Sonntag, 25. November 2007

Deutsch als Fremdsprache

Das erste, was ich sehe als ich die Lobby des Hotels betrete, ist ein riesiger weißer Plastikweihnachtsbaum, eingezäunt von einem Plastikjägerzaun und weißen, leuchtenden Rentieren die sich im elektronischen Galopp auf und ab bewegen.
Man könnte denken ich bin gerade im vorweihnachtlichen New York angekommen, aber ich befinde mich am anderen Ende der Welt, in Tokio.
Offensichtlich wird hier dem kollektiven Weihnachtswahnsinn noch ein bisschen eher gefrönt als im Rest der Welt. Analog zur deutschen Armee, wo absurderweise Jahreszeiten befohlen wurden, ist hier offensichtlich Weihnachten befohlen.
Der Tagesablauf an meinem Ankunftstag in Tokio ist immer der gleiche: Erstmal duschen und dann ab ins Bett und die, durch den Nachtflug verpassten Stunden Schlaf nachholen. So gegen 16 Uhr wache ich normalerweise auf und begebe mich dann in den Supermarkt des nahe gelegenen Einkaufszentrums um mich für die Nacht und den Morgen zu versorgen. Der Supermarkt der französischen Kette Carrefour sprengt alle Dimensionen, die man hier aus Europa kennt. Es gibt fast nichts, was dort nicht zu haben wäre. Sogar Rolex Uhren, der Inbegriff des Luxus, werden dort an einem kleinen Stand, ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen, verkauft.
Nachdem ich mir alles, was ich brauche, aus dem Riesensortiment herausgesucht habe gehe ich gerne noch die zahlreichen Geschäfte des Einkaufs- und Outlet Centers ab.
Im Schaufenster eines Geschäftes, dass sich eingentlich auf europäische Küchenutensilien spezialisiert hat, entdecke ich einen kleinen hölzernen Leiterwagen. Darauf steht in großen Buchstaben "Spielzeugkasten" geschrieben. Ich vermute, dass es sich hierbei ebenfalls um einen Import aus Deutschland handelt, aber als ich den kleinergeschriebenen Text darunter lese, weiß ich: dieses Produkt ist "Made in Japan". "Es vermutlich tragt ängenehm" steht dort zu lesen. Hmmm, vermutlich, denke ich bei mir und während ich noch über den Tragekomfort dieser Holzkiste reflektiere, beschließe ich dieses Geschäft einer näheren Betrachtung zu unterziehen.
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Es dauert gar nicht lange ehe ich den nächsten Lacher entdecke: Ein grüner Putzlappen, der aussieht wie ein kleines Stück Kunstrasen auf dessen Verpackung zu lesen steht: "LALALA is our enjoyable cleaning items for all the women". Ja, nur Frauen ist das Privileg vorbehalten, das Glück dieser vergnüglichen Putzhilfe auszukosten! Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein, hier bin ich richtig!
Wie überall in der Welt versuchen Marketingstrategen ihre Produkte auch hier mit fremdsprachigen Slogans besser zu vermarkten. Japan ist allerdings das einzige Land, das sich hierbei bevorzugt der deutschen Sprache bedient, die im Rest der Welt als so sexy wie eine Antifußpilzsalbe angesehen wird. Zu unrecht, wie wir alle wissen!

An meinem freien Tag beschließe ich in den Stadtteil Harajuku zu fahren. Harajuku wurde durch seine Jugendkultur und seinem Nonkonformismus bekannt. In den 90er Jahren wurde immer sonntags die 6-spurige Hauptstraße entlang des weltberühmten Meiji-Schreins gesprerrt um der Jugend eine Bühne zu geben. Oft war ich hier um mir Teenager Livebands und die perfekt einstudierte Choreografie ihrer Fans oder Punks, die aussahen als ob sie gerade einem Manga Comic entsiegen waren, anzusehen.
Die Zeit der Live Musik und der Punks ist lange vorbei und längst haben die Autos die Straße zurückerobert. Lediglich ein paar Punks stehen noch am Straßenrand und lassen sich von zahlreichen Hobbyfotografen bereitwillig fotografieren. Die großen Designer Labels haben die Independend- und Second Hand Läden in die Seitenstraßen gedrängt. Ob SoHo, Schwabing oder Harajuku: Subkultur zieht die Reichen an, sie lassen sich nieder, ziehen Ihresgleichen nach und sind bald wieder unter sich und wieder auf der Suche nach dem Andersartigen, dem Besonderen.

In einem Geschäft in einer Seitenstraße entdecke ich ein T-Shirt auf dem geschrieben steht: "Vonrunktur darf kein Quallitäts Fresser sein" - Nein, das darf er wirklich nicht, dieser mir unbekannte Vonrunktur. Ein Freund von mir hat sich unlängst ein T-Shirt mit dem Satz "Kommt eine Frau zum Arzt" bedrucken lassen, worüber ich mich sehr amüsiert habe, aber ein T-Shirt mit einem völlig sinnentleerten Satz zu bedrucken, das ist hohe Kunst! Funktionierte Dadaismus nicht nach dem gleichen Prinzip?
Erst jetzt überlege ich explizid nach Produkten zu suchen, die mit, sagen wir mal, etwas ungewöhnlichem Deutsch um Käufern werben. Fündig werde ich schnell in dem, von mir vor allem wegen seiner Schreibwarenabteilung sehr geschätzten, Kaufhaus "Tokyu Hands".
Auf einem Jahresplaner lese ich dort:

"Verabredung
Ich BIN, UNCOMPROMISED-THAT
MITTEL, EINZELN
die ich ERFOLGREICH bin"

Ich muss laut loslachen, als ich das sehe. Ich ziehe die Blicke der umstehenden Kunden auf mich, die die Ursache meiner Heiterkeit ergründen wollen. Einige schauen sich um. Vielleicht hat ja soeben Vonrunktur, mit seinem unstillbaren Hunger nach Qualität, den Laden betreten!

Auf einem Taschenkalender der gleichen Marke steht:

"Die Zeit Vergeht wie im Flug
Er ist immer pünktlich"

Und auf einem weiteren Terminplaner finde ich dann meinen absoluten Favoriten:

"Steigt in Energie und in Einfluß
Tageslicht das durch die
Niederlassung der Bäme flittrig ist
Eine scorching Sonne"

Kann man es noch poetischer ausdrücken?