit Musik abzulenken und suche auf meinem iPhone nach etwas passendem. Ich finde „Highway To Hell“ von der Gruppe AC/DC und bin mit meiner Wahl zufrieden. Ich drücke auf den Startknopf. Das wird der Soundtrack meines heutigen Tages.
Schön, dass ich wenigstens nette Reisegefährten habe. Drei Portugiesinnen, die sich hier erst kennengelernt haben, sitzen neben mir und unterhalten mich.
Es ist unglaublich wie viele multilinguale junge Menschen ich hier kennenlerne. Ich halte mich mit meinen fünf Sprachen schon für einigermassen cosmopolit, aber ich treffe pausenlos auf Leute, die problemlos und fließend sieben Sprachen sprechen.
Übrigens, eine Sache auf die ich stolz bin: ich mache hier alles auf Spanisch, eine Sprache, die ich offiziell nie gelernt habe. Alle Buchungen, Reservierungen, Bestellungen, telefonisch oder persönlich, zwinge ich mich in Spanisch zu erledigen, auch wenn mein Gegenüber Englisch spricht. Zwar gibt es das ein oder andere Missverständnis, aber im Großen und Ganzen bekomme ich das, was ich will!

Wir treffen um sieben Uhr an der argentinischen Grenze ein. Einer der Wagen hat einen platten Reifen, seit wann, weiß ich nicht.
Die Grenzstation ist nur eine Hütte mitten im Nichts. Die Grenzbeamten erzählen mir, dass sie einen Monat lang ununterbrochen in dieser Einöde Dienst schieben, und dann fünf Tage frei haben. Wenn sie nach Salta zu ihren Familien wollen, gehen davon jeweils ein Tag für An- und Abreise verloren. Durchschnittlich kommen 8 Reisende am Tag durch ihren Grenzübergang, der Rest des Tages ist Langeweile und Kartenspiel.

Um zwei Uhr morgens treffen wir in Salta ein. Das Hotel in das ich mich fahren lasse ist leider ausgebucht. Eine Reservierung habe ich nicht. Habe ich nie, weil ich es hasse mich festlegen zu müssen. Auch das nächste Hotel, in dem ich frage, hat keinen Platz mehr für mich. Auf der Straße komme ich an zwei Transvestiten vorbei, die sich in einen Hauseingang zurückgezogen haben. Ich fände es besser, wenn das nächste Hotel nicht besetzt wäre und so ist es auch.
Ich wasche den Staub des Tages von meinem Körper und falle in einen gesegneten, zehnstündigen Tiefschlaf.

Sonntag, 15. Januar 2012

Die Erde kocht



Um 3:30 reißt mich der Wecker aus dem Schlaf. Erst 4 Stunden zuvor war ich ins Bett gegangen. Es ist noch kühl als ich mit Davide, einem Italiener, der mich in den letzten Tagen begleitet hat, vor dem Hotel auf unseren Fahrer warte. Die Temperaturen fallen Nachts stark ab. Tagsüber kommt man auf um die 34°C, nachts fällt das Thermometer auf 5°C, es fühlt sich aber durch die extreme Trockenheit aber wärmer an.
Wir wurden ermahnt uns warm anzuziehen, denn unser Ausflug führt uns auf 4320 Meter Höhe, zum höchstgelegenen geothermischen Feld der Erde, den Geysiren von Tatio, wo wir noch vor Sonnenaufgang ankommen sollen.
Ein paar verschlafene Mitreisende werden noch in verschiedenen Hotels eingesammelt und dann verlassen wir San Pedro in Richtung Norden. Die Straßen, eigentlich Staubpisten, die sich kaum von ihrer Umgebung unterscheiden, sind extrem schlecht. Einmal setzt unser Bus auf einer Bodenwelle auf und kommt erst nach mehreren Versuchen der Vor- und Zurückfahrens wieder frei. Manche der Autos, die zum Touristentransport dienen, halten bei diesen Straßenverhältnissen nicht länger als ein Jahr, bis sie schrottreif sind, erzählt mir unser Fahrer bei einer Pause.

Neben mir sitzen zwei Brasilianerinnen aus Salvador da Bahia. Die kälteste jemals gemessene Temperatur dort waren, während eines Kälteeinbruchs, 20°C. Beide tragen ein T-Shirt und eine dicke Strickjacke. Für Brasilianer eine polartaugliche Ausrüstung. Schon während der Fahrt im Bus fangen sie an zu frieren. Für die 80 Kilometer brauchen wir zweieinhalb Stunden.
Als sich die Türen öffnen erwarten uns -5°C, bis zum Sonnenaufgang, etwa einer Stunde später, wird die Temperatur noch auf -8°C sinken.
Schon in der Dunkelheit kann man ein Feld von Geysiren erkennen, das Gurgeln des kochenden Wassers hören und den schwefligen Geruch wahrnehmen.
Unser Fahrer klärt uns auf, warum wir so früh vor Ort sind. Tagsüber wird es so hell und warm, dass man die Geysire kaum noch sehen kann. Bei den Temperaturen, die wir jetzt haben steigen die Dampfsäulen der größten Geysire etwa einhundert Meter in die kalte Morgenluft.

Die beiden Brasilianerinnen frieren unglaublich. Selbst für mich fühlt sich der frühe Morgen kälter als -5°C an. Eine der beiden hat sich ihr Halstuch so um den Kopf gebunden, dass nur noch die Augen rausschauen. Ich hänsle sie damit, dass sie aussieht als trüge sie eine Gurkha und nenne sie nur noch die Afghanin.



Bei der Höhe machen die kleinsten Aktivitäten Mühe. Ich kann mich nur in Zeitlupe bewegen und habe trotzdem einen Puls von 140. Alle Fahrer haben hier Sauerstoff dabei um Höhenkranke sofort versorgen zu können.

Es ist eine komplett unwirkliche Stimmung, als die Sonne aufgeht und die verschneiten Gipfel der umliegenden Berge in zarte Pastellfarben taucht.

In einem der Becken kann man, wenn man möchte, baden gehen. Ich möchte nicht, denn ich habe keine Lust bei den herrschenden Temperaturen aus dem körperwarmen Wasser zu steigen und mich im Freien abtrocknen und anziehen zu müssen.

Neben der Höhe macht mir in San Pedro am meisten die trockene Luft zu schaffen. Meine Nasenschleimhäute sind so trocken, dass ich sie versuche mit Handcreme einigermaßen feucht zu halten. Viel Erfolg habe ich damit nicht. Das Atmen fällt schwer.

Der Ausflug nach Chile, der morgen zu Ende geht, war sicherlich ein Highlight meiner Reise. Noch nie habe ich so eine bizarre Landschaft, so unglaubliche Farben und eine solche Vielfalt wild lebender, exotischer Tiere gesehen. Vielleicht wird das die beste Reise meines Lebens.

Samstag, 14. Januar 2012

Der Zauberberg



Die Fahrt in nach San Pedro de Atacama war unglaublich strapaziös. Die zwölf Stunden Fahrzeit, die Hitze, der Staub und die Höhe zollen ihren Tribut.
Viel Zeit zum Erholen bleibt mir trotzdem nicht. Um 7:00 Uhr werde ich vor meinem Hotel abgeholt um an einem Ausflug zu einem Süsswassersee in der Wüste und einen Salzsee teilzunehmen.

Die Atacama Wüste ist der trockenste Ort auf der Erde. Es gibt hier Landstriche in denen noch nie auch nur ein Tropfen Regen gefallen ist, seit die Kontinente so aussehen, wie wir sie heute kennen. Es gibt hier Gegenden, die so trocken sind, dass nicht einmal Bakterien dort überleben können. Mit anderen Worten: die Wüste ist an manchen Stellen steril!

Der Süsswassersee ist von zum Teil noch aktiven, schneebedeckten Vulkanen umgeben, aus deren Kratern Rauchfahnen aufsteigen. Alle von ihnen sind über 6000 Meter hoch.
An seinen Ufern baut unser Führer ein kleines Frühstücksbuffet auf und versucht uns nebenbei ein paar Worte Quetchua beizubringen.
Am Ufer finden sich einige Flamingos ein und kaum haben wir uns niedergelassen kommt eine kleine Herde Vicuñas um nach Nahrung zu suchen. Wir sind hier bereits auf 4000 Meter Höhe und ich wundere mich, wie diese Tiere sich in der dünnen Luft so schnell und scheinbar mühelos bewegen können, wenn mir schon die kleinsten Bewegungen schwer fallen.



Am Salar San Pedro werden nicht metallische Mineralien gewonnen, die sich auf dem Weltmarkt gut absetzten lassen. Ein drittel des Lithiumvorkommens der Welt liegt in Chile. Man vermutet hier im Land so hohe Vorkommen des Minerals, dass Chile das neue Saudi Arabien werden könnte, denn Lithium wird für Lithium-Ionen-Akkus weltweit stark nachgefragt.
Unser Führer sagt, dass jeder von uns ein Stückchen Chile in seinem Telefon und seiner Kamera mit sich trägt.
Touristen kommen aber aus einem anderen Grund hierher. In der Salar leben drei Arten von Flamingos, die dort kleine Krebstiere im Überfluss finden.
Man kann ganz nah an sie herangehen und sie beobachten, wie sie ihren Tanz aufführen. Mit den Tanzbewegungen versuchen sie die Krebse zum Wegschwimmen zu bewegen, damit sie sie dann fressen können.
Der Tanz Flamenco wurde nach dem Tanz dieser Tiere benannt.



Auf dem Rückweg nach San Pedro überrascht unser Führer uns mit einer Besonderheit der Gegend. An einem kleinen Hügel stellt er den Motor unsers Kleinbusses aus und der Bus wird trotzdem, wie von Geisterhand, nach oben gezogen.
Der Berg ist so magnetisch, dass er einen vollbesetzten Bus aufwärts bewegen kann. Unglaublich!

Das Mondtal ist der letzte Stop des Tages. Wir fahren durch trockene Sandwüste und kommt schließlich in einem felsigen Gebiet an, das tatsächlich an eine Mondlandschaft erinnert. Bei einer Wanderung durch die Felsskulpturen erfahren wir, das diese aus Salz geformt sind und unglaubliche Formen aufweisen. Ein Felsen sieht aus, als hätte man lauter Würfel aufeinandergestapelt, ein anderer wie riesige Kühlrippen eines Motors.
Unser Führer bittet uns für einen Moment ganz Still zu sein. Man hört gar nichts. Keinen Vogel, keine Motoren, Flugzeuge oder andere Lärmquellen. Absolute Stille.
Ab und zu hört man eine Art Knistern aus dem Fels. Das Salz zieht sich mit nachlassenden Temperaturen zusammen und macht dabei dieses Geräusch.
Auf einer Anhöhe bleiben wir sitzen und beobachten wie die Landschaft in rotes Licht getaucht wird, bis die Sonne am Horizont verschwunden ist.

Atacama



Vor uns liegen über 600 Kilometer über den Andenpass Sigo, hauptsächlich auf unbefestigten Wegen in die chilenische Atacamawüste, in das Örtchen San Pedro de Atacama.
Wegen Schneefalls wurde der schneller und besser zu erreichende Jama-Pass über Nacht gesperrt. Der Fahrer unseres Jeeps meint das wäre gar nicht so schlimm, der die Fahrt über den Sigo-Pass ist landschaftlich viel schöner. Wie sich bald zeigt hat er Recht.

Bald verlassen wir den asphaltierten Teil der Strecke und fahren fortan auf Staubpisten. Eigentlich unmerklich steigt man Meter auf Meter. Zur Mittagszeit halten wir in San Andres de Los Cobres auf 4200 Meter Höhe. Ich merke die dünne Luft, habe ein schwaches Druckgefühl im Kopf und leichte Nackenschmerzen, bleibe aber ansonsten von der Höhenkrankheit verschont.
Die Gruppe die mit mir reist besteht aus einem österreichischen Paar und einem Italiener aus Bologna. Wir verstehen und prächtig und habe viel Spaß. Die Zeit bis zur chilenischen Grenze vergeht wie im Flug.

An der Grenze müssen wir in ein chilenisches Fahrzeug umsteigen, unser Geländefahrzeug fährt zurück nach Salta. Der Wagen, der uns abholt hat sich verspätet und so warten wir in der Grenzstation.
Vor dem Gebäude stehen zwei Motorräder, eine russische Ural mit Beiwagen und eine KTM. Die beiden vollkommen eingestaubten Fahrer ruhen sich ebenfalls in der Station aus, bis ihre Papiere über Funk kontrolliert werden.
Sie sind vor 7 Monaten in Kalifornien gestartet und haben sich zum Ziel gemacht ganz Südamerika zu umrunden und dabei durch jedes Land des Subkontinents zu fahren.
Es sind unglaublich sympathische und lustige Männer und wir vertreiben uns die Wartezeit mit unseren Reiseerlebnissen.

Unser chilenische Fahrzeug ist ein altesschwacher Ford Van, dessen Türen nicht richtig schließen und deshalb kommt soviel Staub in das Fahrzeug, dass wir bald mit einer dicken Staubschicht überzogen sind. Entschädigt werden wir von der Aussicht, die so unglaublich schön ist, dass mir die Worte fehlen um sie zu beschreiben.
Eigentlich bin ich hundemüde und würde gerne schlafen, kann mich aber nicht von dem Ausblick wegreißen.

Donnerstag, 12. Januar 2012

Zum Mittag gibt es Lama



Eine von vielen schönen Kindheitserinnerungen ist die, aus der Schule zu kommen und zu erfahren, dass wir heute in den Berliner Zoo gehen. Wenn wir dann noch einen Freund mitnehmen durften (durften wir immer), war der Spaß grenzenlos.
Der Ablauf war immer der gleiche: erstmal auf die Drachenschaukel, dann die Elefanten, der Affenfelsen und dann die Lamas. Nachdem wir erfahren hatten, dass Lamas spucken, wenn man sie ärgert, versuchten wir alles, um wenigsten eines von ihnen ein Mal spucken zu sehen. Natürlich vergeblich.

Nie hätte ich damals gedacht, dass ich diese Tiere mal in ihrer Heimat, in freier Wildbahn sehen und sogar ihr Fleisch probieren würde.

Mein Ausflug führt mich heute in den nördlichsten Teil des Riesenlandes, durch die weltbekannte Humahuaca Schlucht, bis kurz vor die Grenze Boliviens. Seit 1993 ist die Schlucht und das Dorf Humahuaca von der UNESCO zum Weltnatur- beziehungsweise Weltkulturerbe der Menschheit erklärt.
Schon der Klang der Namen der Ortschaften, durch die wir kommen hören sich nach Abenteuer an: Jujuy (gesprochen Chuchui), Purmamarca und eben Humahuaca.
In der breiten Schlucht, durch die unser Wagen sich die Berge auf der Panamericana emporkämpft, gibt es jede Menge wilder Tiere: Pumas, Wildkatzen, Jaguare, Papageien und Tukane, doch die leben in den Wäldern versteckt und wir haben nicht die Zeit, sie zu beobachten.
Seinen Status als Weltnaturerbe verdankt die Schlucht einem Phänomen, das meines Wissens nach nur hier vorkommt. Berge, deren Gestein durch Bodenerosion freigelegt wurde, und die in bis zu sieben verschiedenen Farben leuchten. Dabei bilden Verwerfungen im Gestein unglaubliche Bilder. Eines heißt die Malerpalette und sieht aus als ob jemand mit einem vielfarbigen Pinsel Schlangenliene auf den Berg gemalt hat.
Der Norden Argentiniens ist eine seismisch sehr aktive Gegend. Der Druck auf die Berge wirkt nicht nur von unten her und lässt sie immer noch wachsen, sondern auch von den Seiten, wodurch diese Schlangenlinien entstehen.
Dieser hier heißt einfach nur Berg der sieben Farben:



Die breiten Täler, die weiten Blicke und die extrem hohen Berge um uns herum, zusammen mit dem geologischen Farbenspiel hinterlässt einen atemberaubenden Eindruck auf mich. Man kommt sich einfach nur sehr klein und unbedeutend vor.

Wir halten in vielen kleinen Dörfern an um uns umzusehen. In Purmamarca findet ein sehr farbenfroher Indiomarkt statt. An einem Stand steht ein Indiomädchen mit rundem, freundlichen Gesicht und strickt Socken aus Lamawolle. Ein Paar davon gehört jetzt mir und soll mich auf meiner Reise in den Süden warm halten.
In Humahuaca steigt ein einheimischer Führer zu und gibt uns einige Informationen zu seiner Heimat und seiner Kultur, führt uns durch seinen Ort und erklärt uns die Bedeutung der Lamas (spanisch Llamas, gesprochen Schamas) für die Bevölkerung der Anden.
Kurz zuvor hatten wir eine archäologische Ausgrabung besichtigt, ein Festung von Tilcara, die den Inkas dazu diente die Spanier zu beobachten.
Einige der Häuser wurden rekonstruiert und können begangen werden. Die Mauern wurden aus groben Steinen geschichtet, so dass es genügend Lücken für Luftzirkulation gab. Tatsächlich ist es im Inneren schön kühl. Im Winter wurden die Wände zur Isolation mit Lamafellen abgehängt und in besonders kalten Nächten wurden die Lamas, als natürliche Heizung, mit ins Haus geholt.

Als wir dann beim Mittagessen in einer kleinen Dorfgaststätte sitzen, bestelle ich Lama in Weinsoße. Die Tiere tun mir zwar leid, aber trotzdem: geschmeckt hat es köstlich!

Mittwoch, 11. Januar 2012

Der Verschneite von Cachi



El Nevado de Cachi - „der Verschneite von Cachi“ heißt der Berg, den man vom kleinen Andendörfchen Cachi sehen kann. Wenn man ihn sehen kann, denn meistens verbirgt er sein kühles Haupt in den Wolken. Heute haben wir Glück und er zeigt sich in seiner vollen 6380 Meter hohen Pracht, wenn auch nur kurz.
Cachi ist das Quechuawort für Salz. Vielleicht hielten die Ureinwohner den Schnee auf dem Berg für das Mineral?

Cachi ist ein bemerkenswertes Örtchen. Moderne Architektur ist hier verboten und daher sieht das Dorf im großen und ganzen noch so aus, wie 1673, als die Spanier es gründeten. Man hat allerdings Zugeständnisse an die Baustoffe gemacht. Die Häuser sind nicht mehr alle in der Adobebauweise, also mit ungebrannten Lehmziegeln, gebaut sondern zumindest zum Teil aus Beton. Fassade und Putz muss sich allerdings ins Ortsbild einfügen.
Außerdem wird Cachi ausschließlich von den Ureinwohnern der Puna, beziehungsweise deren Nachfahren, bewohnt, den Inkas.
Das alles würde Cachi wahrscheinlich noch nicht zum Touristenmagnet machen, wenn es nicht am Ende des Nationalparks Los Cardones liegen und sich daher perfekt zur Rast und Verköstigung der Parkbesucher anbieten würde. So verdoppelt sich jeden Tag zur Mittagszeit die Bevölkerung schlagartig für zwei Stunden, nur um den Ort danach wieder in seinen Dornröschenschlaf versinken zu lassen.

Ich hatte den Nationalpark Los Cardones bereits schon einmal besucht und war damals so fasziniert, dass ich heute noch mal wiedergekommen bin. Cardones sind die bis zu 6 Meter hohen Kandelaber- oder Baumkakteen, von denen hier auf einer relativ überschaubaren Hochebene über eine Million Exemplare stehen.
Die Straße die durch ihn führt, orientiert sich an dem alten Inka-Trail, den die Ureinwohner bereits in präkolumbianischer Zeit nutzen. Ihm folgend fanden die Spanier bereits her.
Streng genommen handelt es sich bei den Cardones allerdings gar nicht um Kakteen, sondern eben um Cardones, einer verwandten Form.
Das Holz dieser Gewächse hat eine helle Farbe, ist perforiert und sehr hart. Früher war es ein beliebter Baustoff in der Gegend, der Dachstuhl der Kirche von Cachi ist komplett aus diesem Material gefertigt. Heute stehen die stachligen Riesen unter Naturschutz und das Fällen ist streng verboten.



Abenteuerlich ist die Fahrt in die Hochebene. Es gilt einen Höhenunterschied von fast 2000 Metern zu überwinden, hauptsächlich über Staubpisten. Auf windschiefen Holzbrücken überwindet man wilde Schluchten, die Vegetation ändert sich ständig mit der Höhe und nach jeder Kurve werden die Ausblicke noch spektakulärer.

Dienstag, 10. Januar 2012

La Linda

Salta by night

Kurz nach dem Start in Buenos Aires dreht der Pilot die Maschine in Richtung Norden, hinaus auf den Rio de La Plata, der durch das Sediment, das er mit sich führt ganz braun ist. Am Horizont kann ich die Küste Uruguays mit seiner Hauptstadt Montevideo sehen. Der Flug geht zunächst immer am gewaltigen Rio Paraná entlang, hinweg über die Stadt Rosario, bis der Fluß dann schließlich nach Paraguay abbiegt und vor uns nur noch menschenleeres, brettebene, trockene Steppe liegt. Erst kurz vor der Landung in Salta wird die Landschaft hügelig und grün.

Bei der Hotelsuche habe ich Glück, das „Antigo Convento“ liegt direkt neben dem alten Konvent der Stadt und ist fast ebenso alt, wie sein Nachbar. Schöne Innenhöfe, über und über mit Kübelpflanzen begrünt, Brunnen und ein kleiner Pool sorgen dafür das man sich wie in einer Oase fühlt.

Salta liegt ganz im Nordwesten des Landes, eingerahmt von Chile im Westen und Bolivien im Norden. Die Menschen haben dunklere Haut und indianische Gesichtszüge.
Sie hat sich selbst den Beinamen „La Linda“, die hübsche, gegeben, denn ihre Kolonialarchitektur sucht ihresgleichen. Zwar hat sich zwischen die Prachtbauten auch der ein oder andere Neubau gemogelt und einige der alten Gemäuer könnten eine Renovierung vertragen, aber hier ist Argentinien arm und die Krise der vergangenen Jahre hat ihre Spuren hinterlassen.

Bekannt ist Salta als Ausgangspunkt für Exkursionen ins Altiplano, sowie die berühmte Humahuaca Schlucht und als Tor nach Chile.
Von hier möchte auch ich die Reise in die chilenische Atacama Wüste fortsetzen, doch das ist gar nicht so einfach. Alle Busse sind auf 3 Wochen hin ausgebucht, denn Argentinier fahren mit ihm in die Küstenstadt Iquique zum Badeurlaub.
Nach längerer Suche und der Hilfe einer netten Reisebüroagentin, finde ich jemanden, der eine Reise nach San Pedro de Atacama organisiert und noch wenige Plätze übrig hat.
Wie er mir sagt, gab es auf der Passstrasse heftige Schneefälle, die sie zum Teil unpassierbar machten, deswegen ist das Abreisedatum zunächst noch nicht bestätigt. Ich verbleibe mit ihm, morgen nochmal vorbeizukommen.

Montag, 9. Januar 2012

San Telmo



Das Gedränge in San Telmo ist riesig an diesem Sonntag, denn heute ist, wie an jedem Sonntag Flohmarkt. Jahrein, jahraus, Sommer wie Winter. Es ist nicht das erste Mal, dass ich den größten Antiquitäten- und Kunsthandwerksmarkt der Stadt besuche, dieses Mal bin ich von der Größe aber wirklich überrascht. Ich kann mich an einen feuchtkalten Sonntag im Winter erinnern, an dem gerade einmal die Plaza Dorego mit Ständen gefüllt war und nur eine Handvoll Besucher mit hochgeschlagenen Mantelkrägen durch die Reihen liefen. Seit dem hat sich der Markt mindestens verzehnfacht. Es ist viel Krempel und Kitsch dabei, aber auch das ein oder andere schöne Stück.
Meine Strategie für Reisen ist, immer soviel mitzunehmen, das mein Koffer gut gefüllt ist und ich knapp unter der Grenze des zulässigen Gewicht für Fluggepäck liege. So stelle ich sicher, dass ich außer vielleicht einem kleinem Souvenir, nicht der Versuchung größerer Neuanschaffungen erliege.

Zwischen den Ständen zirkulieren Händler, die Gebäck oder Getränke verkaufen, wo sich noch ein Plätzchen findet zeigen Tangotänzer ihr Können, spielen Straßenmusiker oder ganze Tangoorchester zur Unterhaltung der Besucher. Die Cafés sind überfüllt, die Restaurants heizen schon um 10 Uhr ihre überdimensionalen Holzkohlengrills an. Über allem scheint die Sonne von einem perfekt azurblauem Himmel.

Bevor ich den Markt verlasse, besuche ich noch das Gefängnismuseum. Neben Erklärungen zum Strafvollzug in Argentinien sind allerlei Exponate in Vitrinen zu bestaunen. Skuriles, wie selbstgebastelte Messer, morgensternähnliche Waffen, Tätowiernadeln oder Gegenstände die die Kommunikation zwischen den Zellen ermöglichen sollten, die bei Sträflingen gefunden wurden, aber auch Grusliges, wie Instrumente der Züchtigung oder ein Stuhl auf dem Delinquenten füsiliert wurden.

Ich suche nach einem kühlen Ort um mich auszuruhen und einen kleinen Imbiss einzunehmen und finde bald ein schönes, altes Caféhaus, mit enorm hohen Decken, Art Deco Mobiliar und einer Atmosphäre längst vergangener Zeiten.
In Buenos Aires fühlt man sich oft um Jahrzehnte zurückversetzt. Die Stilrichtung, die die Stadt am meisten geprägt hat ist ohne Zweifel der Jugendstil, oder Modernismo, wie er hier genannt wird. Oft sieht man gar nicht, an was für einem Juwel man gerade vorbeigeht, deswegen habe ich es mir bei meinen Streifzügen durch die Stadt zur Pflicht gemacht, den Hin- und Rückweg auf der jeweils anderen Straßenseite zurückzulegen. Manche der Gebäude sind in einem derart schlechten Zustand, dass ich befürchte, dass sie für immer verloren sind.

Sonntag, 8. Januar 2012

Der Tangostar



Carl Gardès wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert in Toulouse als Kind einer ledigen Wäscherin und eines unbekannten Vaters geboren. In der damaligen Zeit nicht die besten Voraussetzungen für eine Weltkarriere, doch genau diese war dem jungen Mann vorbestimmt.
1893 wanderte seine Mutter mit dem Dreijährigen nach Argentinien aus, damals ein Land das Wohlstand für jeden versprach. Fortan lebten sie im Stadtteil Abasto, unweit des Gemüsemarktes.
Der meist unbeaufsichtige Junge trieb sich bevorzugt auf den Straßen der argentinischen Metropole herum und trug zum Unterhalt der Familie als Kulissenschieber im Teatro Victoria bei. Dort war es, wo dem bekannten italienischen Sänger Titta Ruffo die Stimme des jungen Carl auffiel und seine Karriere begann.
In der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts gab es wohl kaum einen bekannteren lateinamerikanischen Künstler.
Der Tango ist für Argentinien das, was weiter im Norden des Kontinents der Blues ist. Musik der armen Leute, Ausdruck von Sehnsucht, Traurigkeit und Leidenschaft. Die Texte waren oft anzüglich, vulgär und unpassend für die Damen der Gesellschaft.
Dies änderte sich genau in der Zeit als Carlos Gardel, wie er sich jetzt nannte, die Bühne des Erfolgs betrat. Er sang sich in die Herzen der Argentinier und wurde bald in ganz Lateinamerika ein gefeierter Star. Selbst in Frankreich und Spanien waren seine Konzerte ausverkauft.
Um seine französiche Abstammung wurde ein großes Geheimnis gemacht. Er selbst behauptete aus Uruguay zu stammen, wohl um zu verhindern dass Details seiner Herkunft in die Öffentlichkeit gelangen.

Er starb 1935, nur 45-jährig, beim Zusammenstoß zweier Flugzeuge auf dem Flughafen von Medellin, während einer Tournee.
Die Nachricht von seinem Tod führte zu einer Massenhysterie, während derer sich auch mehrere seiner Fans das Leben nahmen.

Das Haus, in dem er gelebt hat ist heute ein Museum. Es ist noch so eingerichtet, wie es zu seinen Lebzeiten gewesen sein muss. Fotos an der Wand, Gegenstände aus seinem Besitz in Vitrinen, ein Gramophon weisen darauf hin, dass der Bewohner ein Superstar seiner Zeit war, einer Zeit, in der der Begriff noch für ebensolche reserviert war.

Im hübschen Innenhof findet gerade ein Tangotanzkurs statt. Die hauptsächlich weiblichen Kursteilnehmer sind bereits im fortgeschrittenen Stadium und müssen, aus Mangel an männlichen Tänzern, miteinander Vorlieb nehmen. Ab und zu greift einer der Lehrer ein um einen besonders schwierigen Schritt zu erklären oder vorzumachen, wie mehr Ausdruck in die Bewegungen gelegt werden kann.

Samstag, 7. Januar 2012

Recoleta

Die Sonne brennt gnadenlos auf die Stadt herunter. Die Luft klebt und der Asphalt ist weich und gibt beim darauf Gehen nach.
38°C zeigt das Thermometer, die stehende Luft in den engen Gassen der Innenstadt und der darin zähfließende Verkehr potenziert das Gefühl zu schmelzen noch.

Ich gehe fast alle Strecken hier zu Fuß. Ab und zu nehme ich, für besonders weite Wege die U-Bahn. Das war‘s. So komme ich an jedem Tag auf geschätzte 15 Kilometer. Für meine Sandalen wird das wohl die letzte Saison werden. Auch die enorme Hitze hält mich nicht davon ab mein heutiges Gehpensum abzuspulen.

Heute steht der Stadtteil Recoleta auf meinem Programm. Recoleta ist das, was in München Grünwald ist. Das Viertel für diejenigen, die es geschafft haben. Noble Boutiquen, edle Restaurants und Luxushotels säumen die Straßen. Hier sieht Buenos Aires Paris am ähnlichsten. Die Häuser haben kleine Türmchen, eine Beletage und ein niedriges Geschoß für die Dienstboten.
Wer hier gelebt hat, will auch hier begraben sein. Den Friedhof von Recoleta, der für die Berühmtheiten bekannt geworden ist, die auf ihm liegen, habe ich schon ein Mal vor ein paar Jahren besucht. Heute komme ich noch einmal zufällig daran vorbei und kann ihn aus einer anderen Perspektive, nämlich vom Balkon eines Cafés aus sehen.
Wie eine kleine Stadt liegt er vor mir. Die Grabstädten bestehen aus Miniaturkathedralen oder tempelartigen, marmornen Gebäuden mit Kuppeln aus Glas. Ein Heer steinerner Engel wacht über die Toten. Von hier oben ist das wirklich sehr schön.

Impressions from Recoleta

Unweit des Friedhofes steht auch das Kunstmuseum der Stadt, das Museo National de Bellas Artes. Es beherbergt eine Sammlung europäischer und argentinischer Künster, die sich sehen lassen kann. Von Gaugin, über Modigliani, Rodin, van Gogh, den holländischen Klassikern und den französischen Impressionisten, um nur einige zu nennen, reicht das Spektrum.
Ich genieße die Stille und die kühle Atmosphäre in dem Gebäude. Nach zwei Stunden Aufenthalt komme ich wieder ins Freie und muss nur die Straße überqueren um eines der Wahrzeichen von Buenos Aires zu besichtigen.

Floralis Genérica

Die Floralis Genérica ist eine übergroße Blüte aus Edelstahl. Sie steht in einem kreisrunden Bunnen und ihre Blätter schließen und öffnen sich, je nach Tageszeit. Wenn es dunkel ist wird sie von innen und außen beleuchtet, was sicherlich spektakulär aussieht. In der Mittagssonne steht sie in ihrer Riesenvase und ihre weit geöffneten Blätter reflektieren das gleißende Licht.

Auch im Puerto Madero, dem alten Hafen, war ich schon oft. Als Schiffe ihre Ladung noch in Säcken transportierten und noch eine Menge Menschen dazu benötig wurde eine Schiffsladung zu löschen, war dies sicherlich kein Ort an den es die Oberschicht gezogen hat.
Heute befindet sich Schiffsfracht in Containern und von nur einem Mitarbeiter in kürzester Zeit, mit Hilfe riesiger Kräne, entladen. Den neuen Hafen mit seinen Containertürmen kann man gut von hier sehen.
Puerto Madero ist heute gentrifiziert. Die Armen mussten weichen und die Reichen teilen sich das Viertel jetzt mit Touristen.
An Amüsement und Attraktionen mangelt es nicht. Es gibt Museumsschiffe, Restaurants für jeden Geschmack und Clubs.
Besonders stolz sind die Porteños auf ihre Puente De Las Mujeres, die Brücke der Frauen. Eine bizarre Konstruktion, bei der Seile an einem hoch aufragenden Stachel befestigt sind, die die Brücke tragen. Was die Menschen bei ihrem Anblick an Frauen denken lässt, weiß ich nicht. Bei anbrechender Dunkelheit sieht sie auf jeden Fall spektakulär aus.

Puerto Madero, Buenos Aires

Donnerstag, 5. Januar 2012

Der Hundeprofi



Bis zu 20 Tiere, alles Rassehunde, die erstaunlich brav nebeneinander her trotten, habe ich gezählt, geführt von nur einer Person. Wann immer man jemanden mit so vielen Tieren an der Leine sieht, kann man sicher sein, dass es sich um einen professionellen Hundeausführer handelt. Ihre Besitzer haben keine Zeit oder keine Lust mit ihren Tieren zu laufen und haben so einen neuen Berufsstand erfunden.

Mich erstaunt, wie gut die Hunde sozialisiert sind. Kein Bellen, kein Zerren, kein Durcheinanderlaufen - der Führer wird als Alphatier akzeptiert und und seine Rolle nicht in Frage gestellt.
Zwar gibt es auch in Buenos Aires ein Gesetz, das es verbietet Hundeexkremente einfach auf der Straße liegen zu lassen, aber das Gesetz nicht überwacht wird, hält sich niemand wirklich daran.

Immer wenn ich solchen Rudeln auf der Strasse begegne frage ich mich, was wohl passiert, wenn der Gruppe eine der zahlreichen Straßenkatzen über den Weg läuft.
Keiner der Hunde, die wir jemals hatten, war dann noch zu halten und kein noch so starker Hundeführer könnte eine solche Meute dann noch kontrollieren.

Der erste Tango

Teatro Colon, Buenos Aires

Das Teatro Colon verschliss drei Architekten, bis es im Jahr 1910 seine Pforten zum ersten Mal öffnete. Der erste war schon totkrank als er die Arbeit aufnahm und verstarb 44 jährig. Der zweite, ebenso wie sein Vorgänger Italiener, wurde bei einem Heimaturlaub vom Liebhaber seiner Frau erschossen, als er diese inflagranti erwischte. Auch er wurde nur 44 Jahre alt. Der letzte, ein Franzose, brache das Werk zu Ende. Soweit ich weiß starb er eines natürlichen Todes.
Den drei Baumeistern ist geschuldet, dass das Theater nicht ganz stilrein ist. Am meisten hat der französiche Architekt den Bau beeinflusst. So sieht der Salon aus wie eine Miniausgabe eines Saales aus dem Schloss von Versailles. Früher nur den Reichen vorbehalten, die dort vor den Vorstellungen Kontakte knüpften und unter ihresgleichen sein konnten, finden dort heute Kammerkonzerte sowie die Castings für die zukünftigen Künstler des Hauses statt.
Noch während der Bauphase wurde Kritik an dem Gebäude laut. Es war zu verspielt und detailverliebt. Der Architekt fügte also einige „deutsche Elemente“ ein um die Kritiker zu besänftigen, wie unser Führer erzählt.
Der Innenraum ist atemberaubend schön. Insgesamt 6 Gallerien mit diversen Logen und Séparées bieten von überall idealen Blick auf die Bühne. Der Boden des Zuschauerraums weist ein Gefälle von 6% auf, für Bälle kann man ihn jedoch auf 0% anheben.
Von der Akustik des Saales zählt das Colon zu den besten Opernhäusern der Welt. Luciano Pavarotti sagte einmal in einem Interview, nur das Opernhaus in Wien klänge noch besser.
Jedes noch so kleine Detail kann die Akustik eines Saales verändern. Während der Renovierungsarbeiten wollte man kleine bronzene Gitter, die unter den Stuhlreihen angebracht sind, um die Kühlschächte im Saal zu verschließen, durch neue ersetzten. Diese Maßnahme veränderte die Saalakustik derart, dass man sich entschied, die alten Gitter wieder einzusetzen.
Unter den Logen, sozusagen im Souterrain des Saales befinden sich vergitterte Séparées. Die sogenannte Witwenlogen waren Damen in der Trauerzeit vorbehalten. Diese durften, so war es Tradition, zwei Jahre nach dem Ableben ihrer Gatten nicht öffentlich auftreten. Durch diesen kleinen Trick konnten sie trotzdem am kulturellen Leben weiterhin teilhaben.

Colorful Buenos Aires

Der Stadtteil La Boca, dort wo die Unterschicht, die Ärmsten der Armen, einst lebten, ist heute der komplette Touristennepp.
Bekanntgeworden durch die bunt bemalten Wellblechfassaden seiner Häuser, zog er bald Touristen an und mit ihnen die Souvenirindustrie.
Vom einstigen Charme ist nichts mehr geblieben. Zwar sind manche der Häuser noch von Menschen bewohnt, die sicherlich nicht zur Oberschicht zählen, jedoch ziehen durch den Caminito Horden von Besuchern aus aller Welt und überteuerte Cafés und hunderte von Andenkenhändler versuchen ihnen in der kurzen Gasse möglichst viel Geld abzunehmen.
Trotzdem komme ich immer wieder her. In meiner Phantasie kann ich den Touristenrummel ausblenden und sehe die Strasse vor mir, wie sie früher einmal gewesen sein muss.
Hier in La Boca, genauer gesagt in einer der Spelunken in der Calle Neochea, wurde der Tango erfunden. Mein Reiseführer warnt davor diese Strasse alleine aufzusuchen, denn ein sicherer Stadtteil ist La Boca nicht. Ich bitte also den Taxifahrer mich auf dem Rückweg dort durchzufahren und er zeigt mir aus dem fahrenden Wagen heraus, wo man einst den ersten Tango getanzt hat.

Mittwoch, 4. Januar 2012

Der Pizzaindikator



Einquartiert habe ich mich, wie schon beim letzten Mal, im Stadtteil Palermo, derzeit das angesagteste Viertel der Stadt. Was Rang und Namen hat in der Welt der Mode und des guten Geschmacks hat hier ein Geschäft. Die Preise für Wohnungen sind denen in München nicht unähnlich, wie sich in den Auslagen der Makler zeigt. Noch vor vier Jahren hätte man hier eine kleine Wohnung für um die 50.000 Euro erwerben können, jetzt ist dafür mindestens das doppelte zu entrichten. Die Preise für Mietobjekte sind in den Exposés der Wohnungsvermittler in Pesos, die für Kaufobjekte in US$ angeschrieben. Ihrer eigenen Währung trauen die Argentinier seit dem großen Crash im Jahr 2001 offensichtlich nicht mehr.

Ich war gespannt, wie sich die Preise in den Jahren des Aufschwungs, den das Land hinter sich hat, entwickelt haben. Einige Preise haben sich überhaupt nicht verändert, wie zum Beispiel der öffentliche Nahverkehr. Für eine Fahrt mit der Metro werden 1,10 Pesos verlangt, das sind 19 Cent. Ein Abendessen kostet nun jedoch das doppelte und somit ungefähr soviel, wie bei uns.
Ein Indikator für die Wirtschaftsleistung ist, wie mein Reiseführer zu berichten weiß, der Preis von Ugi‘s großer Mozzarella Steinofenpizza. Der ist für jeden sichtbar im Fenster des Lokals angeschrieben und ändert sich fast wöchentlich. Im Jahr 2001, als ich das erste Mal in Buenos Aires war und der Peso noch 1:1 zum Dollar umgerechnet wurde, kostete sie 2,19 und der Preis fiel sogar noch auf 1,79. Vor oder nach Wahlen schwankte der Preis, je nach Prognosen und späterem Gewinner. Heute sind dafür 19 Pesos fällig, Tendenz steigend.

Die Zeiten in denen man nur Touristen in den Lokalen und Cafés gesehen hat sind vorbei. Die Porteños, wie sich die Bewohner der Stadt nennen, haben sich Buenos Aires zurückerobert. Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig, wie seit Jahrzehnten nicht mehr, der Tourismus, vor allem aus dem benachbarten Brasilien und Europa, boomt, dem Land geht es wieder gut.

Dienstag, 3. Januar 2012

Königliche Wurstfinger

Das Taxi, das mich zum Flughafen bringen soll ist um 15 Uhr bestellt, ich bin aber schon um 14:30 Uhr fertig und um die Zeit totzuschlagen mache ich den Fernseher an. Auf ZDF Info läuft eine Reportage über Prinz Harry. Seit Wochen laufen dort Reportagen über europäische Königshäuser.
Über Prinz Harry hält sich hartnäckig das Gerücht, das Charles gar nicht sein leiblicher Vater ist, sondern vielmehr ein Rittmeister, mit dem Lady Di ein Verhältnis nachgesagt wird. Sieht ihm tatsächlich sehr ähnlich, was anhand von Archivaufnahmen belegt wird.
Ein Kenner der Materie, ein Experte für das englische Königshaus, entkräftet dieses Gerücht jedoch indem er anführt, dass Prinz Harry, genau wie sein Vater und dessen Großvater Wurstfinger hat. Ich muss laut loslachen! Er benutzt das Wort „Wurstfinger“, als ob es sich dabei um eine (sehr seltene) Erbkrankheit handelt. Ab wann überschreiten Finger denn das Maß des Normalen und dürfen als Wurstfinger bezeichnet werden?

Es klingelt an der Tür. Gerne hätte ich diese Reportage zu Ende gesehen, so unerwartet amüsant ist sie.

Ich reise für mein Leben gerne, aber es gibt Dinge, auf die ich dabei verzichten könnte: Koffer ins Taxi, Koffer aus dem Taxi, Koffer einchecken, Sicherheitskontrolle, Spießrutenlauf durch den Duty Free, bei dem man mit allerlei Düften vollgesprüht wird, in Frankfurt aussteigen, Sicherheitskontrolle, Duty Free, Warten, Koffer in Buenos Aires vom Band nehmen, Duty Free, Bus in die Stadt, Taxi zum Hotel, Einchecken im Hotel.

Schon bei der ersten Sicherheitskontrolle in München fällt den Kontrolleuren meine Handcreme auf. 150ml statt der erlaubten 100ml befinden sich in der Tube. Die Kontrolleurin deklariert meine Creme jedoch kurzerhand zur Medizin und lässt mich ziehen. Leider ist man in Frankfurt bei der zweiten Kontrolle nicht so großzügig und ich bin die Creme los. Anfängerfehler!

Doppelt schade, weil es diese Creme (mit 5% Urea) bei Aldi nicht immer sondern nur als sogenannte Aktionsware gibt, ich also nicht sofort für Ersatz sorgen kann, in Argentinien schon gleich zweimal nicht.
Urea wird übrigens aus Urin gewonnen. Eigentlich ziemlich eklig, aber das ist die beste Handcreme, die es gibt.
Wie kommen die eigentlich an das viele Urin? Menschlich, tierisch oder vielleicht doch synthetisch? Muss ich gleich mal googlen.