Dienstag, 15. September 2009

Shanghai Shopping

Ich soll das englischsprachige Briefing für unseren Flug nach Shanghai halten, bittet mich Bea, meine Vorgesetzte, als wir aus Chicago zurückkommen. Also sitze ich am Abflugtag an meinem Schreibtisch und überlege mir worüber ich reden könnte um mir, auf unterhaltsame Weise, die Aufmerksamkeit meiner Crew zu sichern. Mir fällt die Geschichte vom fliegenden Holländer ein, dem Geisterschiff, dessen Kapitän dazu verdammt war, über die Weltmeere zu segeln ohne jemals einen Hafen anlaufen zu dürfen und vor dem jeder Seemann damals angst gehabt hatte, denn jedem, der ihm begegnete, drohte das gleiche Schicksal. So schlage ich eine Brücke zu unserem Nachtflug, auf dem uns nichts Schlimmeres passieren kann, als ein fliegender Holländer zu werden, ein (Luft-)Schiff ohne Mannschaft, das ohne Kontrolle durch die Nacht schießt. Ich bin mit meiner Idee zufrieden.

Shanghai, was übersetzt "über dem Meer" bedeutet, ist das Einkaufsparadies im Lufthansa Streckennetz. Ob Massschuhe, -anzüge, -mäntel, Kaschmirschals und -pullover, Handtaschen und Designerbrillen, das Angebot an Waren ist unermesslich und alles in einer Qualität, die man sich in Deutschland niemals leisten könnte, hier aber oft weniger kostet als die Konfektionsware zu Hause.

Schon auf dem Hinflug werde ich von einer der beiden lokalen chinesischen Flugbegleiterinnen, Juan, gefragt, ob ich nicht Lust hätte mit ihr zu verschiedenen Märkten und Schneidern zu fahren und als ihr Shoppingberater zu fungieren. Da ich noch keine Pläne für mein Layover habe und sie mir sofort sympatisch ist, willige ich ein. So kann ich den Tag nicht nur in netter Gesellschaft verbringen, sondern bekomme auch noch einige Einkaufsgeheimtipps einer echten Insiderin.
Am nächsten Tag rufe ich Juan gegen 12 Uhr in ihrem Hotelzimmer an. Wir haben beide lange geschlafen nach dem anstrengenden Flug und dem opulenten, authentisch chinesichen Abendessen. Wir verabreden uns um 13 Uhr in der Lobby und als wir uns treffen, war sie bereits in der Bäckerei nebenan, um ein kleines Frühstück, Kaffe und Gebäck, für uns besorgen.

Unser erster Stopp bringt uns in den sogenannten "Cotton Market", ein mehrgeschossiges Gebäude, in dem sich eine Unmenge an Schneidern niedergelassen haben, jeder mit seinem Spezialgebiet: Mäntel, Anzüge, Hemden, usw. Ich schätze es müssen so um die 150 sein.
Juan hat in einem Modemagazin einen Mantel gesehen, den sie gerne hätte und stellt mich nun dem Mantelschneider ihres Vertrauens vor. Es wird kurz maßgenommen, über Farbe und Beschaffenheit des Stoffes (schwarzer dicker Kaschmir) und des Futters (Seide in Pink) beratschlagt und dann über den Preis verhandelt. 500 Yuan, also gerade einmal 50 Euro, wird der Mantel zum Schluß kosten und ist darüber hinaus bereits am nächsten Tag abholbereit, ein Sonderservice für Lufthanseaten, da alle Geschäftsleute hier wissen, dass wir nur sehr wenig Zeit bis zur Rückreise haben.
Da wir gerade schon mal hier sind, werden noch ein paar Pashmina- und Seidenschals als Geschenk für Bekannte mitgenommen. Ich denke ich könnte auch einen Kaschmirschal für meine Mutter mitnehmen, die gerade wegen eines komplizierten Beinbruchs das Krankenhausbett hüten muss, und suche mir einen aus, von dem ich glaube, dass er ihr gefallen könnte. Juan schenkt ihn mir, sozusagen als Lohn für meine Geduld, dabei finde ich es hier sehr kurzweilig und habe richtig Spaß.

Juan

Nach dem Cotton Market geht's zum Taschenkauf. Eine Handtasche im Mulberry Stil soll es sein. Der betreffende Händler ist schnell gefunden, er ist, hauptsächlich bei weiblichen Lufthanseaten, für seine gute Qualität und sein geschicktes und beharrliches Handeln bekannt. Auch ich habe, in 20 Jahren Fliegerei, einige Erfahrung im Handeln gesammelt und schalte mich in die zähen Verhandlungen ein. Nachdem ich bereits aufgegeben habe, drück Juan den Preis nochmal um 10 Euro - gelernt ist halt gelernt.

Auf das Handtaschenparadies folgt nun der Juwelier. Hier wird eine Perlenkette als Ergänzung der Uniform geordert. Da deren Herstellung eine Stunde in Anspruch nehmen wird, beschließen wir ein verspätetes Mittagessen einzunehmen. Ganz in der Nähe kennt Juan ein Hotpot-Restaurant, dessen Besuch unbedingt empfehlenswert ist. Hier kann man zwischen mehreren Suppen auswählen, die dann auf einem kleinen Kocher auf dem Tisch erhitzt werden. Auf der Karte wählt man beliebig viele Zutaten, Fleisch, Fisch, Gemüse, Shrimps, die man dann in seiner Suppe garen kann und am Buffet stellt man sich aus etwa 20 verschiedenen Soßen und Pasten, ein Dipp nach seinem Geschmack zusammen. Eine herrliche und sehr komunikative Art des Essens, die mich stark an unser heimisches Fondue erinnert. Als wir mit unserem Nachtisch, grüner Teecreme und frischem Obst, fertig sind, sind drei Stunden vergangen.

Nachdem wir alle Einkäufe abgeholt und nun einigermaßen vollgepackt sind, beschließen wir zum Hotel zurückzukehren um die Tüten zu verstauen und uns als Belohnung eine Massage zu gönnen. Juan schlägt eine Öl-Ingwermassage, in einem Massagesalon nur fünf Gehminuten vom Hotel, vor. Hört sich interessant an - ich bin dabei.
Wir werden in einen Raum mit zwei Massageliegen gebracht, tauschen unsere Kleidung gegen viel zu große Boxershorts, in denen wir wie Kinder aussehen, und werden erstmal gründlich mit Öl begossen und durchgeknetet. Durch das Gesichtsloch in der Liege können wir uns dabei sogar unterhalten. Nach etwa einer Stunde bringen die Masseure drei große Schüsseln mit geriebenem Ingwer herein und bestreichen unsere Rücken dick damit. Der Ingwer ist zunächst unangenehm kühl, wird dann aber mit einem heißen Tuch abgedeckt, wird dann wärmer und wärmer, bis man sich schließlich wie in einer Sauna fühlt.
Nach einer halben Stunde wird der Ingwer wieder entfernt der Rücken abgewaschen und die Massage ist vorbei.
Später im Bett schwebe ich förmlich über der Matratze, so tiefenentspannt bin ich durch die Wärme.