Samstag, 5. Januar 2008

Ein General und arme Schlucker

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Man muss nur ein paar Stufen hinuntergehen und taucht gleichsam in eine andere Welt ein. Oben tobt der Verkehr und die Sonne blendet, hier unten ist es dunkel, ruhig und kühl. Ein düsterer Ort, das Mausoleum von General de Artigas, das sich unter seinem Reiterstandbild auf der Plaza Independencia, befindet. Bewacht von zwei Soldaten in historischen Uniformen, bewaffnet mit einem Säbel, steht die Urne unter einem Glaskasten auf einem schwarzen Marmorsockel. Von oben steckt sich eine ebensolche Marmorsäule dem Sockel entgegen und taucht die Sterblichen Überreste des Generals in goldenes Licht. Die Wände der Grabstädte sind aus hellem Beton, in dem Daten aus dem Leben des Helden der uruguayischen Unabhängigkeit, in großen Reliefbuchstaben, eingelassen sind.
Ich bedauere die beiden Uniformierten, die, wenn auch nicht den ganzen Tag, so doch mehrere Stunden, vollkommen regungslos Wache halten müssen. Was mag ihnen wohl durch den Kopf gehen, welche Techniken haben sie ersonnen um die Langeweile zu ertragen?

Die Markthalle am Hafen, der ich bereits am ersten Tag einen kurzen Besuch abgestattet habe, ohne etwas zu essen, steht als nächstes auf meiner Liste und diesmal habe ich die Kamera dabei. Sie schließt bereits um 19 Uhr und so bin ich noch nicht in den Genuß eines typisch uruguayischen Asados gekommen.
Eigentlich habe ich ja erst vor wenigen Stunden ausgiebig gefrühstückt, aber nachdem ich ein paar Fotos geschoßen habe, beschließe ich an einem der Stände Platz zu nehmen und einen kleinen Imbiss zu mir zu nehmen. Der Mercado del Puerto ist keine bloße Touristenatraktion sondern ein Treff für Angestellte der Hafenverwaltung und der nahen Börse und Banken. Jeder Stand hat einen oder mehrere Asadore, die den Grill bedienen, sowie einen Koch, der Beilagen, sowie Fisch und Pastagerichte zubereitet. Alles geschieht auf unvorstellbar engem Raum. An dem Stand den ich mir ausgesucht habe teilen sich Koch und Spühler vielleicht 1,5 Quadratmeter. Viel besser haben es die Assadore auch nicht erwischt, denn ihr Arbeitsplatz ist, abgesehen von der Enge, auch noch heiß. Über dem Grill befindet sich ein schmiedeeiserner Korb in dem Holz brennt. Kleine Stückchen von der Glut fallen durch die Gitter des Korbes durch und werden unter einem Rost gleichmäßig verteilt, auf dem verschiedene Würste und Steaks und allen Größen vor sich hinbraten. Die Assadore müssen jedes einzelne Stück Fleisch, sowie das Feuer und die Glut permanent in Auge haben und die Bestellungen auf Zuruf bearbeiten.
Eine schweißtreibende Arbeit!
Asador
Gegessen wird, auf Barhockern sitzend, an einem langen Tresen, der den Stand umgibt. Meine Bestellung dauert nicht lange und ich bekomme eines der besten Steaks, das ich je gegessen habe.

Die Altstadt am Hafen hat bessere Zeiten gesehen. Viele Häuser sind unbewohnt, Türen und Fenster, als Schutz vor ungebetenen Gästen, zugemauert. Diejenigen von ihnen, die noch bewohnt sind sehen allerdings nicht viel besser aus. Hier wohnen die ärmeren Bevölkerungsschichten.
Auf meinem Weg zum Mercado komme ich an einigen Kneipen vorbei, üble Spelunken, in denen ärmlich aussehende Männer billigen Alkohol in zahnlose Münder gießen. Der Hafen bietet kaum noch Arbeit, da durch den Containerverkehr selbst das größte Schiff von nur wenigen Männern in kürzester Zeit entladen werden kann. Liegezeiten dauern heute in der Regel keinen Tag mehr. Vorbei die Zeiten, in denen Seemänner auf ihrem Landgang ihre Heuer versaufen und verhuren konnten.

Bewegt man sich vom Hafen weg kommt man bald in den ruhigen und hübschen Teil der großen Altstadt. Es reihen sich Häuschen an Häuschen, die meisten im Jugendstil, oder Modernismo, wie er hier heißt, mit zum Teil grotesk hohen und schmalen Eingangstüren, als ob sie auf die besondere Physionomie ihrer Bewohner abgestimmt wären. Obwohl hier fast alle Häuser bewohnt sind, sind bei fast allen die Fensterläden zugezogen. Ich frage mich warum, denn durch den dichen Baumbestand an den Straßen ist es überall angenehm schattig. Gerne würde ich in diese Häuser hineinschauen. Ich möchte wissen wer darin lebt und wie.

3 Kommentare:

renovatio hat gesagt…

Auch ohne Fotos kann ich's mir gut vorstellen - geradezu den Kühle spendenden Schatten fühlen, die sich mischenden Gerüche von Feuerholz, gegrilltem Fleisch und die "Ausdünstungen" des Mauerwerks der Altstadt riechen, ich "höre" die Geräuschkulisse des Hafens, die einer Symphonie aus Schiffshörnern, Autohupen, Fußgetrappel und einer Kakophonie aus Menschengemurmel gleicht - und über all dem die heiße argentinische Mittagssonne, der man sich nur minutenweise und möglichst unter Vermeidung körperlicher Anstrengung aussetzen möchte.
Trotzdem freue ich mich auf die Bilder (zuerst Zensur, nun unzuverlässiger Upload-Dienst bei flickr - ist's noch ein Wunder, warum ich böse war...?)

himmatomm hat gesagt…

Lieber Wolfram, wir weiden uns an Deinen Schilderungen aus Tausendundeine Nacht, und wir sind gespannt, was Du noch alles erlebst. Herzliche Grüße aus dem - noch - weißen MIndelheim, Fuddl und Peter

Wolfram hat gesagt…

Auch wenn Du es beschreibst, als wärst Du selber dabei gewesen - jetzt habe ich die Fotos hochladen können.
Der unzuverlässige Upload ist wohl eher der gähnend langsamen Internetverbindung meines Hotels in Montevideo als flickr zuzuschreiben.

Hallo Fuddl und Peter, schön Euch unter meinen Lesern zu wissen. Wie habt Ihr denn Euer Passwort wiedergefunden? Aus Euch werden ja noch echte Hacker werden.
Bitte grüßt und drückt den "kleinen Spinner" recht herzlich von mir!