Dienstag, 21. August 2007

5 Tage Europa

16. August 2007: Taiwanesen in der "Alten Welt"

Es ist gerade einmal 4 Uhr 50 als ich meine Crew im Briefingraum des Flight Operation Centers treffe. Ich schaue in müde Gesichter, wirklich ausgeschlafen ist um diese Uhrzeit niemand. Meine Aufgabe ist es jetzt gute Stimmung zu verbreiten und mein Briefing so interessant zu gestallten, dass ich meine Crew auch so früh am Morgen auf den heutigen und die kommenden 5 Tage einstimmen und motivieren kann.
5 Tage werden wir zusammen verbringen und mit "unserem" Airbus 320 Europa bereisen, vom westlichsten Punk des Kontinents in Lissabon zum östlichsten in Istanbul und von Stockholm im Norden bis Rom im Süden wird uns unsere Reise führen.
Bereits um 13:30 Ortszeit ist unser Arbeitstag zu Ende, eine Stunde später checken wir im Sofitel auf der Avenida da Liberdade ein und der Rest des Tages gehört nur noch uns.
Lissabon ist mein Favorit unter den europäischen Hauptstädten und sicherlich eine der schönsten Städte der Welt. Zu gerne wandere ich durch die engen Gassen der Alfama, der Altstadt, von denen manche so schmal sind, dass sie nicht mit Autos befahren werden können, und immer noch finde ich Neues: Hier einen Ausblick den ich noch nicht kenne, dort ein kleines Café, mit nur 2 oder 3 Tischen, die zum Verweilen einladen, wieder woanders eine Kunstgallerie an der ich bislang achtlos vorbeigegangen sein muss.
Alfama
Auf meiner Wanderung durch die verwinkelten Gassen treffe ich eine Gruppe Taiwanesen wieder, die wir gerade noch an Bord betreut hatten. Trotzdem ich jetzt keine Uniform mehr trage und eine Sonnenbrille meine Augen vor der tiefstehenden Sonne schützt, erkennen sie mich sofort und winken mir zu. An Bord hatte ich ihnen auf den Kopf zusagen können, dass sie aus Taiwan kommen (jahrelange Übung im Nationalitätenraten!) und das hat sie wohl stark beeindruckt. Als ich dann noch nebenher fallen ließ, dass ich einmal dort während einer Urlaubsreise durch die berühmte Tarokko Schlucht gewandert bin, ernte ich sogar Aplaus. Dass ich nur einen kleinen Teil der Schlucht abgewandert bin und nicht die volle Länge von etwa 60 Kilometern, verschweige ich daraufhin.


17. August 2007: "Leute machen Kleider" oder Mailand ist wegen Ferien geschlossen

Am nächsten Tag reisst mich der Weckruf aus meinen Träumen. Schnell duschen, den Koffer packen und meine Uniform anziehen, denn pünktlich in einer Stunde holt uns der Bus, der uns zum Flughafen fährt, am Hotel ab.
Den heutigen Nachmittag werden wir in Mailand verbringen, der norditaliänischen Wirtschaftsmetropole und heimlichen Hauptstadt Italiens.
Ist in der benachbarten Schwesterstadt Turin die Schwerindustrie des Landes beheimatet, so dreht sich in Mailand alles um Mode und Kunst. Entsprechend schick präsentiert sich die Innenstadt um den Dom und die weltberühmte Mailänder Scala. Einheimische und ausländische Nobelmarken reihen sich entlang der Einkaufsstraßen wie Perlen an einer Kette. Mit der Häufigkeit mit der man in einer deutschen Fußgängerzone an Läden der Bekleidungskette H&M begegnet, läuft man hier an "Dolce & Gabana", "Prada" oder "Diesel" vorbei.
Nachdem ich mich im Hotel schnell geduscht und umgezogen habe gehe ich zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. Die Straßen sind wie ausgestorben, alle Geschäfte, Cafés und Bars sind geschlossen und es sind kaum Autos unterwegs. Ich denke schon heute ist mal wieder Generastreik oder ein nationaler Feiertag, aber erst als ich die bunten Schilder an den Jalousien der Geschäfte lese verstehe ich: Es ist August und damit Ferienzeit in Italien. Auf den Schildern wünscht man seinen Kunden schöne "Vacazione" und illustriert diese Aussage mit einer lachenden Sonne, die eine Sonnenbrille trägt, oder mit einem Liegestuhl an einem Strand, auf dem ein dickes Männlein schwitzt.
Selbst in der sonst so hektischen Innenstadt herrscht ein eher beschauliches Treiben und selbst hier sind einige der Läden für die nächsten Wochen geschlossen. Sieht man sonst überall wunderschöne Frauen, die auf den Laufstegen der Stadt ihr Geld verdienen, so ist auch die Modeldichte an diesen Augusttagen eher spärlich.
Galleria Vittorio Emanuele
Ich schlendere durch die berühmt Einkaufspassage "Galleria Vittorio Emanuele" und finde eine kleine Buchhandlung, die mein Interesse weckt. Erst als ich eintrete, erkenne ich, dass es sich dabei um eine auf Kunstbücher speziallisiertes Geschäft handelt, das auch gleichzeitig als Gallerie dient.
Ich bestaune einige der Bilder und finde bald das ein oder andere, dass ich gerne erwerben würde, da die Preise jedoch nicht an den Kunstwerken selbst angebracht sind, sondern an deren Stelle ein Code, mit dem man den Preis beim Verkaufspersonal erfragen muss, beschränke ich mich auf das Betrachten der Bilder und erhalte mir die Illusion irgendwann einmal Besitzer eines dieser Kunstwerke zu sein.


18:August 2007: Straßenkreuzer in Uppsala

Der nördlichste Punkt unseres Umlaufes befindet sich in Stockholm und dort werden wir heute die Nacht verbringen. Der Himmel zeigt sich fast wolkenlos, trotzdem beschließe ich ersteinmal ein paar Stunden zu schlafen um mein Schlafdefizit der letzten Tage auszugleichen.
Um 16 Uhr mache ich mich dann auf den Weg ins nahegelegene Zentrum der Stadt Uppsala, wo wir bei Stockholm-Layovern untergebracht sind.
Eine mittelalterliche Stadt, die als eine der schönsten des Landes gilt und außerdem eine der größten Universitäten Schwedens beheimatet. Entsprechend jung sind die Bewohner und entsprechend lebhaft das kulturelle Leben. Ich setze mich hier gerne an das Ufer eines kleinen Flusses, der durch die Stadt fließt und beobachte die Leute oder lese in meinem Buch. Eine Stelle, die mir besonders gefällt ist eine kleine Holzplattform, die man in den Fluß hineingebaut hat und von der man einen schönen Blick auf den Fluß und die Stadt hat.
Als ich hier sitze fallen mir die vielen amerikanischen Straßenkreuzer auf, die auf der Straße links und rechts vom Fluß auf und ab fahren. Alle sind liebevoll restauriert und deren Besitzer nebst der ganzen Familie, die sie begleitet, im Stil des Baujahrs ihres Wagens gekleidet.
Ich erinnere mich an einen Artikel, den ich vor Jahren im "Geo" über den Sommer in Schweden gelesen habe. Ich erinnere mich dort gelesen zu haben, dass der größte Traum schwedischer Männer ist, einen dieser Haifischflossen-Autos zu kaufen, zu restaurieren um dann an sonnigen Wochenenden damit zu cruisen und sich bewundern zu lassen. Schade, dass ich meine Kamera im Hotel zurückgelassen habe!


19. August 2007: Zwischen den Welten

Der Höhepunkt unserer Reise liegt, wie sich das für Höhepunkte gehört, am Ende unseres Umlaufes. Die letzte Nacht werden wir in einer der aufregendsten und größten Städte dieses Planeten verbringen, in der, wie sonst nirgendwo auf der Welt, Kulturen und Weltanschauungen aufeinanderprallen.
Die Rede ist von der Stadt, die zur Hälfte in Europa und zur anderen Hälfte in Asien liegt, die Rede ist von Istanbul.
Serenay, eine der Kolleginnen, die mich auf diesem Umlauf begleiten, ist Deutschtürkin und freute sich schon seit Tagen auf diese Stadt, denn hier ist sie als Kind aufgewachsen und hier lebt ihre Familie.
Immer wieder telefoniert sie vom Handy aus mit ihrem Vater um ihr Layover zu organisieren und sicherzustellen, dass sie möglichst viele Familienmitglieder treffen kann.
Auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel schaut sie aus dem Busfenster und immer wieder entfährt ihr ein "Wahnsinn", "Unglaublich" oder "Ich kann's kaum glauben". Serenay fliegt erst seit wenigen Monaten bei Lufthansa, hat jedoch vorher jahrelange Erfahrung bei Charter- und Regionallinien gemacht. Während einer Pause erzählt sie mir ihre Geschichte: Als Kind ist sie von Istanbul nach Deutschland gezogen, gewöhnte sich schnell ein und führte das Leben eines normalen Teenagers. Als sie Mitte 20 war und bereits für die Fluglinie Condor flog verstarb völlig unerwartet ihre Mutter an einem Herzinfarkt. Da ihre Schwester bereits eine eingene Familie hatte und der Vater längst in der Türkei lebte, war es an ihr mit ihren Teenagergeschwister zusammenzuziehen um diese aufzuziehen. Sie erzählte von der Schwierigkeit, die Fliegerei und Erziehung von zwei Teenagern miteinander zu vereinbaren, ihren Geschwistern Werte zu vermitteln und sie vor Drogen und anderen Gefahren, die auf Jugendliche lauern, zu bewaren...
Bevor wir uns für diesen Tag verabschieden, drückt sie mir noch einen Zettel in die Hand, auf dem sie schnell noch einige Tipps für mich aufgeschrieben hat. Erst unlängst hatte ich in einer Ausgabe der "Geo Saison" einen Bericht über den Istanbuler Stadtteil Beyoglu gelesen, über die trendigen Cafés, Restaurants und Gallerien. Darauf angesprochen notierte sie die Empfehlungen, die ich jetzt in der Hand hielt.
Busy sunday
Es ist Sonntag und deswegen ist die Stadt voll mit Erholungssuchenden, die den warmen Sommertag am Strand beim Grillen oder bei einem Bummel durch die Stadt genießen wollen. Ich lasse mich durch den Stadteil Beyoglu treiben, gehe hier und da in ein Geschäft und suche die Adressen, die Serenay mir aufgeschrieben hat. Es ist später Nachmittag als ich beschließe in eines der Cafés zu gehen, die zu hunderten die Straßen säumen. Ich suche mir eines aus, bei dem dem Besitzer eine perfekte Fusion von orientalischen Einflüßen und dem kühlen und klaren Designs des neuen Jahrtausends gelungen ist. Er bittet mich keine Fotos zu machen, ein Wunsch, den ich natürlich respektiere, schon alleine um die anderen Gäste nicht zu belästigen.
Ich esse einen Orangenkuchen, der in frischem Orangensaft schwimmt und herrlich fruchtig schmeckt und trinke dazu einen starken türkischen Kaffee.
Mich fasziniert der Spagat zwischen Orient und Okzident, der in dieser Stadt überall offensichtlich ist. Verschleierte Frauen, ganz in schwarze Gewänder gekleidet, laufen neben Türkinnen, die, der Jahreszeit und den Temperaturen angepasst, in durchsichtigen Sommerkleidern, ihre Reize zur Schau stellen. Die Generation der jungen, nach Westen orientierten, wohlhabenden Oberschicht und die tief religiöse und oft aus den ländlichen Regionen zugewanderten Bevölkerungsschichten leben nebeneinander, wie in Parallelwelten.

Donnerstag, 2. August 2007

Hong Kong Experience

Hong Kong harbour view
Die Nacht ist schnell hereingebrochen, hat die schwüle Hitze des Tages jedoch kaum abzukühlen vermocht. So sitzen alle Fahrgäste der "Star Ferry" bei immer noch 30°C, mehr oder weniger schwitzend, auf den Holzbänken und warten darauf, dass der Fahrtwind die ersehnte Abkühlung bringt. Ich hatte Glück und habe einen der Plätze an der zur Wasserseite offenen und nur durch ein Geländer gesicherten Seite der Fähre ergattert und kann während der Fahrt die bunt erleuchtete Skyline von Hong Kong geniessen.
Die Star Ferry ist ein Anachronismus in dieser sonst so lebhaften und quirligen Stadt in der ständig das Alte dem Neuen weichen muss. Seit mehr als 50 Jahren verkehren die grün weiß gestrichenen Boote im Hafen und Verbinden das Festland der Stadt mit Hong Kong Island, wo sich, unmittelbar an der Fährstation "Wanchai", das Hotel befindet, in dem ich immer wohne, wenn ich in der Stadt bin.
Wie die Cable Cars in San Francisco, die Bonde in Rio oder die Straßenbahnen von Lissabon, gehört die Star Ferry einfach zu Hong Kong, nicht als touristische Attraktion, sondern als beliebtes und obendrein billiges Transportmittel der Einheimischen. Eine Fahr kostet gerade einmal 22 Cent!
Star Ferry
Egal ob ich etwas am anderen Ufer zu erledigen habe oder auch nicht, eine Fahrt mit der Fähre gehört für mich, seit ich zu ersten Mal nach Hong Kong gekommen bin, einfach dazu. Manchmal fahre ich einfach nur spatzieren, beobachte das Treiben im Hafen oder Mitreisende und staune jedes Mal über die sich rasant verändernde Stadt. War vor ein paar Jahren, als ich zum ersten Mal hier war, noch das Gebäude der "Bank of China" das von überall gut sichtbare Wahrzeichen der Stadt, so versinkt dieses Hochhaus jetzt in einem Meer aus anderen Türmen aus Glas, Stahl und Beton, jeder von ihnen noch höher, noch ausgefallener. Kaum steht ein Gebäude ein paar Jahre wird es umgebaut oder gleich abgerissen und auf dem frei gewordenen Platz ein weiterer Wolkenkratzer errichtet.
Mir nimmt diese Stadt den Atem. Alle paar Minuten fliegen Hubschrauber am Fenster meines Hotelzimmers vorbei, der Hafen ähnelt bei einem Blick von dort oben eher einem Ameisenhaufen, so viele Boote und Schiffe befahren ihn kreuz und quer und scheinbar ohne System, überall sieht man Baukräne und neue Gebäude die in Himmel wachsen.
Ich stehe am Fenster im 30. Stock des Renaissance Harbour View Hotels und vergleiche den Ausblick mit dem von meinem Balkon zu Hause. Dort sehe ich in auf die alten Obstbäume in meinem Garten, dahinter auf Weiden mit Pferden und Kühen und am Horizont die Alpen, an klaren Tagen sogar die schneebedeckten Gipfel der österreichischen Geltscher. Ich freue mich auf zu Hause.