Mittwoch, 17. Dezember 2008

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung habe ich am letzten Wochenende einen Beitrag gelesen, der mich beunruhigt hat.

Es geht um ein kleines Lokal, etwa 100 km nördlich der japanischen Hauptstadt Tokyo. Das Lokal gehört Frau Otsuka und ähnelt auf dem Foto den vielen Lokalen, die ich aus Japan kenne: am Eingang ein Regal für die Schuhe, ein paar Pantoffeln für die ehrenwerten Gäste, ein enger Raum, niedrige Tische - irgendwie gemütlich. Bislang nichts was mich ängstigen müsste, wenn Frau Otsuka nicht außergewöhnliches Personal beschäftigen würde. "Ohne Affen wären wir nur ein Lokal" sagt Frau Ôtsuka über ihre ungewöhnlichen Kellner. Tatsächlich werden die Gäste von Makaken bedient, die die Besitzer des Lokals von einem Affentrainer aus der Region, der sein Geschäft aus Altersgründen aufgegeben hat, bekommen haben.
"Makaken gibt es viele in unserer Gegend und viele Menschen haben welche zu Hause", wird die Japanerin zitiert, doch ihre Affen sind besondere Tiere, denn sie haben gelernt die Gäste des Lokals zu bedienen.
Sie können Erfrischungstücher, Getränke und kleine Speisen servieren, sagt Frau Otsuka, und das kommt bei den Gästen einfach gut an.
Hmmm, Erfrischungstücher, Getränke und kleine Speisen servieren ist eine ziemlich genaue Beschreibung meiner Tätigkeit und nun wird aus einer Ahnung, die mich schon lange verfolgte, Gewissheit: Mein Job kann auch von Affen erledigt werden! Es kommt noch schlimmer: die Affen können neben ihrer Kellnertätigkeit auch noch tanzen und eine japanische Kampfsportart. - Verdammt, ich kann weder das eine noch das andere!

Vielleicht sind Affen ja einfach die besseren Menschen. Was wäre denn, wenn man zum Beispiel die Posten von Bankmanagern mit Affen besetzen würde? Ich erinnere mich an ein Börsenspiel, bei dem jedermann ein bestimmtes Grundkapital virtuell an der Börse anlegen konnte und derjenige den Sieg davon tragen sollte, der in einer vorgegebenen Zeitspanne sein Grundkapital maximal vermehrt hatte. Der Gewinner war ein Affe aus einer Forschungseinrichtung, den die Wissenschaftler aus Spaß an dem Gewinnspiel teilnehmen ließen und der alle Experten und Hobbybörsianer abhängte. Vielleicht konnte dieser Affe ja obendrein auch noch tanzen und andere Kunststückchen und damit die Menschen erfreuen?

Frau Otsuka jedenfalls lobt den Fleiß ihrer tierischen Servicekräfte, der dem des menschlichen Personals in nichts nachstehe. Nach getaener Arbeit gehen die Makaken in die Wohnräume der Familie, wo sie selbstständig ihr Abendessen einnehmen und dann warten, bis die Restaurantbesizter aufgeräumt haben und sich zur Ruhe begeben.

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Arabische Impressionen

Colourful Live
Die Sonne geht gerade hinter den wenigen Wolken unter und malt als Abschiedgruß einen Strahlenkranz an den Himmel. Das geschäftige Treiben in der Altstadt Dubais jedoch läßt sich davon nicht beeindrucken. Zeitgleich beginnen die Muezzine von den Minaretten der zahlreichen Moscheen in den ausklingenden Tag zum Gebet zu rufen. Vielfaches "Allah-u-akbahr" - Gott ist groß - eine Kakophonie der Spiritualität.

Hier, im alten Stadtkern, ist Dubai noch ursprünglich, so wie es vor dem sagenhaften Reichtum, der allerorten demonstriert wird, gewesen sein muss. Araber freilig findet man hier kaum noch. Längst haben die Einwanderer aus aller Herren Länder die Altstadt für sich entdeckt: Inder, Pakistani, Bangladeshi, Filipinos, sie alle bestimmen das Straßenbild zwischen dem Gold Souk, dem Spice Souk und den zahllosen Geschäften für Textilien, Elektronik und Haushaltsbedarf. In winzigen, hell erleuchteten Schneidereien, nicht einmal von der Größe meines Wohnzimmers, kann ich sehen, wie Männer, Nähmaschine an Nähmaschine, so eng zusammengestellt, dass ein Erwachsener kaum hindurchgehen kann, Kleider im Akkord herstellen.
Am Dhow Harbour, dem alten Hafen der Stadt, werden immer noch Daus entladen um die nahen Märkte mit Waren zu versorgen. Zwischen den ein- und auslaufenden Booten fahren Wasserbusse, kleine Boote ohne Reling, mit einer Holzbannk in der Mitte, im Minutentakt und verbinden die beiden Uferseiten.
Water busses
Aber das ist nur die eine Seite der Stadt an der Spitze der arabischen Halbinsel. Die andere ist deutlich auffälliger, denn sie zeigt die Potenz und den Reichtum, der aus dem einstigen Fischerdorf eine Millionenmetropole und ein Finanz- und Handelszentrum gemacht hat.
Hier findet man, im Meer vor der Stadt in windeseile erbaut, die größten künstlichen Inseln der Welt, zwei in Form einer Palme, und eine ganze Inselgruppe, die von oben betrachtet die Weltkarte darstellt und deswegen in aller Bescheidenheit "World" genannt wird. Hier steht das einzige 7 Sterne Luxushotel der Welt, das Burj al Arab, in der die Nacht in einer der Luxussuiten schon einmal einen 6-stelligen Dollarbetrag kosten kann und nicht zuletzt entsteht hier gerade das höchste Gebäude der Welt. Das Burj Dubai, noch im Bau befindlich, hat bereits jetzt alle seine Konkurrenten der anderen Erdteile weit hinter sich gelassen, was seine Höhe betrifft. Wie hoch es tatsächlich einmal werden wird, wissen nur Wenige: der Architekt, der Bauherr und das Team der Statiker.
Vorbei die Zeiten in der ausschließlich amerikanische Städte um den Titel des höchsten Gebäudes stritten. Zunächst übernahmen die Petronas Towers in Kuala Lumpur, um nur, wenig später, vom 101 Tower in Taipei abgelöst zu werden und, gerade als China seine Pläne für seinen "Turm von Babel" vorlegte, reißt eine Baustelle in der Wüste den Titel an sich. Machtspielchen der Superreichen!

Statussymbole findet man natürlich vor allem auch auf der Straße, denn Kleinwagen sucht man hier vergebens. Bevorzugtes Fortbewegungsmittel sind Geländewagen und SUV's deutscher Nobelmarken, die hier, sobald man die Stadt verlassen hat, sogar auch Sinn machen. Der Benzinpreis ist so niedrig und das Geld sitzt so locker, dass man sich nicht einmal die Mühe macht ihn an den Tankstellen anzuschreiben.
So ist denn auch eines der Hauptvergnügen der Dubaier das Einkaufen. Wer echte Araber sehen möchte, der muss in die zahlreichen Shopping Tempel gehen, in denen alles zu haben ist, was einen guten Namen hat, zu Preisen, die noch etwa 10% bis 20% über denen in Europa liegen.

Ein Verkäufer in einer Boutique, wie fast alle Dienstleister hierzulande Filipino, erzählt mir dass in diesem Jahr ultrakurze Miniröcke der Verkaufsschlager seinen. Verwundert frage ich ihn, wie das in einem muslimischen Land möglich ist.
"Natürlich sieht man die Damen nie diese Mode tragen", klärt er mich auf, "die wird immer unter den Schwarzen Mänteln versteckt und erst in den eigenen vier Wänden oder bei sogenannten Ladyparties demonstriert."

Donnerstag, 27. November 2008

Arschgeweih verboten!

"We kindly ask you to cover your tatoos with tape, before entering the health club". Diese Aufforderung lese ich in einer Broschüre, die auf dem Schreibtisch meines Zimmers des Tokioter Hotels "New Otani" ausliegt. Ich stelle mir vor wie junge Frauen mühsam versuchen ihre platzgreifenden Tätowierungen über dem Steiß, das sogenannte "Arschgeweih", abzukleben, damit sie in die Wellnessanlage des Hotels vorgelassen werden.
Tätowierungen waren im Japan der vergangenen Zeiten der Yakuza, der "ehrenwerten Gesellschaft", vorbehalten und galten als deren Erkennungsmerkmal. Vielleicht möchte man sich mit dem Tattooverbot die Mitglieder dieser Organisation vom Leibe halten. Auch wenn Tätowierungen unter jungen Japanern einiges an Popularität gewonnen haben sind sie längst noch nicht so verbreitet wie bei ihren Altersgenossen im Westen.
Es ist keine Seltenheit, dass Menschen mit sichtbaren Tätowierungen der Zutritt zu Clubs, Restaurants und Hotels verwehrt wird.

Auch wenn einiges in Japan auf den ersten Blick an unser Leben im Westen erinnert, so sind die Unterschiede doch gewaltig. Ein Aufenthalt in der 30 Millionen Metropole Tokio ist spannend und verwirrend zugleich und jedes Mal entdecke ich hier Neues.

Noch am Tag vor meiner Abreise habe ich mir einen neuen Reiseführer von Tokio gekauft. Der alte war in die Jahre gekommen und hat, in einer Stadt, in der nichts mehr Bestand hat, als der Wandel, nur noch anachronistischen Wert.
Ich schätze die Führer der Reihe "Vis á vis", denn sie heben sich erfrischend aus dem Einerlei ihrer Konkurrenten ab. Sie legen den Focus nicht so sehr auf günstige Übernachtungen oder Restaurantempfehlungen, sondern erklären die Stadt im historisch-kulturellen Kontext, machen auf Architektur und Alltagskultur aufmerksam und geben Anstöße diese zu erleben und erlaufen. Nichts für Menschen, die nicht gerne zu Fuß unterwegs sind.
Ich habe mir für den nächsten Tag 3 Highlights vorgenommen: den Stadteil Yanaka, eine Enklave der Altstadt und der besterhaltenste Teil Tokios, Akihabara, das Elektronikviertel, in dem man die neuesten high-tech Spielereien zu günstigen Preisen erstehen kann und schließlich Obaida, den neuesten Stadtteil Tokios, auf einer künstlichen Insel gelegen, ein Vergnügungsviertel für Großstadtfans.

Um 7:00 Uhr verlasse ich bereits mein Hotel, denn mein Tagespensum ist genauso groß, wie die Entfernungen zwischen meinen Stationen. Der Zug in Richtung Innenstadt fährt immer an der Küste der Tokio-Bay entlang. In der Ferne erhebt sich der heilige Berg Fuji-san, dem der bevorstehende Winter eine Haube aus Schnee aufgesetzt hat, die der hereinbrechende Morgen nun in eine zarte Rosafärbung taucht.

Es ist Sonntag und trotz der frühen Uhrzeit sind alle Züge gut besucht, der Stadtteil Yanaka dagegen wirkt noch verschlafen. Ich gehe den von meinem Reiseführer vorgegebenen Weg entlang und fühle mich in die Zeit zurückversetzt, in der Tokio noch Edo hieß und nichts weiter als ein Provinznest war. Zahlreiche Tempel liegen fast Tür an Tür entlang der kleinen Straße. Einer gefällt mir besonders. Er nennt sich "Schneebetrachtungstempel", da er einst ein beliebter Ort dafür war, den Schneeflocken beim Fallen zuzusehen und darüber Gedichte zu verfassen. Einzig die nahen Bahngleise und das Geräusch fahrender Züge erinnert daran, dass wir das Jahr 2008 schreiben. Durch kleine Gassen und Gässchen schickt mich mein Reiseführer, vorbei an alten Holzhäuschen im japanischen Stil, durch Friedhöfe hindurch und immer wieder an Tempeln vorbei.
An einem findet eine Art Taufe statt. Sowohl Eltern als auch Neugeborene sind in traditionelle Kleider gewandet und es wird viel fotografiert. Da ich der einzige bin, der nicht zu einer Gesellschaft gehört, nimmt eine junge Frau all ihren Mut zusammen und fragt mich auf Englisch, ob ich nicht ein Foto von ihrer Familie machen könnte. Als ich ihre Kamera entgegennehme will sie sich bedanken und sagt "excuse me very much". "Thank you very much" wird sie sofort von einer Angehörigen mit scharfem Blick verbessert.
Nachdem ich das Foto gemacht habe, bedanken sich alle Fotografierten mit einer tiefen Verbeugung dafür, dass der ehrenwerte Ausländer seine Zeit für das Foto geopfert hat.
Am Ende meines Rundgangs liegt das Isestatsu, eines der ältesten und traditionsreichten Papierkunstgeschäfte Japans. Eine hübsche Auswahl an Fächern, Drucken, Puppen, Kämmen und Aufbewahrungsschachteln wird hier feilgeboten. Ich zeige einer der Verkäuferinnnen das Foto ihres Geschäfts in meinem Reiseführer und aus Freude darüber schenkt sie mir eine Karte, die eine Frau im Kimono zeigt.

Weiter geht es nach Akihabara, nur einige Metrostationen entfernt und doch eine andere Welt. Riesige aufdringliche Leuchtreklamen prangen an den Fassaden, es ist grell und laut. Hier geht man hin, wenn man sich mit den neuesten elektronischen Gadgets eindecken möchte. Von Kameras über Spielkonsolen bis zu Computern und DVD's, was es hier nicht gibt, gibt's nicht!
Einer der Läden, die ich betrete, offeriert im Untergeschoß "Spielzeug für Erwachsene". Offensichtlich ist das die "Schmuddelecke" des Ladens und das weckt mein Interesse. Zwischen den üblichen Sexspielzeugen und Vibratoren, fällt mir ein Gerät, schon alleine durch seine Größe, auf. Es handelt sich um einen elektrisch betriebenen Hocker, den man auch aus den, in Asien überaus beliebten, Läden für Massageräte kennt. Er simuliert mit seinen Auf-, Ab- und Seitwärtsbewebungen ein Rodeopferd. Nur das sich bei diesem Gerät zusätzlich ein Silikondildo auf dessen Sitzfläche erhebt. Auf einem Monitor darüber erklärt eine junge Frau, nur mit Höschen bekleidet, wie das Gerät zu benutzen sei. Am Ende ihrer Erklärung entledigt sie sich auch noch ihres Höschens und nimmt nun auf dem Gerät platz um es zu demonstrieren.
Fast traue ich meinen Augen nicht! Soetwas hätte ich in einem Land, in dem selbst ein öffentlicher Kuss verpöhnt ist, nicht erwartet.

Mittlerweile ist es 14 Uhr und es wird höchste Zeit, zu der letzten Station meines Ausflugs aufzubrechen. Obaida ist mit einer Monorailbahn zu erreichen, die computerbetrieben wird und somit ohne Fahrer auskommt. Wie von Geisterhand bewegt, fahren wir über die Rainbow-Bridge und kommen nun in einen Stadtteil, der durch seine experimentelle, postmoderne Architektur bekannt geworden ist. Hier, so scheint es, ist alles erlaubt was moderne Baumaterialien und Statik möglich machen, hier stehen wahre Wunderwerke moderner Architektur: Das Tokio Big Sight besteht aus vier Pyramiden, die mit ihrer Spitze auf Säulen stehen und deren Basis sich treffend, eine Plattform und den oberen Abschluß bilden.
Das Fuji TV Building ist derart komplex, dass es schwer fällt, es mit Worten zu beschreiben. Eine luftige Konstruktion, deren Stockwerke aus einem Gitternetz bestehen, jeweils mit Verbindungen nach oben, unten und seitlich. Am oberten Stockwerk befindet sich eine Titankugel, die gleichsam über dem ganzen zu schweben scheint.
Der Einkaufskomplex "Venus Fort" imitiert eine italienische Stadt. Auf Fenster wurde bei der Konstruktion, um einer perfekten Illusion willen, bewußt verzichtet. Man schreitet durch kopfsteingepflasterte Straßen und über Piazzas, an italienischen Fassaden entlang, in denen sich Geschäfte und Cafés befinden. Der künstliche Himmel ist so perfekt beleuchtet, dass er fast real erscheint. Mit Einsetzen der Dunkelheit, dämmert es auch in der Venus Fort Mall, der Himmel verdunkelt sich immer mehr, die Staßenbeleuchtung wird eingeschaltet und das Vogelgezwitscher aus den unsichtbaren Lautsprechern verstummt langsam. Ein Einkauf hier ist fast ein kleiner Kurzurlaub in Italien - aber nur fast!

Einer der Atraktionen von Obaida ist das Mega Web, ein ultramoderner Showroom des Automobilherstellers Toyota. Hier kann man nicht nur die gesammte Modellpalette des Konzerns besichtigen und ausprobieren sondern sich auch über neue Technologien und andere Innovationen informieren.
Ein Teil der Ausstellung ist dem Thema Behinderungen gewidmet und man kann verschiedene Modelle besichtigen, die für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen geschaffen wurden. Bei einem schwenkt der Beifahrersitz zur Seite, schiebt sich aus der Tür, wobei er Rollen entfaltet, sich vom Fahrzeug löst und so zum Rollstuhl mutiert.
Ein anderes System, vergleichbar mit dem Antikolisionssystem moderner Verkehrsflugzeuge, wird in einer anderen Abteilung vorgestellt. Ein Sensor tastet die Straße nach Fremdkörpern ab und bremst, sollte er einen solchen findet, das Fahrzeug automatisch ab. Testen kann jeder Besucher das ganze an einem Fahrsimulator, der eine Situation bei schlechter Sicht, also eine Fahrt bei Nebel und Nacht, nachstellt. Plötzlich tauchen Personen oder liegengebliebene Autos auf und man muss versuchen einen Unfall zu verhindern. Die Besucher können die sehr realistische Simulation mit oder ohne das System testen.

Während ich noch auf eine Fahrt im Fahrsimulator warte, höre ich Trompetenmusik. Ich erinnere mich am Eingang einen menschengroßen Roboter gesehen zu haben, der eine Trompete in der Hand hielt. Ich gehe in die Richtung aus der die Musik kommt und sehe tatsächlich bald den Roboter, wie er Weihnachtslieder auf der Trompete spielt und dazu tanzt. Hier, so scheint es, hat die Zukunft bereits begonnen.

Freitag, 24. Oktober 2008

Uniquely Singapore

Singaporean Market
Asiatische Länder werben gerne mit Slogans um Besucher. Kurz, prägnant und einprägsam sollten sie sein und natürlich müssen sie Lust darauf machen das Land als Tourist zu bereisen. "Thailand - Land of Smiles" wirbt das Königreich Siam vollkommen zurecht mit der Freundlichkeit seiner Bewohner, "Malaysia - Truly Aisia" reimt sein südlicher Nachbar und will darauf aufmerksam machen, dass man sich hier noch nicht an den "western way of life" angepasst und sich dafür sogar eine Hymne hat komponieren lassen. Auch Indien hat mit seinem "Incredible !ndia" eine umfassende Beschreibung des Landes auf nur zwei Worte und ein Satzzeichen reduziert.
Und Singapur? Der winzige Inselstaat an der Südspitze Malaysias behauptet einzigartig zu sein. "Uniquely Singapore" steht auf den Broschüren, die bereits am Flughafen für die Touristen kostenfrei ausliegen. Ob man in Singapur einkaufen will, einen Stadtspaziergang vorhat, die abwechslungsreiche Geschichte erleben oder die asiatische Küche in ihrer Vielfalt genießen möchte, für jedes Vorhaben liegt eine ausführliche, auf Glanzpapier gedruckte und mit vielen Bildern versehene, Broschüre bereit.
Obwohl dies nicht mein erster Aufenthalt in dem Stadtstaat ist nehme ich mir einige Führer mit. Gut vier Tage habe ich Zeit in das pulsierende Leben einzutauchen, mir von der tropischen Schwüle und von scharf gewürzten Speisen den Schweiß aus den Poren treiben zu lassen, Freunde zu treffen, die ich bei vorherigen Aufenthalten kennengelernt habe und bei einer Massage zu entspannen.

"Uniquely Singapore", schon bei der Fahrt durch die gerade erwachende Stadt denke ich darüber nach, was Singapur so einzigartig macht. Wir fahren am East Coast Beach vorbei, als gerade die Sonne aufgeht und kommen an der neuesen Atraktion, dem weltgrößten Riesenrad, vorbei, kreuzen den Singapore River am Esplanade Theater, einer Konzerthalle, deren Architektur an die in Asien so geschätzte Durian Frucht erinnern soll und fahren schießlich die berühmte und noch verschlafen wirkende Orchard Road herauf, an deren Ende sich unser Hotel befindet.
Sanft gleitet unser Bus voran, denn die Straßen sind in einem Zustand, der vermuten ließe, sie seien alle erst in den letzen Jahren gebaut worden. Man könnte problemlos ein Nickerchen auf der Fahrt machen, aber dazu habe ich, selbst nach dem 12 stündigen Flug, keine Lust. Statt dessen schaue ich lieber aus dem Fenster und freue mich auf die Tage, die vor mir liegen.

Die Einzigartigkeit der tropischen Insel, die genau auf dem Äquator liegt, liegt nicht in der Sauberkeit, dem guten Zustand aller Gebäude, der perfekten Infrastruktur oder den vielen, zum Teil absurd scheinenden Verboten (zum Beispiel ist die Einfuhr von Kaugummi strengstens untersagt) und den damit verbundenen Stafen (umgerechnet € 50,- kostet es eine öffentliche Toilette zu benutzen ohne zu spühlen). Einzigartig wird Singapur durch den Mix der Ethnien seiner Bevölkerung. Was in jedem anderen Land zu Spannungen und letzlich zu Separationsbestrebungen führen würde, ist hier überhaupt kein Thema. Chinesen, Malayien und Inder teilen sich das kleine Eiland und leben in Eintracht und Frieden seit Jahrzehnten mit- und nicht etwa nur nebeneinander. Schilder im öffentlichen Raum sind viersprachig in der Amtssprache Englisch, Mandarin, Bahasa Malay und Tamil geschrieben. Nie habe ich gehört, dass man sich über religiöse Bräuche oder Traditionen der Mitbürger anderer Abstammung lustig gemacht hätte.
Einträchige stehen Tempel neben Moscheen, feiern Inder ihr Deepavali Fest, Muslime mit ihrem Id das Ende des Fastenmonats Ramadan und verbrennen Chinesen auf der Straße Geistergeld für ihre Ahnen, ohne dass auch nur irgendjemand Anstoß daran nehmen würde.
Hier sollte man alle George W.s, alle Osamas, Musharafs und Olmerts, kurz alle Hardliner dieser Welt, zur Schule schicken und sie lehren, dass es nicht nur möglich, sondern eine absolute Bereicherung ist, zu integrieren statt auszugrenzen. Alle Volksgruppen bringen ihre Stärken ein und ergänzen einander: die Chinesen ihren Sinn für gute Geschäfte, die Malayen ihre Kunstfertigkeit und Inder ihren Sinn für Spiritualität und alle zusammen das Beste, was die Küchen der jeweiligen Länder zu bieten haben und schaffen damit ein Paradies für die Liebhaber asiatischer Esskultur.

Wer in Singapur gut essen möchte, kann dies überall und zu jeder Tages- und Nachtzeit tun. Bei Touristen wie Einheimischen gleichermaßen beliebt sind die sogenannten Hawkermärkte. Eine Ansammlung von Garküchen, meist unter freiem Himmel, in denen man sich unglaublich günstig, schnell und lecker alle Spezialitäten der asiatischen Küche zubereiten lassen kann - ein wahres Schlaraffenland.
Kaum mehr als 5 Singapurdollar, etwa 2,50 € kostet ein Essen in diesen Märkten, stets frisch zubereitet und, schon allein wegen der großen Konkurrenz, von überragender Qualität.
Lao Pa Sat heißt mein Favorit unter den zahlreichen Essensmärkten, eine schmiedeeiserne Konstruktion mit sternförmigem Grundriss, die früher als Markthalle diente und in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts zum Hawkercenter umgebaut wurde um die Angestellten aus dem dort mittlerweile entstandenen Geschäftsvieltel mit Essen zu versorgen.
Große Ventilatoren arbeiten unter der Decke und schaffen nicht nur ein angenehmes Klima sondern vermischen auch die Gerüche der dort zubereiteten Speisen zu einer Fusion der Kulturen, wie man sie nur hier findet. Uniquely Singapore!

Sonntag, 6. April 2008

Recuerdos de Argentina - my first book

Mein erstes Buch ist gerade veröffentlicht worden - ein Bildband meiner Reise durch Argentinien, über die ich hier ausführlich berichtet habe. Wenn ihr Lust habt klickt einfach auf den Link und schaut Euch eine Vorschau an!

Dienstag, 29. Januar 2008

Die Welt ist ein Buch

Kürzlich habe ich einen Satz gelesen, der mir gut gefallen hat: "Die Welt ist ein Buch. Wer zu Hause bleibt liest nur die erste Seite."
Einige Kapitel habe ich bereits gelesen in diesem Buch, manche auch nur überflogen. Manche waren so spannend, dass ich die größte Lust hätte, sie wieder und wieder zu lesen und manche waren in einer Sprache, die ich nicht spreche und trotzdem konnte ich sie verstehen.

Und im nächsten Jahr? Ich würde gerne durch die Wüste Namibias reisen, in der Etosha-Pfanne Großwild fotografieren oder mit einer Flußfähre den gesammten Amazonas abfahren. Wie wäre es mit einer ökologischen Erlebnisreise durch den Urwald Costa Ricas oder, auf dem Milford Track wandernd, Neuseeland kennenlernen? Ich war noch nie auf Hawaii und kenne auch die Kapverden nicht. Ich kann nicht Tauchen und wie wäre es eigentlich damit, endlich mal richtig Spanisch zu lernen?

Es gibt noch so viel zu sehen und zu erleben, so viele Kapitel, die ich noch nicht gelesen habe in dem Buch, das Welt heißt, das ein Leben einfach zu kurz dafür ist.

Während der letzten 4 Wochen gab es über 600 Zugriffe auf diese Seite. Es freut mich sehr, dass mich so viele Menschen auf meiner Reise begleitet haben, aber nicht nur für sie habe ich meine Erlebnisse aufgeschrieben. Ich habe festgestellt, dass Erinnerungen, durch die Eintragungen in meinem Blog, besser konserviert und wieder abgerufen werden können, wenn immer ich in meinen Aufzeichnungen stöbere.
In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal!

Montag, 28. Januar 2008

Soundtrack

Zu einer guten Reise gehört gute Musik und mindestens ein gutes Buch. Der Soundtrack meiner Reise war die CD Premonición von David Bisbal, die ich in Salta in einem Plattenladen gefunden habe und die mich seit dem an jedem Tag begleitet hat.
Zeit dafür mein Lieblingslied, "Amar es lo que quiero", mit meinen Lesern zu teilen.
Beim Hören müßt ihr Euch die Wüstenlandschaften, rotglühende Sonnenuntergänge in den Anden oder das Erwachen des Tages in Valparaiso halt vorstellen oder ihr schaut Euch meine Fotos an.

Pizza und Musik

Impressions from Valparaiso
Trompetenmusik weckt mich. Irgendjemand in der Nachbarschaft ist Musiker und übt jeden Morgen.
Alberto, der Besitzer unseres Hotels, hat sich noch einen anderen Rundgang für mich überlegt. Auf die andere Seite der Stadt, auf einen anderen Hügel, mit anderen Ausblicken und anderen Besonderheiten, hinüber zur alten Markthalle, dem Mercado Central, vom berühmten Gustave Eiffel erbaut. Er nennt mir die Namen verschiedener Restaurants und auch die Gerichte, die ich dort bestellen soll. Auf dem Rückweg solle ich dann noch eine Hafenrundfahrt machen, das sei lustig, jedoch solle ich auf keinen Fall mehr als 1000 Pesos bezahlen, manche würden nämlich bis zu 5000 Pesos verlangen. Wieder ermahnt er mich vorsichtig zu sein, Taschendiebe und andere Gefahren lauern überall.
Man sollte Warnungen von Einheimischen grundsätzlich ernst nehmen, aber hier habe ich den Eindruck, Chilenen pflegen geardezu das Image, ein Volk von Taschendieben und Betrügern zu sein. Auf einem Spaziergang wurde ich von Einheimischen angesprochen, ich solle nicht weiter den Hügel hinaufgehen, denn da würde es gefährlich. Mitbewohner meines Hotels haben ähnliche Erfahrungen gemacht: Auf einem Spaziergang durch die Hügel der Stadt, stieg eine Frau aus einem vorbeifahrenden Bus aus, überquerte die Straße, nur um ihnen zu sagen, dass sie hier nicht weiterlaufen dürften. "Die Leute, die hier leben sind ehrlich, aber mit denen da oben sollte man den Kontakt vermeiden", hat sie ihnen gesagt, dann die Straße wieder überquert um auf den nächsten Bus zu warten.

Ich habe Hostels bislang gemieden, obwohl sie deutlich billiger sind als Hotels, denn ich habe mir eingebildet, dass ich auf einen gewissen Standard nicht verzichten möchte. Hier sehe ich jetzt zum ersten Mal, dass es deutlich netter ist in Herrbergen abzusteigen. Man bekommt extrem leicht Kontakt, es herrscht eine fast familiäre Athmosphäre und es gibt schlimmeres als sich das Bad mit Mitbewohnern teilen zu müssen.
Gleich am ersten Abend lerne ich ein Paar aus Virginia kennen, die hier sind um Spanisch zu lernen. Sie sind seit einem knappen halben Jahr im Land, haben in Santiago Englisch unterrichtet und in den Abendstunden, im Austausch für freie Logis, in dem Hostel gearbeitet, in dem sie wohnen. So war zum Lernen der Landesprache keine Zeit mehr und das holen sie jetzt nach.
Beim Frühstück am nächsten Tag laden sie mich ein, eine Pizzeria auszuprobieren, die sie vor einigen Tagen entdeckt haben. Da ich lange genug alleine zu Abend gegessen habe und ich Pizza liebe, nehme ich an.
Alleine reisen ist OK, man ist frei und kann tun und lassen, was man möchte. Nur ab und zu bekommt man Besuch von Herrn Einsamkeit, der sich einem dann auf die Brust setzt und mit seiner Mundharmonika einen Blues spielt. Gegen ewtas Gesellschaft habe ich nichts einzuwenden.

Die Pizza war die beste, die ich bislang in Lateinamerika gegessen habe, die Gespräche waren nett und man merkt den beiden auch an, dass sie es genießen sich mal wieder in ihrer Sprache unterhalten zu können.
Als wir auf dem Rückweg sind dringt Musik zu uns herüber. Everett schlägt vor mal nachzuschauen, woher sie kommt und so machen wir uns auf den Weg von unserem Hügel herunter in die Unterstadt.
Schließlich finden wir die Bar in der eine Band spielt und wir beschließen noch einen Absacker zu nehmen. Die Bar ist kaum größer als mein Wohnzimmer und die Bühne befindet sich auf einem extra eingezogenen Zwischengeschoss, also zum Teil über den Köpfen der Gäste.
Die Band spielt noch 2 Lieder und verabschiedet sich dann, jedoch nur um neuen Musikern platz zu machen. So geht es bis um 3 Uhr morgens, als wir, mehrere Pisco später, beschließen nach Hause zu gehen.

Die Straße nach Santiago de Chile geht vorbei an Weinbergen und Feldern und an sehr trockener Landschaft. Vor kurzem hat es hier gebrannt, wie man an verkohlten Baumleichen sehen kann.

Der Stadt Santiago fehlt das Schicke von Buenos Aires und das Außergewöhnliche Valparaisos. Wenig von der alten Substanz ist erhalten geblieben. Immerhin ist die Kathedrale auf der Plaza de las Armas beeindruckend und auch der Palast des Päsidenten. Hier wurde Salvador Allende zum Selbstmord gezwungen und von hieraus kommandierte General Pinochet sein Terrorregime. Weit hatte er es nicht auf seinem Weg zur Macht. Das Gebäude der Fuerzas Armadas, der Streitkräfte, liegt schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite.

Auffallend sind die Straßenhunde Santiagos. Zu Abertausenden bevölkern sie die Stadt zum Teil jagen sie in Rudeln bis zu 20 Individuen, alles was sie bekommen können. Zu Menschen sind sie freundlich und laut eines Taxifahrers haben sie sogar gelernt, Verkehrsregeln zu befolgen. So warten sie zum Beispiel an roten Ampeln, bis es grün wird, bevor sie die Straße überqueren. Streunende Katzen sind ihre bevorzugte Beute und deswegen sind sie größtenteils aus dem Stadtbild verschwunden.

Freitag, 25. Januar 2008

Perle am Pazifik

Colours of Valparaiso
Valparaiso, allein der Name weckt Fernweh. Er hat etwas geheimnisvolles an sich. Verspricht er nicht das Paradies?
Und im wirklichen Leben? Oft wird man enttäuscht, wenn man mit großen Erwartungen reist. Nicht hier!
Die Stadt, die von den Chilenen auch die "Perle am Pazifik" genannt wird, ähnelt auf den ersten Blick Lissabon, mit seinen betagten Zahnradbahnen, den engen Sträßchen in der Altstadt und den vielen Aussichtspunkten, die immer wieder phantastische Blicke auf den Ozean bieten.

Auf Hügeln gebaut, verbinden über 120 Jahre alte Aufzüge die Unter- mit der Oberstadt, es mögen an die zwanzig sein. Nicht Aufzüge im herkömmlichen Sinn, sondern eher Bahnen, die mit Stahlseilen die Hügel hinaufgezogen werden, wobei ein keilförmiger Unterbau aus Stahlträgern dafür sorgt, dass die Kabine, nicht mehr als eine kleine Holzkiste, stets waagrecht bleibt.
Valparaiso ist Weltkulturerbe der Menschheit! In der Altstadt stehen noch tausende der wellblechtverkleideten, in vielen verschiedenen Pastelltönen getrichenen Häusern, von denen auch eins mein Hotel beherbergt. Wie man im Inneren sehen kann, sind es Konstruktionen aus Stahlträgern, deren Zwischenräume zum Teil mit Stahlplatten, zum Teil mit Holz verkleidet, die Innenräume aufteilen. Viele von ihnen haben auf den Dächern kleine Terrassen oder Glaskonstruktionen, einem Wintergarten ähnlich. Die große, nach Süden gewante Fensterflächen sorgen für ausreichend Tageslicht im Inneren.
Der Hanglage der Stadt wegen, haben die allermeisten Gebäude unglaublich schöne Ausblicke auf den Ozean und den Hafen.

Ich liebe Städte, die ihr Gesicht gewahrt haben, die sich geweigert habe Altes und Taditionelles gegen vermeindlich Schickes, Neues auszutauschen, die sich und ihrer Vergangenheit treu geblieben sind, in denen sich auch alte Menschen nicht verloren und deplaziert vorkommen. Trotzdem sperrt man sich nicht dem Modernen. Ein Spagat, der nicht einfach, hier aber einfach gut gelungen ist.

Als ich gestern, nach einer durchwachten Nacht, endlich in ein Bett fiel, schlief ich sofort ein und wachte erst am frühen Nachmittag auf. Nachtflugfeeling!
Ich stand auf und wollte mich auf einen Stadtrundgang aufmachen, als mich der Eigentümer meiner kleinen Herberge abpasste und mir anbot mir auf einem Plan einen Spaziergang aufzuzeichnen, auf dem ich alle Sehenswürdigkeiten des Stadtteils, alle Ausblicke und die besten Restaurants kennenlernen könnte.
Obwohl er gerade mit Umbauarbeiten beschäftigt und auf dem Weg war neues Baumaterial zu kaufen, nahm er sich die Zeit mir zu erklären, wie ich zu laufen hätte und wie ich mich am besten vor Taschendieben und Straßenkriminalität schützen könnte.
Mein Rundgang führt über kleine Gässchen, aus denen plötzlich große Avenuen werden, über Treppen, mal rauf, mal runter, sogar einige Male durch Gebäude hindurch auf terrassenartige Ausblicke, den Miradores. Diese Stadt ist wirklich etwas Besonderes.

Als ich am Abend zurückkam, war er gerade damit beschäftigt, einem amerikanischen Paar eine Stunde Spanischunterricht zu erteilen. Richtig, an der Eingangstür war mir ein Schild aufgefallen, auf dem er damit wirbt, der einzige Ort in Chile zu sein, der kostenlosen Sprachunterricht anbietet. Ich fühle mich hier wohl und habe, einmal mehr, Glück bei der Auswahl meiner Unterkunft gehabt.
Street art
Auf meinem Rundgang fällt mir auf, dass einheimische Künstler ihre Werke auf die Wände vieler Gebäude gemalt oder gesprüht haben. Ob das immer mit dem Einverständnis der Eigentümer passiert ist, weiß ich nicht, was man dort sieht ist jedoch keine Schmierei, sonder Kunst. Man hat sie auf jeden Fall gewähren lassen und ihre Werke nicht übermalt: eine Kunstaustellung im Freien. Ich bleibe immer wieder stehen um mir die Bilder anzuschauen und einige von ihnen zu fotografieren. Als ich gerade wieder eines mit meiner Kamera festhalten möchte, spricht mich ein alter Mann an. Er fragt ob ich das schön finde und ich bejahe. Ich erwarte nun eine Schimpfkanonade gegen die "Schmierfinken", aber er überrascht mich indem er mir zustimmt. "Das ist wirklich hübsch", sagt er nur und geht seiner Wege.

Donnerstag, 24. Januar 2008

Valparaiso

Ein weißer Stern auf blauem Grund und daneben ein roter und ein weißer Streifen. Wie eine Miniausabe der "Stars and Stripes" sieht sie aus, die chilenische Flagge, die mich hier, an der Grenzstation Liberadores, begrüßt.
Da die Grenze zwischen Argentinien und Chile entlang eines Bergrückens läuft, liegt auch die Grenzstation weit oben in den Anden.

Ich habe gleich 3 Fehler gemacht, als ich die Buspassage gekauft habe. Ich habe mich für den Bus um 22:45 Uhr entschieden, denn ich war der Meinung so noch einen Tag in Mendoza zu gewinnen und mir auch noch eine Nacht in einem Hotel zu sparen. Was ich nicht bedacht habe war, dass wir uns nicht in Europa befinden und es hier Grenzkontrollen gibt und zwar ziemich genau auf der Hälfte der Strecke, also mitten in der Nacht.
Der zweite Fehler war, den Zeitunterschied zwischen Argentinien und Chile nicht zu bedenken, so dass der Bus nicht, wie ich dachte um 06:00 Uhr sondern um 04:55 in Valparaiso ankommt, eine Tageszeit zu der es schwierig ist sowohl ein Taxi, als auch ein Hotel zu finden.
Fehler Nummer drei war, eine Exkursion für den Abreisetag zu buchen, die stark wetterabhängig ist. Ich wollte nocheinmal mit einem Gleitschirm vom Cerro Arco ins Tal schweben. Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich schon einmal den selben Flug gemacht und er war eines der Highlights meiner Reise des vergangenen Jahres. Als ich am Morgen aus dem Fenster blicke ist es stark bewölkt, es regnet und ist sehr windig. Es regnet hier durchschnittlich nur an 30 Tagen im Jahr, ich kann es kaum glauben. Um 09:00 kommt der Anruf, dass der Flug nicht stattfinden wird und man bittet mich mir mein Geld wieder auszahlen zu lassen. So habe ich einen ganzen Tag zur freien Verfügung und weiß nicht so recht etwas damit anzufangen.
Ich beschließe mich mit meinem Computer in das Café Havana zu setzen und ein bisschen im Internet zu surfen, später ins Kino zu gehen und mich nochmal vor der Abfahrt richtig satt zu essen.

Ich bin froh, als ich in der Nacht den Bus besteigen kann. Einen Gangplatz hatte ich schon beim Kauf des Tickets reservieren lassen und ich bin einer der ersten Gäste, die auf ihrem Platz sitzen.
Eine Familie steigt nach mir ein, Großmutter, Tochter und Enkelin, alle drei so beleibt, dass sie nur noch seitlich durch den Gang passen und lassen sich schräg hinter mir nieder. Der Bus füllt sich langsam und zum Schluß steigt ein Paar ein, die keine zusammenhängenden Sitzplätze mehr bekommen haben. Ich ahne, dass ich gleich gebeten werde zu tauschen, habe aber überhaupt keine Lust am Fenster zu sitzten und stelle mich deswegen schlafend.
Meine List funktioniert nicht und so sitzte ich kurz darauf am Fenster. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste war, dass die Großmutter der fetten Familie den Sitzplatz neben mir hat.
Sie stand die ganze Zeit über neben ihrer Tochter und Enkelin und setzte sich erst hin, als der Bus sich in Bewegung setzt. Der Sitz gibt eine knarrendes Geräusch von sich, als sie sich fallen lässt und augenblicklich quellen ihre Körpermassen zu mir herüber, so dass sie etwa ein drittel meines Platzes mit in Beschlag nimmt. Mir fällt das alte Kinderlied von der Dickmadame ein: "Eine kleine Dickmadame fuhr mal auf der Eisenbahn - Eisenbahn die krachte, Dickmadame die lachte".
Meine Dickmadame lacht nicht nur gerne sondern hat auch noch das ein oder andere mit ihrer Tochter hinter sich zu besprechen. Da sie sich, auf Grund ihres Umfangs, nicht mehr umdrehen kann, muss sie halt etwas lauter sprechen, damit man sie auf den hinteren Plätzen auch versteht.
Die Straße ist übersäht mit Schlaglöchern, zum Teil so tief, dass man regelrecht aus seinem Sitz katapultiert wird und so ist schon allein deswegen an Schlaf nicht zu denken. Zumindest nicht für mich, Dickmadame hat ihre Unterhaltung nun eingestellt und ist eingeschlafen, was ihr Schnarchen, oder eher ein kehliges Röcheln, verlautbaren lässt.

Fast bin ich froh, als wir in die Grenzstation einfahren, denn sie verspricht eine Pause vom Eingesperrtsein zwischen der Bordwand des Busses und einem schwitzigen, klebrigen Körper. Eigentlich habe ich ja gar nichts gegen schwitzige, klebrige Körper, solange ich sie mir selber aussuchen kann.
Draußen ist es kühl und windig. Die Grenzstation hat Ähnlichkeit mit den Grenzübergängen der ehemaligen DDR. Schmuddlige Baracken, unfreundliche Beamte und Toiletten, vor denen sich selbst Bakterien ekeln. Grelles Neonlicht taucht die Gesichter der Wartenden in ungesundes Grün. Alle müssen sich in einer Schlange aufstellen und werden von Uniformierten angeherrscht die Papiere und den Pass bereit zu halten, die nun der Reihe nach eingesammelt werden. Hat einer der Reisenden einen Fehler gemacht, wird er ans Ende der Schlage geschickt um seine Papiere zu vervollständigen. Währenddessen werden unsere Koffer gescannt und stichprobenmäßig werden einige Passagiere, darunter auch ich, aufgefordert ihre Koffer zu öffen.
Etwa eine Stunde dauert die Prozedur, bis wir unsere Fahrt vortsetzten können.

Die Nacht ist sternklar und da ich eh nicht schlafen kann, betrachte ich die Mondlandschaft, durch die wir jetzt in Serpentinen schaukeln. Schade, dass ich das nicht bei Tageslicht betrachten kann.
IMG_9670
Gegen 4:30 Uhr erreichen wir die Stadt Vina del Mar, ein Seebad, nur 7 Kilometer von Valparaiso entfernt. Die meisten der Gäste steigen hier aus. Als wir Valparaiso erreichen zeigt meine Uhr 5:55. Die Stadt ist wie ausgestorben und ich wundere mich wann das Leben hier denn erwacht. Bis ich auf die Uhr im Busbahnhof schaue und mir mein Irrtum auffällt.
Ich suche ein Taxi und lasse mich zum einzigen Hostel fahren, dass ich hier kenne. Von Mendoza aus habe ich übers Internet eine Reservierung gemacht, jedoch keine Antwort erhalten.
Nach einer zehn minütigen Fahrt setzt mich der Fahrer am Hostel, auf einem Hügel der Altstadt ab. Das Hostel, ein bunt bemalter, wellblechtverkleideter Altbau, sieht genau so ausgestorben aus, wie die ganze Stadt. Ich läute an der Tür, aber niemand öffnet.
Coulors of Valparaiso
Es ist wirklich noch früh und ich will nicht sturmläuten, also beschließe ich eine Stunde zu warten, bis ich den nächsten Versuch wage. Also beobachte ich, wie der Tag erwacht, wie sich das Sonnenlicht langsam durch den Nebel frißt und diesen auflöst. Ein paar Möven überfliegen mich schreiend und vom Hafen trägt eine leichte Briese den Geruch des Pazifiks zu mir. Gesellschaft leisten mir nur ein paar streunende Katzen, wie sich neugierig nähern, als ich meinen Koffer öffne um meine Regenjacke gegen eine warme Jacke zu tauschen.
Ich versuche die Katzen anzulocken um mit ihnen zu spielen, aber sie sind zu scheu um sich auf mehr als zwei Armlängen zu nähern. Wenn ich nicht so müde wäre, wäre das hier eine schöne Stimmung.
Um 6:30 klingele ich erneut und diesmal wird mir aufgemacht. Der verschlafenen Eigentümer hat meine Reservierung nicht erhalten, hat auch keine Zimmer mehr, bietet mir aber an eine Liege aufzustellen, damit ich mich erstmal ausschalfen kann. Ich lehne ab und versuche erstmal anderweitig Quartier zu finden.
Im nächsten Hotel hat man noch Zimmer und die sind wirklich atemberaubend schön, aber mit 140 US$ einfach zu teuer, als dass ich sie mir leisten möchte.
Fündig werde ich schließlich in einem Hostel in der Nähe, dessen Eigentümer ich ebenfalls aus dem Schlaf klingeln muss.
Er zeigt mir nur kurz mein Zimmer und geht dann wieder schlafen. Die Formalitäten haben Zeit, sagt er noch als er die Tür seines Schlafzimmers wieder hinter sich zuzieht.

Mittwoch, 23. Januar 2008

Durch die Wüste

Die Sonne läßt Wolkenschatten über die kahlen Berge tanzen. Über Nacht hat es ein wenig geregnet und die Luft ist noch frisch und kühl.
An den Rhythmus der schwankenden Bewegung muss man sich erst ein wenig gewöhnen, schließlich habe ich seit mehr als zehn Jahren nicht mehr auf dem Rücken eines Pferdes gesessen, aber mit dem Reiten ist es wie mit allem anderen, was man einmal gelernt hat: die Erinnerung daran kommt schnell zurück.
Horseriding
Beim letzten Mal bin ich, mit einigen Kollegen aus meiner Crew, in der Hochkordiliere der kolumbianischen Anden geritten. Es ging über nasse, felsige Pfade an steilen Abhängen entlang und mehr als einmal war mein Pferd damals ausgerutsch und dabei dem Abgrund näher gekommen, als mir lieb war.

Diesmal verspricht die Tour weniger spektakulär zu werden. Nur am Fuß der Präkordiliere werden wir uns bewegen, auf dem sandigen Boden der Wüste, die sich um Mendoza erstreckt.
Die Gruppe des heutigen Ausritts lernt sich erst an den Stallungen kennen. Cynthia, eine 42-jährige Amerikanerin aus Florida, bricht zuerst das Eis und spricht mich, mit der unbekümmerten Art, die ich an Amerikanern so schätze, an. Ich beteilige mich am Warm-up und frage ob alle anderen Argentinier sind.
Die Gruppe ist, wie oft bei diesen Ausflügen, sehr international. Aus Australien, den USA, Holland, Deutschland und natürlich Argentinien sind die Teilnehmer. Und erst als ich frage fällt mir auf, dass alle außer mir weiblich sind. Klar, Pferde und Frauen, das gehört natürlich zusammen, warum bin ich nicht eher auf die Idee gekommen, Touren auf vier Hufen zu buchen? Hier bin ich der Hahn im Korb, freue ich mich bereits. Die Freude darüber dauert jedoch nur so lange, bis sich unsere Führer bei uns vorstellen. Nicht nur sind sie etwa 15 Jahre jünger als ich, sondern sehen auch noch so aus, als ob sie einer Werbung für Polo Bekleidung entstiegen sind.

Unsere Pferde werden uns nach Vorkenntnissen und Körpergröße zugeteilt. Bei einem kurzen Briefing wird uns erklärt, wie man ein Pferd steuert und wie man sich bei starken An- und Abstiegen zu verhalten hat. Bei Anstiegen soll man den Oberkörper nach vorne beugen und die Beine abgewinkelt nach hinten strecken. Abstiege meistert man am besten, indem man sich in die Steigbügel stellt und versucht den Obekörper immer im 90° Winkel zum Horizont zu halten.

Nach wenigen Minuten im Sattel stelle ich fest, dass die Entscheidung für den heutigen Tag lange Hosen anzuziehen, goldrichtig war. Alle Pflanzen der spärlichen Vegetation sind dornenbewährt, um sich vor den zahlreiche Fressfeinden zu schützen, und Pferde können nur ihre eingenen Körpermasse abschätzen, nicht jedoch die, des Reiters, der auf ihrem Rücken sitzt. Mehrmals bin ich mit den Beinen in Gestrüpp mit, zum Teil mehrern Zentimeter langen, Dornen geraten, was schon mit langen Hosen nicht angenehm war.

Ich erinnere mich an einen geplanten Ausritt in Brasilien, als ich dort meinen Freund Ralf und seine Frau Jane besuchte. Der Ausflug fand ein schnelles Ende, weil das Pferd, das meinen Freund trug, unter einem Baum durchlief, der zwar ausreichend Höhe für seinen Körper, nicht jedoch für den seines Reiters, bot.
Ralf endete erst an einem Ast und danach, ein paar Meter tiefer, auf dem Boden. Er schwor, niemals wieder ein Pferd zu besteigen. Ich habe noch ein Foto zu Hause, das die beiden unmittelbar vor dem Unfall zeigt.

So harmlos, wie sich unser heutiger Ausritt ankündigte ist er dann doch nicht. Es gibt einige, zwar kurze, jedoch sehr steile An- und Abstiege und man ist als Reiter gefragt sich permanent zu konzentrieren.
Die Stute, die mir zugeteilt wurde, ist zudem heute schlecht gelaunt und liegt mit einigen anderen Pferden im Streit, die sie deswegen nicht hinter sich duldet. Sie verschafft sich genügend Abstand zu den anderen, indem sie sich auf ihre Vorderläufe stellt und mit beiden Hinterläufen ausschläg, während ich auf ihr sitze. Nach einigen Malen kann ich aber ihre Körpersprache deuten und weiss bereits, was sie vorhat und kann so gegenlenken.
Als ich einen der Führer deswegen frage, sagt er nur: hysterisch, ist eine Frau!

Etwa nach einer halben Stunde und den ersten steilen Anstiegen wird eine kleine Pause eingelegt, um den Sitz der Sättel zu prüfen und gegebenenfalls das Gurtzeug nachzuziehen.
Danach gönnt man uns und den Pferden keine Pause mehr und das für gute vier Stunden. Trotzdem heute ein paar Wolken den Himmel sprenkeln ist es heiß und anstrengend für Pferd und Reiter.

Als wir kurz vor den Stallungen sind kann ich gebratenes Fleisch riechen. Einer der Führer ist bereits vorzeitig zurückgeritten um vorzubereiten, was für Argentinier zu einem gelungenen Tag dazugehört: ein Grillfest.
An einer langen Tafel im Freien wurde bereits für uns eingedeckt, es stehen zwei große Krüge mit Wein und Brotkörbe darauf, und das Fleisch ist auch fast fertig.
Puppy
Während unsere Führer sich um die Pferde kümmern, haben wir Zeit mit den vielen Hunden zu spielen, die hier leben. Ein winziger junger Schäferhund, erst wenige Wochen alt, ist der Liebling aller und wird während des Essens von meiner Tischnachbarin derart vollgestopft, dass er sich direkt neben ihr auf ihrer Tasche zusammenrollt und in einen Tiefschlaf fällt.

Montag, 21. Januar 2008

Eine Heilige?

Photos
Ich bin nicht religiös, bin es nie gewesen und wenn ich es je war, dann haben es mir meine Lehrerinnen, in meinen ersten Schuljahren, in einer konfessionellen Schule, gründlich ausgetrieben.
Dennoch habe ich mich heute auf eine Wallfahrt begeben, aber nicht aus religiöser Überzeugung, sondern vielmehr, weil ich die Verehrung einer Heiligen kennenlernen möchte, die weltweit wohl ihresgleichen sucht.

Es war das Jahr 1840 und es herrschte Bürgerkrieg. Eine junge Frau, Deolinda Correa, folgt dem Bataillon ihres Mannes zu Fuß mit ihrem kleinen Sohn auf dem Arm und nur wenigen Vorräten an Wasser. Über den Grund für ihrer gefährlichen Reise kann nur spekuliert werden: vielleicht war die Sehnsucht zu groß, vielleicht musste sie auch einfach nur vor dem Feind flüchten. Die Gegend, die sie durchqueren muss ist heiß und trocken, sehr heiß und sehr trocken. Es gibt keinen Schatten und wenig, woran man sich orientieren kann. Sie muss wohl die Orientierung verloren haben, ihre Vorräte gingen zu neige und sie starb an Hunger, Durst und Schwäche.
Vorbeiziehende Viehtreiber fanden sie Tage später und stellten zu ihrer Überraschung fest, dass der Säugling am Leben war und an der Brust der Toten trank. Ein Wunder! - Soweit die Legende.

Der Ort, den ich heute besucht habe, nennt sich Difunta Correa, also die erloschene Correa, und ist der Ort an dem man die tote Mutter mit ihren Kind gefunden hatte. Nicht nur hier, aber hier eben ganz besonders, manifestiert sich die Verehrung der Heiligen. Gab es bis in die 40er Jahre des letzten Jahrhunderts nur ein Holzkreuz auf einem Hügel, so ist heute ein wahrer Heiligenzirkus entstanden.

Die Difunta kann man um alles bitten: um Gesundheit oder Genesung eines lieben Angehörigen genauso wie finanziellen Erfolg, ein Haus, eine Ehe oder den Sieg in einen Schönheitswettbewerb.
Für alle möglichen Wünsche sind verschiedene Kapellen errichtet worden, siebzehn insgesamt. Als Dank für die endlich zustande gekommene Ehe spenden Bräute ihr Brautkleid, also ist eine Kapelle über und über voll mit Brautkleidern, in einer anderen danken Soldaten und Polizisten dafür, dass sie den Dienst unbeschadet überstanden haben, indem sie ihre Uniformen opfern. Ein wildes Sammelsurium an Gaben der verschiedensten Art beherbergen die Kapellen: eine kleinen ausgestopften Hund, wohl aus Dankbarkeit für die gemeinsam verbrachten Jahre, eine Beinprothese, Spielzeug, goldene Schallplatten lokaler Künstler, aus Dankbarkeit für den Erfolg, Universitätsdiplome, Motorräder und selbst Autos. In einer Kapelle finde ich einen gut erhaltenen Ford Modell A, Baujahr 1929. Die Kappellen sind von innen und außen mit Tafeln gepflastert, die Familien gestiftet und dort angebracht haben.
Ford Modell A
Das wichtigste Opfer jedoch ist Wasser. Mehrere hundert Wasserflaschen werden an einem Tag vor die Kapellen gestellt. So viele, dass mehrmals am Tag neuer Platz geschaffen werden muss, indem die alten Flaschen ausgeschüttet und weggeworfen werden. Difunta Correa soll niemals wieder Durst leiden.

Ein wirklich skurriler Ort, aber die Verehrung ist echt!

Ich habe alte Männer gesehen die in der Gluthitze (45°C) auf Knien die Stufen bis zur höchsten Kappelle hinaufgekrochen sind, Familien, die ihre Neugeborenen mitgebracht haben um sie der Difunta zu zeigen und Gläubige, die voller Ehrfurcht eine der Statuen, die die tote Mutter mit ihrem Kind darstellen, berührt haben und gerührt waren.

Am Fuß des Heiligtums hat sich natürlich der übliche Handel niedergelassen. Man kann kleine Statuen für zu Hause kaufen, alle möglichen Dinge um sie zu opfern, religiösen Kitsch, Getränke und Süßigkeiten.

Nun hat das ganze aber einen kleinen Schönheitsfehler, denn die katholische Kirche weigert sich standhaft die Difunta Correa heilig zu sprechen. Sicherlich gibt es ein kompliziertes Regelwerk für Heiligsprechungen, dessen Kriterien die Difunta eben nicht vollständig entsprechen kann. Vielleicht muss einem Wunder immer eine Marienerscheinung vorausgehen, oder sich die Motive der Heiligzusprechenden in tiefer Religiosität begründen. Ich weiß es nicht!

Was jedoch ein wahrer Argentinier ist, erkennt ein Wunder, wenn er eines vor sich hat. Und hier besteht daran wohl kein Zweifel. Da kann ich nur zustimmen!

Samstag, 19. Januar 2008

Polizeikontrolle

Die Fahrt von Salta nach San Juan soll laut Fahrplan 16:56 Stunden dauern. Abfahrt ist um 21:00 Uhr abends und Ankunft am nächsten Tag um 13:56 Uhr. Ich würde mich jedoch schon wundern, wenn der Bus pünktlich um 21:00 losfahren würde. Tut er nicht, er verlässt den Busbahnhof mit 15 Minuten Verspätung. Was kümmert's mich, ich habe keine Eile und meine Mitreisenden offensichtlich auch nicht.
Der Bordsteward kündigt an, dass wir nach etwa einer Stunde Fahrzeit nochmal umsteigen müssen. Warum sagt er nicht und es fragt auch niemand - das ist halt so.
Nach einer viertel Stunde werden wir von einem kleinen, roten Fiat überholt und zum Halten gebracht. Eine junge Frau steigt aus, die offensichtlich den Bus verpasst hat und nun mit einem Freund die Verfolgung aufgenommen hat, um ihre Reise doch noch antreten zu können.
Weitere 45 Minuten später kommt dann der angekündigte Halt an einer Tankstelle mitten im Nichts. Es ist stürmisch geworden und die Böen blasen Sand in die Augen der Wartenden. Kleine Kinder quängeln, denn sie sind aus dem Schlaf gerissen worden und haben keine Lust zu warten. Da der Bus, der uns aufnehmen soll nocht nicht angekommen ist, bleibe ich lieber noch auf meinem Platz und schaue in die Nacht.
Der neue Bus begrüßt uns beim Einfahren in die Tankstelle mit Lichthupe, parkt neben unserem und die Angestellten beginnen das Gepäck umzulanden.
Nach kurzer Zeit können wir unsere Reise dann fortsetzen. Es wird ein warmes Abendessen serviert und ein Film gezeigt.
Ich stelle meine Rückenlehne soweit nach hinten, wie es geht und schlafe ein.

Es muss gegen 7 Uhr morgens sein, als ich von einer lauten Stimme geweckt werde. Alle Reisenden werden aufgefordert, mit ihren Papieren in der Hand, den Bus zu verlassen, ihr gesamtes Gepäck in Empfang zu nehmen und vorzuführen. Polizeikontrolle.
Wir befinden uns am Fuße der Anden, an einer der zahlreichen Polizeistationen die, weitab der nächsten Ortschaft, die Landstraßen säumen.
Alle Reisenden müssen sich nun, mit ihrem Gepäck, in einer Schlange vor einem Tisch im Freien aufstellen, ihre Papiere vorzeigen und die Koffer öffnen.
Als ich an der Reihe bin und dem, im grünen Kampfanzug gekleideten, Beamten meinen Pass aushändige, wirft er zunächst einen Blick auf meine Papiere und dann auf mich. Wo ich denn herkomme, möchte er wissen, denn einen deutschen Pass sieht er wohl nicht allzu oft.
"Aus Deutschland", sage ich. Er vergleicht das Foto in meinem Pass mit meinem verschlafenen Gesicht, mit mürrischem Blick. "So, aus Deutschland", sagt er und ich überlege, ob es hier eher gut oder schlecht ist aus Deutschland zu kommen. Ich entscheide mich für gut.
Beim Durchsuchen meines Gepäcks fällt ihm ein kleiner, durchsichtiger Plastikbeutel auf in dem ich ein Paar Medikamente verwahre. Was das ist, möchte er von mir wissen und ich versuche zu beschreiben, wofür Allopurinol und Immodium sind.

Bei keinem der Reisenden wurde irgendetwas Verdächtiges gefunden und so könne wir unsere Reise nach etwa einer Stunde fortsetzten.
Neben mir sitzt ein junger Mann, den ich frage, was die Polizei bei solchen Kontrollen denn genau suchen würde. "Alles mögliche", gibt er mir zur Antwort. "Drogen, vor allem bei Ausländern, gestohlene Autos, denn wir befinden uns während der ganzen Fahrt in unmittelbarer Nähe zur chilenischen Grenze, Menschenschmuggler, deren Opfer insbesondere Frauen und Kindern sind, sowie Organe zur Transplantation." Die Frauen für die Bordelle, die Kinder, oftmals in Bolivien geraubt und über die grüne Grenze ins Land gebracht, für den Adoptions- oder Organhandel, erklärt er mir weiter.

In San Juan kommen wir mit zweistündiger Verspätung an und der Tag hält sich an die 42°C, die der Wetterbericht für heute vorausgesagt hat. Ich mache einen kleinen Rundgang durch die ausgestorbene Stadt. Die Hitze ist wie in einem Backofen, weswegen die Einheimischen sich eine ausgedehnte Siesta von 13 bis 18 Uhr gönnen.
Ich möchte unbedingt noch zwei Exkursionen buchen, aber damit werde ich wohl bis zum Ende der Siesta warten müssen.

Donnerstag, 17. Januar 2008

Sind Sie Brasilianer?

Über alles mögliche habe ich im meinem Blog bisher geschrieben: über abenteuerliche Fahrten durch wilde Landschaften, über Erkundungen in den großen Städten, über meine Befindlichkeiten, über das Besondere und das Gewöhnliche. Nur eines habe ich bislang ausgelassen und das ist mindestens genauso atraktiv, wie alle Naturschönheiten, von denen Argentinien jede Menge zu bieten hat: das argentinische Volk.

Manchmal werde ich auf Flügen nach Brasilien, auf Grund meiner erklecklichen Portugiesischkenntnisse gefragt, ob ich Brasilianer bin und manchmal antworte ich scherzhaft, dass ich ein Brasilianer bin, der in den Körper eines Deutschen geboren wurde, sozusagen ein Transnationaler. Ich ernte dafür immer ein Lachen und Anerkennung.
Aber das ist natürlich nicht so. Zwar fühle ich mich hier mehr zuhause als in anderen Erdteilen, habe eine Affinität zu Südamerika, aber trotzdem ich bin Deutscher, von außen und von innen. Damit bin ich ganz zufrieden und doch wünsche ich mir manchmal ich hätte ein bisschen mehr von der Lebenseinstellung, die die Menschen hier in Südamerika eint. Ich wäre gerne etwas lockerer, nicht ganz so schnell genervt, offener und freundlicher.

Auf jeder Exkursion kehrt man mittags in einer Wirtschaft ein, um eine Mittagspause einzulegen. Mindestens zwei Stunden werden dafür immer vorgesehen - Siesta!
Auf einer dieser Exkursionen saß die ganze Gruppe am Tisch zusammen und aß zu Mittag, wobei alle immer darauf bedacht waren mich am Gespräch zu beteiligen, mir Scherze immer und immer wieder zu erklären, bis auch ich sie endlich verstanden habe.
Das Desert hatte ich bewußt ausgelassen, weil ich mir schon während der ganzen Reise jeden Tag mehr Kalorien zuführe, als ich verbrennen kann. Als meine Mitreisenden bemerkten, dass der Platz vor mir leer geblieben war, boten sie mir von ihrem Nachtisch an, wobei jeder seinen als ganz besondere Spezialität der Region anpries, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen dürfte. Zum Schluß hatte ich einen Teller vor mir zu stehen, auf dem etwa die dreifache Menge an Süßigkeiten lag, als auf den Tellern aller Anderer am Tisch.

Ein anderes Mal, freute sich mein Sitznachbar so sehr über irgendwelche Gesichter, die er in Felsenformationen gefunden hat, dass er noch Minuten lang vor sich hinkicherte.

In der U-Bahn in Buenos Aires beobachtete ich eine Mutter mit ihrer etwa 16 jährigen Tochter, offensichtlich aus der Provinz, denn die Mutter stand einigermaßen ahnungslos vor dem Plan mit dem Bahnnetz um konnte sich nicht zurechtfinden. Die Tochter übernahm die Orientierung und ihre Mutter an die Hand, wobei sie ihr mit der anderen Hand übers Haar strich. Eine Geste, die ich als "Oh, Mama, langsam wirst Du alt" gedeutet habe.

Vielleicht nicht gerade die besten Beispiele, aber sie fallen mir spontan ein, weil sie mir in Erinnerung geblieben sind. Man begegnet sich (und mir) respektvoll, herzlich und ohne Argwohn.

Und wenn man mich das nächste Mal fragt, ob ich Südamerikaner bin, antworte ich: Noch nicht, aber ich gebe mir Mühe!

Bunte Berge

Salta Cathedral
Auch wenn die Höhenkrankheit sofort nachlässt, wenn man wieder in verträglich Höhen kommt, so ist man doch nicht unbedingt darauf bedacht dem Körper am nächten Tag eine ähnliche Strapatze zuzumuten.
Den geplanten Ausflug nach Cafayate habe ich also zunächt auf den nächsten Tag verschoben und mir einen Tag Ruhe gegönnt. Als gegen Abend die Hitze nachließ, bin ich dann doch noch auf einen kleinen Berg am Stadtrand gestiegen, auf den auch eine Kabinenbahn fährt, um die Aussicht von dort zu genießen.

Auf der Fahrt nach Cafayate bin ich einmal mehr der Exot. Nur Argentinier und ein Ehepaar aus Bolivien. Entsprechend neugierig werde ich nach meiner Heimat, meinem Beruf und meinem Familienstand befragt.
Gleich hinter Salta fährt man in ein Tal, dass man sich schöner nicht vorstellen kann. Alles ist grün, einfache aber hübsche, kleine Häuschen säumen den Straßenrand, mit netten Veranden und verwilderten kleinen Vorgärten. Selbst die Berge ringsherum erstrahlen im satten Grün.
Die Leute, denen man auf der Straße begegnet, machen den zufriedenen Eindruck von Menschen, die mit sich im Einklang sind. Nichts zu sehen von Supermärkten, Mc Donald's oder Industriegebieten. Kurz um, eine Idylle.

Auf der Exkursion nach Cafayate ist der Weg das Ziel, denn man kommt an den bizarrsten Felsformationen entlang, die die Natur im Stande war, im Laufe der Jahrhunderte aus den Bergen zu modellieren. Felsennadeln, -säulen, -obelisken - der Formenreichtum ist groß. Ein bisschen erinnert die Landschaft an den Bryce Canyon Nationalpark in den USA.
Aber nicht nur die Form, sondern auch die Farbe der Felsen ist spektakulär: durch verschieden Mineralien und Erze, die im Gestein eingelagert sind, nehmen die Berge, durch deren Korrosion, unterschiedliche Farben an. Es gibt bis zu 7 verschiedenen Farben in einem Felsen. Rot vom Eisen, Gelb vom Schwefel oder Grün vom Kupfer, um nur einige zu nennen. Manch ein Felsen hat die Farbe von verschimmeltem Brot.
Wenn man ein bisschen Phantasie aufbringt, kann man im Gestein Gesichter, Tiere oder Heilige erkennen. Ein ganzer Berg, sieht aus, wie die sinkende Titanic, und hat deswegen auch diesen Namen bekommen.
Coloured Mountains
Auf dem Weg wird uns ein Llama versprochen, mit dem man sich fotografieren lassen kann. Man könne es anfassen, seinen Arm um dessen Hals legen, es überall streicheln, mit einer Ausnahme: wenn man seine Ohren berührt fängt es an zu spucken und das kann unangenehm werden.
Als wir um die nächste Kurve kommen, steht dort tatsächlich ein stattliches Exemplar von einem Llama, das genüßlich an Heu kaut. Sein Besitzer ist ein alter Mann mit verwittertem Gesicht, langem weißem Haar und einem Hut, als Schutz gegen die Sonne. In seinem Gesicht kann man von einem harten, arbeitsreichen Leben in der Abgeschiedenheit dieser Wildnis lesen.
Argentinian
Jeden Tag kommt er hier raus, bietet ein paar Töpferwaren feil und läßt Touristen sein Llama fotografieren, wofür er um ein bisschen Kleingeld bittet. Doch sein Llama finde ich nur halb so interessant wie ihn. Ich stelle mich in einiger Entfernung mit meinem Teleobjektiv auf und tue so, als würde ich sein Tier fotografieren, in Wahrheit habe ich es aber auf ihn abgesehen. So gelingen mir unbemerkt ein paar Schnappschüsse, als er in der Nähe seines Llamas steht.
Artig lege ich danach einen Schein in seine Schüssel, bedanke mich und freue mich über meine Fotos.

Die Stadt Cafayate liegt in einem weiten Tal. Der Himmel hat sich mittlerweile zugezogen und es sieht nach Gewitter aus. Der Wind, der durch das Tal fegt, nimmt den sandigen Boden auf und trägt ihn in die Höhe. So ist die Landschaft nur durch einen Nebel aus Sand zu sehen.
Neben dem Tourismus ist die Haupteinnahmequelle der Stadt der Weinanbau. Zahlreiche Winzer haben sich im 18. Jahrhundert hier niedergelassen um Wein anzubauen: Sandwein.
Die Bodegas residieren in prächtigen Herrenhäusern, umgeben von ihren Reben. Die Besichtigung zweier Winzer steht auf dem Programm, inklusive einer Weinprobe.
Ich würde mich nicht unbedingt als Weinkenner bezeichen, aber die beiden Proben, die ich kosten darf, schmecken ausgezeichnet.

Bei unserer Rückfahrt fängt es nun doch an zu regnen. Am Horizont sieht man Blitze aus den Wolken zucken. In der sonst so trockenen Landschaft ist der Boden zu hart um soviel Wasser aufzunehmen und so bilden sich allerorten Sturzbäche, die die Straße unter Wasser setzen und soviel Geröll mit sich tragen, dass alle Konzentration unseres Fahrers gefragt ist.

Bei unserem letzten Stopp des Tages, möchte mein Sitznachbar noch ein paar Früchte von einem Baum am Straßenrand pflücken. Als er über den Zaun steigt bleibt er kurz stehen und winkt dann mich und seine hübsche Tochter zu sich herüber. Mitten auf der Wiese sitzt eine Kröte von der Größe eines Basketballs, braun-schwarz gefleckt, mit Warzen am Hinterleib. So schnell, wie ihr Gewicht es zulässt, versucht sie sich vor uns im Unterholz zu verstecken, doch wir folgen ihr, schieben mit einem Stock das Blattwerk zur Seite und bestaunen das gewaltige Tier.

Dienstag, 15. Januar 2008

Höhenkrank

Die Höhenkrankheit hat mich voll erwischt - und unvermittelt. Plötzlich habe ich bohrende Kopfschmerzen und mich überkommt das Gefühl mich übergeben zu müssen. Ich will einfach nur noch nach unten, ich will Sauerstoff! Statt dessen kündigt unser Führer Martín an, wir würden in einer halben Stunde zum höchsten Punkt unserer Exkursion kommen, und der liegt auf etwa 4200 Metern über dem Meeresspiegel. Ich bekomme Schweißausbrüche. Alle anderen Teilnehmer der Exkursion sind wohl auf, schwatzen und lachen. Ich will mir nicht die Blöße geben, auf meine Mitreisenden zu speien oder aus dem offenen Fenster, das nur einen Sprung weit entfernt ist.

Bei jeder Exkursion gibt es, nachdem alle Teilehmer in ihren Hotels abgeholt wurden, einen kleinen technischen Halt, "una parada technica", wie die Führer es immer nennen. Meistens findet der an einer Tankstelle statt, man hat nochmal die Gelegenheit auf die Toilette zu gehen und sich mit kleinen Snacks und Getränken zu versorgen.
Diesmal findet der Stopp an einem kleinen Kiosk statt und Martín erklärt uns, dass unsere Exkursion sehr hoch führen wird, auf exakt 4170 Meter über dem Meeresspiegel. Hier hätte man nun die Gelegenheit sich mit Kokablättern zu versorgen, die uns helfen würden uns an die große Höhe anzupassen.
Ich bin der einzige der Gruppe, der sich einen Beutel der grünen Blätter kauft. 25 Gramm für 5 Pesos, also etwa 1,10 Euro. Unscheinbar sehen sie aus, in ihren gelben Plastikbeutel, auf dem für die überragende Qualität seines Inhalts geworben wird.
Meiner Nachbarin Susan, eine Anwältin aus York in England, biete ich an, dass ich gerne mit ihr teilen würde, wenn sie möchte. Sie nimmt an.
Wieder zurück im Bus erkundige ich mich, wie es um die Legalität meiner Anschaffung steht. Polizeikontrollen gibt es überall in Argentinien reichlich und auch heute werden wir mehrmals kontrolliert. Martín erklärt mir, dass der Anbau und der Besitz von mehr als 5 Kilo verboten ist, denn dann würde man als Händler gelten. Die Gefährlichkeit des Genußes der Kokablätter erklärt er an Hand von Wein. Man könne Weintrauben essen soviel man wolle, davon bekäme man keinen Rausch. Mit Kokablättern verhält es sich genau so. Koka sei schließlich nur der Grundstoff der Droge Kokain, wenn auch die wichtigste Zutat, und um die Droge zu synthetisieren bräuchte man noch diverse Chemikalien und das Wissen um die Herstellung des Derivats.
Um nur 10 Gramm Kokains herzustellen, bräuchte man zudem 500 Kilo der Blätter, die jetzt, in einer Plasiktüte verpackt, auf meinem Schoß liegen.

Unser Ausfug führt entlang der Schienen des berühmten "Tren a las nubens", des Zugs in den Wolken, einer der vier höchsten Bahnstrecken der Welt. Gerne wäre ich mit diesem Zug gefahren, aber er operiert, der starken Regenfälle in den Sommer wegen, nur in den Wintermonaten.
Die Vegetation wechselt genauso schnell wie auf unserem gestrigen Ausflug. Bald schon haben wir den tropischen Wald hinter uns gelassen und befinden und jetzt in der semiariden Zone, in der die Vegetation hauptsächlich aus Baumkakteen und niedrigen Büschen besteht.
Road to Tasil
Unser erster Halt des heutigen Tages ist an den Ruinen von Tastil. Hier sind die Überreste einer Präincasiedlung, des Volkes Tastil, zu besichtigen, entdeckt erst 1905 von einer schwedischen Expediton. Um die 2500 Gebäude standen hier einst, an einem Berghang, mitten im Nichts der trockenen Landschaft. Der Boden ist bedeckt mit Scherben von Töpferwaren der einstigen Siedler. Man muss sich nur Bücken um sie aufzuheben. Ein Schild am Eingang ermahnt dazu, dass Ausgrabungen hier strengstens verboten sind. Das gilt natürlich auch für die Mitnahme von Fundstücken.
Am Fuß der archäologischen Stätte betreibt eine freundliche Indiofrau stolz ein kleines Museum. Es beherbergt eine Mumie, ein paar gut erhaltene Töpferwaren und Artefakte aus Metall. Als ich mich schon zu Gehen wenden möchte hält sie mich auf um mir noch eine Besonderheit zu zeigen. Auf dem Boden liegen sieben große unscheinbare Felsbrocken. Sie fängt an mit kleineren Steinen darauf zu schlagen und erzeugt so Klänge wie die von Glocken. Da ich aus Deuschland komme spielt sie für mich Beethovens "Für Elise". Die Steine sind hohl und klingen deswegen so schön, erklärt sie mir.

Je Höher wir steigen, desto spärlicher wird der Bewuchs mit Baumkakteen. Sie wachsen bis in eine Höhe von 3200 Metern und die haben wir jetzt überschritten. Baumkakteen sind die einzigen ihrer Art, die in ihrem Inneren ein Holzskelet haben und so ihr eigenes Gewicht und den starken Winden im Hochland stand halten können. Dieses Holz wird, in Ermangelung anderen Baumaterials, in dieser Gegend zum Bau von Fenster- und Türrahmen verwendet.

Unsere Mittagspause ist in dem einzigen größeren Ort des Hochplateaus auf dem wir uns jetzt befinden, in San Antonio de los Cobres, geplant. Bevor wir ankommen werden wir gebeten, den Kindern weder Geld noch Süßigkeiten zu geben. Seit Touristen ihren Ort jeden Tag besuchen, steht es mit der Zahngesundheit der Kinder und Jugendlichen hier nicht zum Besten. Ein Mal pro Woche komme jetzt ein Zahnarzt ins Dorf, meistens jedoch zu spät um noch etwas zu retten. San Antonio de los Cobres ist eine Kupfermine in 3400 Metern Höhe, bewohnt ausschließlich von Indios und die Armut hier ist groß. Bereits am Eingang werden wir von Frauen und Kindern empfangen, die Handarbeitswaren verkaufen: kleine Llamas aus Wolle, sowie selbsgestrickte Handschuhe, Socken, Mützen und Pullover. Hübsche Sachen eigentlich, doch ich habe in meinem Koffer keinen Platz mehr.
San Martín de Los Cobres
Der Ort ist deprimierend: Die Adobe-Häuser klein und einfach, eine Kirche, eine Kupfermine und eine Schule. Keine Vegetation, nichts was Schatten spendet, keine Unterhaltung.
Das Wirtshaus in das wir einkehren, nennt Martín scherzhaft das Sheraton des Ortes, denn es ist das beste Haus am Platz.

Nach dem Mittagsstopp führt unsere Fahrt über das Hochplateau zum eigentlichen Ziel des heutigen Ausflugs, dem großen Salzsee, der Salina Grande.
Die Straße dorthin ist schlecht. Für die 100 Kilometer werden wir wohl mehr als zwei Stunden brauchen schätzt der Fahrer. Tatsächlich werden es fast vier. Über Nacht hat es hier, mitten in der Wüste, stark geregnet und die Straße, eh nur eine Staubpiste, steht zum Teil so hoch unter Wasser, dass sie nicht mehr zu befahren ist. Der Fahrer ist also gezwungen off-road zu fahren, wobei unser Führer vorausgeht um das Gelände zu sondieren, größere Steine aus dem Weg zu räumen und Büsche auszureißen. So geht es nur im Schritttempo vorwärts.
Salina Grande
Als wir endlich die Salina Grande erreichen, hängen wir unserem Zeitplan hoffnungslos hinterher. Sowohl Fahrer als auch Führer unserer Exkursion sind freiberuflich tätig und können sich nicht leisten einen Auftrag auszuschlagen. Beide müssen morgen bereits wieder um 6 Uhr los und werden heute wohl nicht vor 23 Uhr zu Hause sein.
Als wir aussteigen liegen 200 Quadratkilometer Salzwüste vor uns. Der schneeweiße Boden blendet und die Sonne brennt auf uns herunter. Hier zu arbeiten ist der ungesundeste und schlecht bezahlteste Job, den man sich vorstellen kann. Für eine Tonne Salz bekommt man nur 14 Pesos, nicht einmal 3 Euro und die salzhaltige Luft verätzt die Atemwege auf Dauer. Binnen 3 Jahren kann man hier erblinden, wenn man seine Augen nicht permanent schützt. Die Arbeiter, die ich hier sehe, sehen tatsächlich alle aus, als ob sie eine Bank überfallen möchten. Über ihrem Kopf tragen sie einen Stoffsack, in dem nur zwei Schlitze für die Augen geschnitten sind. Darüber tragen sie eine Sonnebrille. Nur an ihren ungeschützten Händen kann man erkennen, dass es sich bei ihnen um Indios handelt.
Ich laufe ein bisschen auf der salzigen Fläche, mache ein paar Fotos und merke dass ich keine Luft mehr bekomme. Die Höhenkrankeit meldet sich!

Als unser Führer, zurück im Bus, auch noch ankündigt wir würden nochmal mehr als 800 Meter steigen, entsinne ich mich meiner Kokablätter. Schnell ziehe ich etwa 10 Stück von ihnen aus dem Beutel, falte sie zusammen und stecke sie in meine Wangentasche. Es entfaltet sich ein Geschmack der an grünen Tee erinnert. Ich kämpfe mit dem Brechreiz, nicht wissend, dass mir das schlimmste noch bevorsteht, die Abfahrt in die Tiefebene.
Als der höchste Punkt erreicht ist und der Bus für ein paar Fotos anhält, bleibe ich im Bus. Ich versuche zu schlafen, aber Kokablätter lindern nicht nur die Beschwerden der Höhenkrankeit, sondern halten auch zusätzlich wach.
Der Weg nach unten führt über eine wilde Serpentinenstraße und unser Fahrer gibt Gas. Mein Magen krampft sich zusammen, mit jeder Serpentine merke ich, wie der Druck auf meinen Körper und Magen zunimmt. Noch nie in meinem Leben habe ich mich elender gefühlt. Ich schließe meine Augen und schlafe tatsächlich ein. Nur einmal werde ich kurz wach, als der Wagen abrupt abbremst. Vor uns steht eine Kolonne von Tankwagen, die Butangas geladen haben und einer von ihnen ist an einer Serpentine umgestürzt. Mir entfährt nur ein "oh, shit" und ich frage mich wie man den, in dieser Höhe und auf dieser engen Straße, jemals bergen will und schlafe wieder ein.

Als ich erneut aufwache, sind meine Beschwerden fast verschwunden. Wir halten ein letztes Mal in dem Ort Purmamarca (2300 m), der Zwischenstation für Rucksackreisende nach Bolivien. Entsprechend bunt geht es hier zu: Auf einem Straßenmarkt werden Wollwaren verkauft, zahlreiche Hostels bieten billige Unterkünkte an und es ist voll mit jungen Menschen. Die meisten von ihnen zwischen 18 und 20 Jahren alt. Auf der Plaza haben sie sich versammelt, einige spielen Girarre und singen Volkslieder dazu. Ein Windstoß wirbelt Staub auf und treibt eine Plastiktüte vor sich her, trägt sie nach oben und lässt sie in Kreisen auf den Boden zurück sinken. Es sieht fast so aus. als ob sie, von der puren Lebensfreude der jungen Leute angesteckt, nach der Musik tanzt.
Die Szenerie erinnert mich an meine Interrail-Reisen, als ich in diesem Alter war und ich denke wehmütig an die Zeit zurück. Heute ist mein Neffe in dem Alter und zufällig hat er heute Geburtstag. Lieber Blaus, alles Gute zum Geburtstag. Du bist eine Bereicherung unseres Lebens - das muss doch mal gesagt werden!

Sonntag, 13. Januar 2008

Ausflug mit Anneliese

Der Nebelwald macht seinem Namen alle Ehre. Dicke Nebelschwaden wabern um die Gipfel seiner Bäume. Unser Fahrer Victor lässt uns aussteigen, damit wir die Gelegenheit haben den Wald zu riechen und zu hören. Die Gerüche sind denen des deutschen Waldes nach einem Sommerregen nicht unähnlich, nur die Geräusche erinnern nicht an zu Hause. Dieser Wald beherbergt Pumas, verschiedene Affenarten und exotische Vögel. Die Geräuschkulisse ist eine Kakophonie ihrer Lebensäußerungen.
Vielleicht 20 Kilometer sind wir von Salta aus gefahren, bis wir zu diesem Urwald in den Bergen gekommen sind, durch kleine Dörfer hindurch in denen die Menschen hauptsächlich von Landwirtschaft leben. Tabakpflanzen bestimmen die Anbauflächen.
Der Wechsel von Kulturlandschaft zu Urwald ist abrupt und unerwartet und es soll nicht die einzige Überraschung des heutigen Tages bleiben, aber davon ahne ich noch nichts.

Beim ersten Stopp des Tages spricht mich eine ältere Frau an (ich kenne ihren Namen nicht und nenne sie der Einfachheit halber mal Anneliese, denn das passt zu ihr), möchte wissen wo ich herkomme und es stellt sich heraus, dass wir Landsleute sind. Sie erzählt mir gleich, dass sie kein Spanisch spricht und deshalb den Erklärungen unseres Fahrers nicht folgen kann. Aber schließlich hat sie heute Nacht, als sie nicht schlafen konnte (sie leidet nämlich an furchtbaren Schlafstörungen) "das Buch" gelesen. Diese Tour hat auch Nino Rossi gemacht (wer?) und als sie das im Fernsehen gesehen hat, hat sie zu ihrer Familie gesagt: "Da muss isch hin, da könnter mache watter wollt. Nino Rossi - auf RTL". "Ach ja, der", lüge ich. Anneliese ist Rheinländerin - das kann ja heiter werden.
Bei einem Blick auf meine Kamera fällt ihr ein, dass sie auch auch eine dieser Digitalkameras hat, aber die hat jetzt ihre Tochter und sie hat nur so eine kleine Knipse dabei. Einen Film hat sie schon entwickeln lassen und ist nicht zufrieden. Anneliese ist der Typ Mensch, der überhaupt nie zufrieden ist. Na wenigstens hat sie jetzt wieder ein Gesprächsthema für ihren nächsten Friseurbesuch.

Gestern nach meiner Ankunft habe ich noch schnell eine Exkursion für den Sonntag gebucht. Meine Wahl fiel auf einen Ausflug nach Cachi, denn ich erinnerte mich in meinem Reiseführer gelesen zu haben, dass die Fahrt dorthin besonders spektakulär sei. In der Agentur sagt man mir, dass auf diesem Ausflug mit guten Wetter zu rechnen ist, da man sich auf etwa 3500 Metern Höhe bereits über den Wolken befindet.

Unsere Fahrt, bislang noch auf asphaltierten Straßen, führt uns immer höher in die Berge hinein, immer entlang eines breiten, braunen, reißenden Flusses.
Nun werden aus den geteerten Straßen Schotterwege, so eng, dass keine zwei Autos nebeneinander sie befahren können.
Genau so abrupt wie der Nebelwald aufgetaucht ist, macht er nun einer Steppenlandschaft Platz. Vereinzelt stehen riesige Baumkakteen im Grasland. Am Horizont zeichnet sich eine Bergkette ab, die so aussieht, als wäre sie gerade erst frisch in verschiedenen Rot, Grün und Ockertönen gestrichen worden.
Province Salta, Argentina
Die Straßen werden schlechter und steiler. Ab und zu liegen große Felsbrocken auf der Fahrbahn und wir fahren jetzt direkt in den Wolken. Die Sicht beträgt keine 20 Meter. Auf dem Weg überholen wir zwei Gruppen von Mountainbikern und ich beneide sie ein bisschen um dieses Erlebnis, wahrscheinlich beneiden sie uns um unseren warmen und komfortabelen Platz in unserem Gefährt.
Nach weiteren 20 Kilometern erreichen wir den Gipfel und befinden uns nun am höchsten Punkt der Exkursion. Leider sind wir noch immer nicht durch die Wolkendecke gestoßen. Man sieht kaum die Hand vor den Augen.
Beim Aussteigen entfährt Anneliese ein "shit". Das hat bei Nino Rossi wohl irgendwie anders ausgesehen. Außer mir und Anneliese sind noch zwei weitere deutschsprachige Touristinnen, zwei junge Frauen aus Deutschland und der Schweiz, mit an Bord. Mein Plan ist es Anneliese an die beiden abzugeben und ich glaube er geht auf. Anneliese hat bereits Witterung aufgenommen und einen ersten Kontakt hergestellt.
"Los Cardones" National Park
Die Fahrt geht nun in eine Hochebene hinein und erneut ändert sich die Vegetation schlagartig als wir in den Nationalpark "Los Cardones" einfahren. Eine Fläche von gut und gerne 20 Kilometern Ausdehnung liegt vor uns. Trockenes Wüstenland und darauf stehen tausende der großen Baumkakteen, die wir schon zuvor vereinzelt gesehen haben, wie von Menschenhand als Kulisse für einen Western dort hingestellt. Manche dieser Kakteen sind 6 Meter hoch, einige mit Armen, andere wie Säulen. Nur 1 - 2 Zentimeter wachsen sie im Jahr und jede von ihnen speichert zwischen 30 und 40 Litern Wasser für die Trockenzeit. Bei der Größe müssen schon einige von ihnen hier gestanden haben, bevor die Spanier das Land in Besitz genommen haben.

Während ich ein paar Fotos mache, komme ich mit den beiden anderen deutschsprachingen Mitreisenden ins Gespräch. Es tut mir fast leid, dass sie Anneliese von mir geerbt haben, denn sie sind sehr lustig.
Beide sind für 8 Monate in Argentinien und leisten in Buenos Aires ein Praktikum ab, eine ist Lehramtsstudentin, die andere Kommunikationswissenschaftlerin. Sie berichten von ihren Plänen nach Bolivien weiterzureisen und erzählen mir Erlebnisse ihres Aufenthalts. Eine Geschichte bringt mich besonders zum Lachen: Eine Geisterbahn, die sie in einem Vergnügungspark in Buenos Aires besucht haben, in der es nur einen einzigen "Geist" gab, ein verkleideter Mann, mit einer Papiertüte über dem Kopf, der aus einer künstlichen Höhle gerannt kam, einmal schrie und wieder in seiner Höhle verschwand. Ende des Spuks.
Cachi, Argentina
Gegen Mittag kommen wir in Cachi an. Ein hübscher kleiner, abgeschiedener Ort, der noch so aussieht, wie vor 250 Jahren, als er erbaut wurde. Die Wolken sind fast verschwunden und der Himmel zeigt sich in seinem schönsten Blau. Das Mittagessen nehmen wir in einem winzigen Lokal ein, in dem bereits ein Lamm auf dem Grill liegt. Der Wirt begrüßt uns herzlich und stellt in Aussicht nicht zahlen zu müssen, wenn uns sein Essen nicht schmeckt.
Anneliese ist bereits im Inneren verschwunden, also beziehen wir einen Tisch im Freien. Es dauert freilich keine 5 Minuten und Anneliese kommt zu uns an den Tisch. Drinnen ist es ihr zu kalt. Wir haben alle keinen großen Hunger und bestellen nur eine Kleinigkeit. Anneliese hat auch keinen Hunger und bestellt sich erstmal eine Riesenportion Lamm. Natürlich schmeckt das Lamm nicht (zu trocken) und der Wirt bietet sofort an ihr ein besseres Stück zu servieren. In der Zwischenzeit fallen Anneliese diverse Unannehmlichkeiten ein, die sie uns bereitwillig mitteilt (deutsches Fernsehprogramm: zu schlecht, GEZ: bezahlt sie nicht, der Russe kauft alles in Karlsbad auf, alles nur Verbrecher, etc.). Als das Gespräch auf unsere Flüge fällt, weiß Anneliese zu berichten, dass sie das letzte Mal mit Lufthansa geflogen ist. Viel zu eng für ihre langen Beine (Anneliese ist vielleicht 165 cm groß) und für so einen langen Flug müsse man ihr doch mehr Platz bieten. Die beiden Mädchen schauen mich an, denn sie wissen, dass ich bei Lufthansa arbeite.
Ich erkläre Anneliese, dass es durchaus Sitze mit deutlich mehr Platz in unserer Business und First Class gäbe, dass diese nur ein wenig teurer wären.
Den Rest der Mahlzeit nimmt Anneliese schweigend zu sich, denn sie ist erzürnt, dass wir ihre Meinung nicht ausreichend würdigen.

Menschenopfer

Die Taube in der Hand...
Das erste, auf das mein Blick fällt, als sich die Tür des Busses öffnet, der mich an meinem Hotel in Salta absetzt, sind Kokablätter, die in der Gosse liegen. Jemand hat sie wohl fallen und liegen lassen. Ich habe in einem meiner Reiseführer davon gelesen, dass Kokablätter, obwohl sowohl Verkauf als auch Besitz verboten, hier überall erhältlich sind.
Eine der Reiseagenturen, die Ausflüge in die Umgebung anbieten, empfiehlt sogar vor einer bestimmten Tour, die auf nahezu 4700 Meter führt einen Kokatee zu trinken oder die Blätter zu kauen. Koka ist seit Urzeiten, und lange bevor ihr Derivat Kokain zur Modedroge wurde, das Medikament aus der Natur, mit dem die einheimische Bevölkerung der Höhenkrankheit vorbeugt.

Als ich heute morgen die Halle des Inlandflughafens Aeroparque in Buenos Aires betrete, ist mir sofort klar: meinen Flug werde ich verpassen! Zwar bin ich gute 2 Stunden vor Abflug dort um einzuchecken, aber die Menge an Menschen ist so groß, dass man keine Stecknadel mehr fallen lassen könnte. Ungläubig frage ich nach, ob es sich bei dem chaotischen Drucheinander um die "Schlange" für den Check-in für Aerolineas Argentinas handelt und die Gestallt, die dafür zuständig wäre, Struktur in das Chaos zu bringen nickt nur resignierend.
So versuche ich einen Platz in der Menge zu erkämpfen, der nach so etwas wie das Ende einer Warteschlange aussieht. Nach einer Stunde bin ich etwa 7 Meter näher an den Check-in Schalter vorgedrungen. Es fehlen noch 15 Meter.
Ein solches Durcheinander, einen solch komplett fehlenden Willen sich diszipliniert zu verhalten, eine solches Chaos habe ich noch nicht einmal in Nigeria, Ghana oder der Elfenbeinküste erlebt.
15 Minuten vor dem planmäßigen Abflug lasse ich meine beiden Koffer im Gewühl stehen und gehe vor zum Schalter, nur um darauf aufmerksam zu machen, das ich meinen Flug verpassen werde, wenn nicht irgendein Wunder geschieht. "Andere sind auch in ihrer Situation", erklärt mir der Mann am Schalter genervt. Noch eine ähnlich dumme Bemerkung und Du sollst mich kennenlernen, Freundchen, denke ich mir. "Ich werde aber meinen Flug verpassen", wende ich nochmals ein. Und erst als er mir versichert, dass ich meinen Flug noch erreiche, kehre ich auf meinen Platz zurück.
Etwa 5 Minuten vor Abflug geht nun eine Angestellte der Fluggesellschaft durch die Menge und versucht die Passagiere nach Salta herauszufischen, um sie am First Class Schalter einzuchecken.
Zehn Minuten später sitzte ich endlich, völlig genervt, auf meinem Platz!

Es ist bewölkt in Salta und mit 20°C recht kühl. Später fängt es an zu regnen. Die Stadt und ihre Umgebung erinnern mich stark an Kolumbien. Fast alle Einwohner haben die indigenen Gesichtszüge und die braune Haut ihrer Vorfahren. Hier ist Inca-Land!
Ich suche eine Agentur für Exkursionen in die Berge und buche für Sonntag einen Ausflug nach Cachi. Mein Reiseführer beschreibt die Strecke als eine atemberaubend schöne Passstraße, immerzu an steilen Abhängen entlang.

Der Abend bietet sich für einen Besuch des Archäologischen Museums der Hochanden an. Ein neues Museum in einem Kolonialbau, dessen Prunkstücke drei 500 Jahre alte Inca Mumien, zwei Kinder von 8 und 10, sowie eine junge Frau von 15 Jahren, sind, die erst im Jahr 1999 von einer Expedition in 6700 Metern Höhe gefunden wurden.
Im Museum läuft ein Film über die Ausgrabungen in dem man Wissenschaftler mit dicken Daunenanzügen auf dem vom Wind gepeitschten Vulkan bei ihrer Arbeit beobachten kann.
Der Fund gilt als Sensation, denn ab 6000 Metern beginnt die sogenannte Todeszone, in der Menschen ohne Sauerstoffgabe nach kürzester Zeit der Höhenkrankheit zum Opfer fallen. Warum man die drei Leichen hier bestattet hat und wie die Menschen es geschafft haben dabei den Gefahren zu trotzen, bleibt bislang noch ihr Geheimniss.
In dem oben erwähnten Film wird die Bergung der Mumien gezeigt und man ist Zeuge, wie die Stofflagen, in die sie gehüllt waren entfernt werden. Zum Vorschein kommt das Kindergesicht eines kleinen Mädchens, dass noch so gut erhalten ist, dass man meinen könnte es würde nur schlafen.
Die besterhaltene Mumie ist diejenige der jungen Frau, von der man vermutet, sie könnte eine "Jungfrau der Sonne" sein, also eine der legendären Menschenopfer der Inca, um den Sonnengott gnädig zu stimmen. Die Haare sind zu Rastazöpfen geflochten, ihre Füße stecken noch in Pantoffeln, die Beine verschrenkt trägt sie immer noch die Kleidung, in der man sie beigesetzt hat. Der Kopf ist nach vorne geneigt und das Gesicht ein wenig verformt. Die dunkle Haut sieht fast wachsartig aus. Ich frage nach, ob es sich hierbei wirklich um die Mumie und nicht um eine Kopie handelt und mir wird bestätigt, dass es das Original ist.
Nochmal schaue ich in den Kasten, wo sie in einem gläsernen, klimatisierten Zylinder sitzt und blicke in das Gesicht eines Menschen, der vor 500 Jahren gelebt hat.

Freitag, 11. Januar 2008

La Libertad

My Friend
Er ist schon fast sowas wie ein Freund geworden, der mich jeden Morgen auf meinem Weg in die Stadt begrüßt hat, nur ein Auge für kurze Zeit geöffnet, um mir zu zeigen, dass er mich wahrgenommen hat. Einmal habe ich ihm meine Hand hingestreckt und er brauchte zwei Atemzüge um zu wissen, dass von mir wohl keine Gefahr ausgeht. Am Abend lag er immer noch an der gleichen Stelle, seine Schnauze durch das schmiedeeiserne Gitter gesteckt. Das hier ist sein Revier!

Auch an meinem letzten Tag in Buenos Aires kam ich morgens, auf meinem Weg nach San Telmo, an ihm vorbei. Ich wollte in den Stadtteil, der früher den Reichen der Stadt Obdach bot, bis eine Choleraepedemie die meisten zu einem Umzug in den Stadtteil Recoletta zwang, wo auch heute noch die Wohlhabenden der Stadt residieren. San Telmo sind die schönen Häuser an den kopfsteingepflasterten Straßen, die Vielzahl an Antiquitätengeschäften und der berühmte Antiquitätenmarkt an den Sonntagen geblieben.
Ich stöbere ein wenig durch die Geschäfte, bleibe in einigen länger hängen und unterhalte mich in meinem Kleinkinderspanisch mit den Besitztern, erkundige mich nach Preisen.
Pins
Alte Möbel machen hungrig und ich beschließe nochmal ins Café Tortoni zu gehen, einer Institution unter den Caféhäusern. Als ich ankomme steht vor dem Eingang eine lange Schlange - alles Menschen, die auf Einlass warten.
Als ich gegen Ende der 90er Jahre zum ersten Mal hier war, saßen oft nur drei oder vier Gäste an den alten Holztischen. Im letzten Jahr, so habe ich gelesen, haben 200.000 Touristen mehr das Land besucht als im Vorjahr. In diesem Jahr rechnet man nochmals mit einer deutlichen Steigerung.
So überlasse ich das Tortoni den, haupsächlich brasilianischen, Besuchern und gehe weiter zum alten Hafenbezirk, dem Puerto Madero.
Argentinian Sailship "Liberdad"
Schon von weitem kann ich die Takelage eines großen Segelschiffes erkennen. Als ich näher komme sehe ich, dass es sich um die "Liberdad", das Schulschiff der argentinischen Marine, handelt. An Bord sind jedoch nicht nur Soldaten, sondern auch mehrere Zivilisten. Ich laufe also den kleinen Steg hoch und frage einen der Matrosen, ob ich an Bord kommen darf. Mit einer freundlichen Geste läd er mich ein mich umzuschauen. Gerne würde ich ein paar Fotos schießen, weiss aber nicht, ob das erlaubt ist. Am Hauptmast halten sich einige Mitglieder der Besatzung auf, die den Zivilisten Rede und Antwort stehen. Ich wende mich an einen dicken, klein gewachsenen Mann, der, wie sich später herausstellt der Smutje, der Schiffskoch ist und schon seit 22 Jahren auf diesem Schiff fährt. Das hier ist sein Zuhause.
Mir fällt ein, dass ich immerhin schon fast 19 Jahre bei Lufthansa arbeite und zwar auch, zumindest teilweise, in den Bordküchen. Wir sind also im weitesten Sinne so etwas wie Kollegen.
Das Fotografieren ist erlaubt, ja sogar erwünscht und man kann sich auf dem Oberdeck und der Brücke frei bewegen. Nur die unteren Decks, die Wohnräume der Besatzung, sind für Besucher gesperrt.
Nun werde ich ein wenig ausgefragt, woher ich komme, ob ich zum ersten Mal in Argentinien bin, wo mich meine Reise noch hinführen soll...
Als ich verrate, dass ich aus Deutschland komme, bekommt er glänzende Augen und schwärmt von den Hamburger Mädchen. Die sind so unnahbar und exotisch.
Eine Reise nach Hamburg unter Segeln dauert etwa 8 Monate, natürlich mit jeder Menge Stopps in Ländern auf dem Weg, erklärt er mir.
Ich schaue zu den Masten hoch und bei dem Gedanken bis dort oben hoch klettern zu müssen, wird mir schwindlig. Wie muss es wohl erst bei strakem Wind und Seegang sein?

Donnerstag, 10. Januar 2008

Von Last und Luxus

Wenn es dunkel wird und der Rest der Bevölkerung nach Hause geht oder sich auf die nächtlichen Vergnügungen vorbereitet, fängt ihr Arbeitstag erst an. Schwer ziehen sie an den Metallkarren, denn sie sind voll beladen mit Karton und Papier. Cartoneros werden sie genannt, die Menschen, die sich allabentlich ihren Lebensunterhalt damit verdienen, wegzuräumen, was am Tag in den Einkaufsstraßen der Stadt an Verpackungsabfall angefallen ist und es gibt viele von ihnen, die mit der Konkurrenz um die besten Straßen kämpfen.
Ich habe kürzlich gelesen, dass einige Geschäftsleute den Cartoneros ihren Abfall verkaufen wollten, aber nachdem sie auf den Kartons von mehreren Tagen sitzen geblieben waren, kamen sie zur Vernunft.
Oft sind es Frauen mit ihren Kindern oder Jugendliche, die die Pappkartons in Windeseile zerlegen und sie auf ihre Wagen verladen. Die Ärmsten der Armen, der Bodensatz der Gesellschaft.
Ist der Wagen voll und alle Kartons sind aufgesammelt, ziehen sie ihn zu einem Sammelpunkt, wo die Wagen samt Inhalt in einen Zug verladen und zum Abnehmer gefahren werden. Fünf Euro, an guten Tagen vielleicht auch ein wenig mehr ist der Lohn für eine Nacht voll Plackerei.

Ich habe noch zwei Tage Zeit in Buenos Aires um alle meine Lieblingsplätze abzulaufen und einige neue zu finden. Wie immer, wenn ich in einer Stadt bin, die mir gefällt, schaue ich mich auf dem Imobilienmarkt um. Meistens genügt schon ein Blick auf die Angebote in den Fenstern der Makler um sich einen Eindruck zu machen. Als ich vor einem Fenster des Maklers GG Brokers stehe und die Angebote studiere (Palermo, Altbau, renoviert, 40 qm, 40.000 €) öffnet sich das Fenster zur Seite und eine Frau fragt mich in bestem Engllisch, ob sie mir helfen könne. Ich verneine und es entwickelt sich ein Gespräch in dessen Verlauf sie mich in ihr Büro bittet. Hilda, so ist ihr Name, ist in Buenos Aires geboren und in Sydney aufgewachsen und erst als Erwachsene zurückgekehrt.
Doors
Ich frage sie nun doch über die Entwicklung der Immobilienpreise aus und hole mir ein paar Tipps für den (sehr unwahrscheinlichen) Fall eines Kaufs: Auf jeden Fall Altbau, denn die steigern ihren Wert am meisten, je höher die Räume desto besser und unbedingt in Palermo, denn dieser Stadtteil entwickelt sich am schnellsten. Bei den Preisen sind die Grenzen nach oben offen, es sind günstige Apartments genau so im Angebot, wie kleine Stadtpalais, wie der in dem mein Hotel ist, für mehrere hunderttausend US$ und noch darüber hinaus. Sie zeigt mir einige Exposés und ich wundere mich, was sich hinter einigermassen unscheinbaren Fassaden für prächtige Wohnräume verbergen.

Die Verlockungen sein Geld loszuwerden sind an allen Ecken der Stadt groß. Der günstige Peso machen auch den größen Luxus erschwinglich und Argentinier sind hervorragende Verkäufer. Mein Limit ist der Platz in meinem Koffer und der war schon bei der Abreise aus Deutschland gut gefüllt. Außerdem ist ein günstiger Preis an sich ja noch kein Kaufargument. Meine Reise ist auch noch lange nicht zu Ende. Noch liegen 18 Tage vor mir, die mich vor allem in den Norden des Landes in die Region Salta führen werden. Ich freue mich schon auf die Berge, die Wüste, die Abgeschiedenheit und die Natur.