Mittwoch, 23. Januar 2008

Durch die Wüste

Die Sonne läßt Wolkenschatten über die kahlen Berge tanzen. Über Nacht hat es ein wenig geregnet und die Luft ist noch frisch und kühl.
An den Rhythmus der schwankenden Bewegung muss man sich erst ein wenig gewöhnen, schließlich habe ich seit mehr als zehn Jahren nicht mehr auf dem Rücken eines Pferdes gesessen, aber mit dem Reiten ist es wie mit allem anderen, was man einmal gelernt hat: die Erinnerung daran kommt schnell zurück.
Horseriding
Beim letzten Mal bin ich, mit einigen Kollegen aus meiner Crew, in der Hochkordiliere der kolumbianischen Anden geritten. Es ging über nasse, felsige Pfade an steilen Abhängen entlang und mehr als einmal war mein Pferd damals ausgerutsch und dabei dem Abgrund näher gekommen, als mir lieb war.

Diesmal verspricht die Tour weniger spektakulär zu werden. Nur am Fuß der Präkordiliere werden wir uns bewegen, auf dem sandigen Boden der Wüste, die sich um Mendoza erstreckt.
Die Gruppe des heutigen Ausritts lernt sich erst an den Stallungen kennen. Cynthia, eine 42-jährige Amerikanerin aus Florida, bricht zuerst das Eis und spricht mich, mit der unbekümmerten Art, die ich an Amerikanern so schätze, an. Ich beteilige mich am Warm-up und frage ob alle anderen Argentinier sind.
Die Gruppe ist, wie oft bei diesen Ausflügen, sehr international. Aus Australien, den USA, Holland, Deutschland und natürlich Argentinien sind die Teilnehmer. Und erst als ich frage fällt mir auf, dass alle außer mir weiblich sind. Klar, Pferde und Frauen, das gehört natürlich zusammen, warum bin ich nicht eher auf die Idee gekommen, Touren auf vier Hufen zu buchen? Hier bin ich der Hahn im Korb, freue ich mich bereits. Die Freude darüber dauert jedoch nur so lange, bis sich unsere Führer bei uns vorstellen. Nicht nur sind sie etwa 15 Jahre jünger als ich, sondern sehen auch noch so aus, als ob sie einer Werbung für Polo Bekleidung entstiegen sind.

Unsere Pferde werden uns nach Vorkenntnissen und Körpergröße zugeteilt. Bei einem kurzen Briefing wird uns erklärt, wie man ein Pferd steuert und wie man sich bei starken An- und Abstiegen zu verhalten hat. Bei Anstiegen soll man den Oberkörper nach vorne beugen und die Beine abgewinkelt nach hinten strecken. Abstiege meistert man am besten, indem man sich in die Steigbügel stellt und versucht den Obekörper immer im 90° Winkel zum Horizont zu halten.

Nach wenigen Minuten im Sattel stelle ich fest, dass die Entscheidung für den heutigen Tag lange Hosen anzuziehen, goldrichtig war. Alle Pflanzen der spärlichen Vegetation sind dornenbewährt, um sich vor den zahlreiche Fressfeinden zu schützen, und Pferde können nur ihre eingenen Körpermasse abschätzen, nicht jedoch die, des Reiters, der auf ihrem Rücken sitzt. Mehrmals bin ich mit den Beinen in Gestrüpp mit, zum Teil mehrern Zentimeter langen, Dornen geraten, was schon mit langen Hosen nicht angenehm war.

Ich erinnere mich an einen geplanten Ausritt in Brasilien, als ich dort meinen Freund Ralf und seine Frau Jane besuchte. Der Ausflug fand ein schnelles Ende, weil das Pferd, das meinen Freund trug, unter einem Baum durchlief, der zwar ausreichend Höhe für seinen Körper, nicht jedoch für den seines Reiters, bot.
Ralf endete erst an einem Ast und danach, ein paar Meter tiefer, auf dem Boden. Er schwor, niemals wieder ein Pferd zu besteigen. Ich habe noch ein Foto zu Hause, das die beiden unmittelbar vor dem Unfall zeigt.

So harmlos, wie sich unser heutiger Ausritt ankündigte ist er dann doch nicht. Es gibt einige, zwar kurze, jedoch sehr steile An- und Abstiege und man ist als Reiter gefragt sich permanent zu konzentrieren.
Die Stute, die mir zugeteilt wurde, ist zudem heute schlecht gelaunt und liegt mit einigen anderen Pferden im Streit, die sie deswegen nicht hinter sich duldet. Sie verschafft sich genügend Abstand zu den anderen, indem sie sich auf ihre Vorderläufe stellt und mit beiden Hinterläufen ausschläg, während ich auf ihr sitze. Nach einigen Malen kann ich aber ihre Körpersprache deuten und weiss bereits, was sie vorhat und kann so gegenlenken.
Als ich einen der Führer deswegen frage, sagt er nur: hysterisch, ist eine Frau!

Etwa nach einer halben Stunde und den ersten steilen Anstiegen wird eine kleine Pause eingelegt, um den Sitz der Sättel zu prüfen und gegebenenfalls das Gurtzeug nachzuziehen.
Danach gönnt man uns und den Pferden keine Pause mehr und das für gute vier Stunden. Trotzdem heute ein paar Wolken den Himmel sprenkeln ist es heiß und anstrengend für Pferd und Reiter.

Als wir kurz vor den Stallungen sind kann ich gebratenes Fleisch riechen. Einer der Führer ist bereits vorzeitig zurückgeritten um vorzubereiten, was für Argentinier zu einem gelungenen Tag dazugehört: ein Grillfest.
An einer langen Tafel im Freien wurde bereits für uns eingedeckt, es stehen zwei große Krüge mit Wein und Brotkörbe darauf, und das Fleisch ist auch fast fertig.
Puppy
Während unsere Führer sich um die Pferde kümmern, haben wir Zeit mit den vielen Hunden zu spielen, die hier leben. Ein winziger junger Schäferhund, erst wenige Wochen alt, ist der Liebling aller und wird während des Essens von meiner Tischnachbarin derart vollgestopft, dass er sich direkt neben ihr auf ihrer Tasche zusammenrollt und in einen Tiefschlaf fällt.

4 Kommentare:

himmatomm hat gesagt…

Lieber Wolfram, da müssen wir uns ja allmählich nach anderer, spannender Lektüre umsehen, da Dein (Abenteuer)urlaub zu Ende geht. Schade! MIt der Schilderung Deiner Höhenkrankheit hast Du uns einen ziemlichen Schreck eingejagt; ist ja wohl nicht ganz ohne! Aber von Deinen Erlebnissen dort kannst Du dann im gesettelten Mitteleuropa noch ein Weilchen träumen, gell? - Deinen lieben Geburtstagsgruß an Sebu fanden wir ebenfalls - wie schon Dein Freund Werner - super; der wird sicher in Sebus Langzeitgedächtnis gespeichert. - Wir wünschen Dir einen unvergeßlichen Abschluß Deiner Südamerika-Tour und ein glückliches Heimkommen! Deine Fuddl und Peter

renovatio hat gesagt…

Hm - dass Deine - zumal jugendlichen - Reisegruppenführer vergessen haben, wie man sich einer auskeilenden Stute von hinten nähert, nimmt mich Wunder. Aber Du weißt es noch, oder? Richtig! Man verabreicht ihr sicherheitshalber eine "Peniscillin"-Spritze! Das verschlimmert zwar die Symptome kurzzeitig, aber danach sollte sich das Mütchen kühlen... ;-)
Ja, ich stimme Deiner Mutter zu. Ein Jammer, dass die schönen Tage immer so schnell zur Neige gehen, was!? Na ja, Du bist ja im Reisegeschäft zu Hause - ich bin zuversichtlich, dass Dein Blog hier in Kürze weiterlebt.

Wolfram hat gesagt…

Noch bin ich ja unterwegs und ein, zwein Einträge werden schon noch zusammenkommen.

Vergessen haben die Führer es sicher nicht, schließlich sind es ja echte Latinos, aber bei den fast 30 Stuten, die sie im Stall haben, ist es wohl zu viel Mühe:)

Wolfram hat gesagt…

Mein im Eintrag erwähnter Freund Ralf wollte folgendes Posten hat es aber nicht geschafft. Deswegen mach ich's jetzt:

ZITAT: "Ich erinnere mich an einen geplanten Ausritt in Brasilien, als ich dort meinen Freund Ralf ..."

Gut dass Du es ansprichst. Auch ich erinnere mich haarklein an diesen Zwischenfall. Ich fiel damals aus gefühlten 4 Meter Höhe auf den Rücken (Steinboden) - es gab für mich nur zwei Möglichkeiten: ich war tot oder querschnittsgelähmt. Wie ich da so lag und nach und nach versuchte zu mir zu kommen. Und was taten mein "Freund" und meine "Frau": sie lachten sich kaputt und fotografierten sich die Finger wund. Jaja, in Extremsituationen lernt man die Menschen kennen.
Wie Du bereits richtig schriebst: ich bestieg seither nie mehr ein Pferd. Das hat mich natürlich die eine oder andere Hauptrolle gekostet (z.B. "Der mit dem Wolf tanzt", "40 Trabbis westwärts", "Ein Pferd namens Wanda"), aber vielleicht oder wahrscheinlich sogar wäre ich ansonsten bereits schon nicht mehr hier...