Montag, 30. April 2007

Chrissy

Musician
Drei Mal leuchten die Blinker des roten Kias auf als ich die funkgesteuerte Entriegelung betätige, als möchte er mir freundschaftlich zuzwinkern und mir zu verstehen geben, dass er sich auf unseren kleinen Ausflug freut. Es ist bereits 10 Uhr vorbei und der allmorgendliche Nebel ist gerade erst von der Sonne verscheucht worden, als ich aus dem Parkhaus des Marriott Hotels in Torrence fahre und auf den Highway N°1 mit Ziel Santa Monica abbiege.
In München hasse ich es mit dem Auto zu fahren und versuche mich, wenn immer möglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen, aber hier in Los Angeles macht es mir Spaß. Das obligatorische Automatikgetriebe, die defensive amerikanische Fahrweise und die extrem breiten Straßen tragen dazu bei.

Nach einer Weile sehe ich am Straßenrand eine Werbetafel, auf der man junge Soldaten in dunkelblauen Uniformen und weißen Mützen sieht, die in Reih und Glied stehend ihr Gewehr präsentieren. Darunter steht "For the Honour, for the Country - Join the Marines". Bei uns hieß das vor fast 70 Jahren "Für Führer, Volk und Vaterland" und hat Millionen das Leben gekostet. Ob hier derart platte Dummheiten junge Menschen noch dazu animieren in die Armee einzutreten darf bezweifelt werden, denn die amerikanischen Streitkräfte klagen, seit dem nicht enden wollenden Irakkrieg, über akuten Nachwuchsmangel, der nur mit der Mobilisierung der Nationalgarde ausgeglichen werden konnte.

Nach einer Stunde Fahrzeit, immer in Nähe des Pazifiks, komme ich in Santa Monica an. Oft komme ich hier her, wenn ich in Los Angeles bin. Es gibt viele Straßencafés, in Amerika eher eine Seltenheit, die zum Verweilen und Leute beobachten einladen, es gibt immer etwas zu sehen. Da Samstag ist, sind viele Menschen unterwegs, auf dem Weg zum Strand, in den Vergnügungspark auf dem Santa Monica Pier oder einfach nur zum Shoppen.
In der Fußgängerzone haben sich Artisten, Breakdancer und Straßenmusiker eingefunden um vom Ansturm der Erholungssuchenden zu profitieren. Immer wieder überrascht mich die Qualität der Musiker, die abends in den Restaurants oder einfach nur auf der Straße spielen. Woanders wären sie vielleicht gefeierte Stars, hier müssen sie sich mit ihrer Kunst mühsam über Wasser halten.
Chrissy
Eine junge Frau fällt mir besonders auf. Sie hat sich an der Ecke einer befahrenen Straße positioniert und spielt und singt gegen den Verkehr an. Ich beobachte sie eine Weile von der gegenüberliegenden Straßenseite, schraube das Teleojektiv auf meine Kamera und mache so unbemerkt ein paar Fotos von ihr. Sie singt sehr gefühlvoll Balladen und begleitet sich mit der Gitarre. Passanten beachten sie kaum, nur ab und zu legt jemand im Vorbeigehen einen Dollar in ihren Gitarrenkoffer, fast verstohlen, als müsse man sich dafür schämen.
Als ich näher komme sehe ich, dass sie eine CD mit ihren Liedern für 5 Dollar verkauft. Da mich ihre Musik berührt und 5 Dollar gerade mal der Preis für einen Kaffee ist lege ich ihr das Geld in ihren Koffer und nehme mir eine CD vom Stapel. Sie ist ganz offensichtlich selbst gebrannt und als ich die Hülle öffne steht mit Filzstift "Chrissy" darauf geschrieben und daneben ein gemaltes Herz.
In einer Pause spreche ich Chrissy an und zeige ihr die Fotos, die ich vorher von ihr gemacht habe. Als sie mir ihre Email Adresse aufschreibt, damit ich ihr die Fotos schicken kann, sehe ich, dass die Gitarrensaiten vom jahrelangen Spielen tiefe Furchen in ihren Fingerkuppen hinterlassen haben.
Stunden später, der Nebel ist längst zurückgekommen und der Wind bläst kalte Luft vom Ozean in die Straßen, sehe ich sie, an einer anderen Stelle, immer noch spielen. Passanten hasten mit vollen Tüten an ihr vorbei, nur ab und zu legt jemand einen Dollar in ihren Gitarrenkoffer. Das Leben als Straßenmusiker ist schwer.

Samstag, 14. April 2007

Anwiggerln

Summer finally
Es ist eine Tradition, die ich seit ein paar Jahren mit meinem Bruder pflege. Am ersten wirklich schönen Sommertag des Jahres gehen wir gemeinsam zum Schwimmen. Nicht irgendwo hin, sondern immer an die gleiche Stelle am Ostufer des Starnberger Sees. Hier hat man alles, was einen schönen Tag am See ausmacht: Den ganzen Tag Sonne satt, ein herrliches Alpenpanorama mit Blick auf die Zugspitze, kristallklares Wasser und ein flaches, sandiges Ufer.
Nicht weit entfernt unseres Badeplatzes befindet sich ein kleiner Campingplatz, der ausschließlich von Dauergästen bewohnt wird, viele von ihnen kommen bestimmt schon seit Generationen hier her. Man kennt sich!
Einer der kleinen Wege, die die Wohnwagen miteinander verbinden, wurde etwas großspurig "Wiggerl-Niedermeyer-Allee" genannt, wahrscheinlich nach einem Camper Original, der guten Seele des Campingplatzes, dem Wiggerl halt.
Beim ersten Mal hat mich der Anblick des Straßenschildes an diesem kleinen Schotterweg sehr belustigt. Den Namen Wiggerl, wohl eine Kurzform von Ludwig, und die Tatsache aus einem Weg, auf dem selbst zwei Personen Schwierigkeiten haben aneinander vorbeizugehen, eine Allee zu machen, fand ich einfach zu komisch.
Schnell wurde aus dem ersten Baden des Jahres, dem "Anbaden", das "Anwiggerln", einem Besuch während des Sommers das "Wiggerln" und dem letzten Besuch des Jahres das "Abwiggerln". Vom An- beziehungsweise Abwiggerln wird also unser Sommer begrenzt.

Heute, am 14. April, war es nun also endlich wieder so weit: Zeit zum Anwiggerln!
Etwa um 13 Uhr furhen wir auf den kleinen Parkplatz, der von einer älteren Dame von morgens bis abends bewacht wird. Man muss sich gut stellen mit ihr, denn ich habe sie einmal im Streit mit einem Parker, wohl ein Parkgebührenpreller, erlebt und seitdem habe ich angst vor ihr. Also schon beim Einfahren ein kleiner Scherz, wenn man zum See geht ein kleiner Small Talk und beim Ausfahren am Abend nochmal kurz gewunken. Freudlich geht sich's eh besser durchs Leben.

Nach guter alter Tradition bauen wir, natürlich immer an der gleichen Stelle, in unmittelbarer Nähe des Ufers, unsere beiden Stühle auf und lassen uns nieder. Dann wird geredet, wir lesen uns gegenseitig besonders lesenswerte oder lustige Passagen aus den Büchern vor, die wir zwar jedesmal mitnehmen, obwohl wir nur selten zum Lesen kommen, mustern vorwiegend die weiblichen Badegäste, vergeben Noten, solange, bis wir es vor Hitze kaum noch aushalten und wir endlich in den See gehen müssen.
Die Regeln zum An- beziehuingsweise Abwiggerln besagen übrigens, dass der Körper mindestens bis über die Schultern im Wasser gewesen sein muss. Schwimmbewegungen sind laut Reglement ebensowenig erforderlich wie der Verbleib des Badenden für eine bestimmte Zeitspanne.
In silver water
Wie jedes Jahr ist das erste Mal vor allen Dingen eins: Eine große Überwindung! Das Wasser des Sees, teilweise vom Schmelzwasser der nahen Alpen gespeist, hat kaum mehr als 13°C. Schon nach den ersten Schritten schmerzen die Füße und man muss sich sehr beeilen die flache Uferpassage zu verlassen um endlich die Schultern mit Wasser bedecken zu können. Dann nichts wie raus und wieder braten in der Sonne.

Ich freue mich offiziell verkünden zu können: Es ist angewiggerlt!

Einen schönen Sommer noch.

Donnerstag, 12. April 2007

In meiner Welt

There they are again...
Der Frühling ist da, fast könnte man meinen es wäre gleich Sommer geworden, so warm ist es bereits in den letzten Tagen gewesen. Für mich und mein Mountainbike heißt das, dass die Zeit der Spinningstunden im Winter nun der Freiluftsaison weicht. Dieses Jahr habe ich meinem Fahrrad eine neue Federgabel gegönnt: arretierbar, öldruckgefedert, 130 mm Federweg, superkomfortabel! So zieht es mich nun wieder Tag um Tag nach draußen auf meine Lieblingswege im Freisinger Süden.
In guter alter Tradition kehre ich immer auf dem Rückweg, kurz vor Erreichen meiner Wohnung, in Haimhausen in einer Bäckerei ein, deren Name ich nicht einmal kenne, in der es jedoch noch gutes altes Handwerk gibt und nicht nur industriell vorgefertigte und kurz aufgebackene Teiglinge.
Ich versorge mich dort nochmal mit einem Kuchenstückchen oder einer (herrlich weichen, köstlichen, vor Mohn strotzenden) Schnecke, als Belohnung für die Anstrengung und Energielieferant für die letzten Kilometer. So auch gestern. In der Bäckerei entspann sich folgender Dialog zwischen der etwa 80jährigen Seniorchefin und mir:
Ich: "Eine Mohnschnecke und ein Sojakrusterl bitte."
Bäckerin: "Warn's radeln."
Ich: "Bei dem Wetter muss man ja raus."
Bäckerin: "Ja genau, s'is scho Sommer gell? Meine Buben san a weg m'im Radl. I hab' g'sagt geht's doch raus, bei dem Wedda, i bin ja do. Die müssen eh mal an'd frische Luft, wo's doch allerweil in der Backstubn san, mit dem ganzen Staub da. Wo san's denn g'fahrn?"
Ich erkläre meine etwa 50 Kilometer lange Route
Bäckerin: "Ja wos, so weit? Da hamm's sicher Hunger jetzt?"
Ich: "Na ja, kann schon was vertragen."
Bäckerin: "Da schenk i eana no a Laugensemmel. Die san guat, müssen's amal probieren."
...
Ich verlasse die Bäckerei und verspeise meine Mohnschnecke noch vor dem Geschäft in der Sonne sitztend. Mein Sojakrusterl und meine Laugensemmel verstaue ich in der Rückentasche meiner Radjacke und sehe jetzt aus wie ein Buckliger auf dem Fahrrad, der Quasimodo der Mountainbiker sozusagen.
Am Abend verspeise ich beide Backwaren zusammen mit einem Tomatensalat. Das Laugenbrötchen war hervorragend. Vielen Dank!

Mittwoch, 11. April 2007

Mit Jan und Pipi in Sao Paulo

Ich bin froh, nach 12 Stunden Flug und der einstündigen Busfahrt in unser Hotel, endlich die Tür meines Zimmers hinter mir zugezogen zu haben. Endlich abschalten! Gerade habe ich mich für die Nacht in Boxershorts und T-Shirt umgezogen als es an der Tür klingelt und eine Stimme "Roomservice" ruft. Ich überlege noch, ob ich überhaupt antworten soll als es erneut klingelt. Ich öffne und vor mir steht ein freundlich lächelnder Hotelangestellter, der auf seinem angewinkelten Arm ein riesiges, silbernes Tablett trägt. "Eu nao pedi nada", versuche ich klarzustellen, dass ich gar keine Bestellung aufgegeben habe. Er lächelt immer noch und sagt, dass er ein Geschenk für mich habe und überreicht mir ein Schokoladenosterei von der Größe eines Kinderkopfes, in Klarsichtfolie verpackt und mit einer hübschen Samtschleife verschlossen. "Eu espero, que goste de chocolate" (Ich hoffe Sie mögen Schockolade), fragt er mich mit seinem Zahnpastalächeln und wünscht mir "bom descanso" - eine gute Nacht.
Ich freue mich über diese Aufmerksamkeit des Hotels und staune über die enorme Größe und das Gewicht meines Geschenkes. Später stellt sich heraus, dass das Gewicht von den Pralinen kommt, die im Inneren des Eis, sozusagen als Überraschung in der Überraschung, versteckt sind.

Am nächsten Morgen wache ich aus einem tiefen und traumlosen Schlaf auf und blicke auf einen wolkenverhangenen Himmel. Keine Stadt sieht bei Regen wirklich gut aus, aber Sao Paulo deprimiert besonders, mit seiner Beton-Asphalt Architektur. Noch regnet es nicht und außerdem ist es warm, also Frühstück auf der Terrasse der Bar "Upstairs", in der das Hyatt exklusiv für die vielen Lufthansa Crews, die das Hotel bewohnen, ein äußerst günstiges und sehr gutes Frühstücksbuffet aufgebaut hat. Man trifft hier immer Kollegen, die man vielleicht schon lange nicht mehr gesehen hat und kann bei netten Gesprächen und echtem brasilianischen "café com leite" stundenlang schlemmen. Was für eine nette Geste und was für ein nettes Hotel. Wir sind in Brasilien!
Später möchte ich mich mit meiner Freundin Andrea Nishiyama treffen, aber da sie, selbst Flugbegleiterin bei der braslilianischen Gesellschaft TAM, erst heute morgen aus London gekommen ist möchte ich ihr ein paar Stunden Ruhe gönnen. So beschließe ich zurück auf mein Zimmer zu gehen und in meinem Buch "In meinem kleinen Land" weiterzulesen. Ich nehme auf dem Ohrensessel am Fenster meines modern eingerichteten Zimmers platz und fange an zu lesen. Mittlerweile entläd sich das Gewitter, das schon den ganzen Morgen seine dunklen Wolken über uns geschickt hat mit heftigen Regengüssen. So muss man wenigstens kein schlechtes Gewissen haben, die Zeit nicht draußen zu verbringen.
My current lecture
Jan Weilers "In meinem kleinen Land" ist das Geschenk meiner lieben Freundin und Kollegin Petra, der ich unlängst ein paar Tipps zur Vorbereitung auf die Bewerbung einer Purserstelle gegeben habe. Im Laufe dieses Abends in einem Münchner Cafés am Hofgarten redeten wir auch über Bücher, die uns in letzter Zeit besonders gefallen haben. Unabhängig voneinander hatten wir "Maria, ihm schmeckt's nicht" in unserer persönlichen Bestenliste. Mir hatte ein befreundeter Kollege das Buch mit dem Vermerk "unbedingt lesen" in mein Dienstpostfach gelegt, wo ich es fand, als ich auf eine 5 Tagestour ging. Unser erster Stopp dieser Tour war Madrid und ich fing abends in meinem Hotelbett an zu lesen. In den folgenden Stunden wurde ich mehrmals von so heftigen Lachattacken geschüttelt, dass ich schon befürchtete mein Zimmernachbar könnte sich über mich beschweren. Als ich meine Lektüre wieder aus der Hand legte war es bereits 6 Uhr morgens und das Buch ausgelesen.
Zwei Tage nach unserem Treffen fand ich ein Päckchen von Petra in meinem Briefkasten, darin zwei Bücher, eins davon "In meinem kleinen Land" von Jan Weiler, dem Autor von "Maria, ihm schmeckt's nicht" und eine Pippi Langstrumpf Karte, die mir jetzt als Lesezeichen dient. "Neun Monate Deutschland" überschreibt der Autor auf dem Klappentext, seine Erfahrungen einer Leserreise, die ihn in unzählige Städte und Städtchen unserer Republik geführt hat. Neun Monate Deutschland - das hört sich fast nach Gefängnisstrafe an ist jedoch eher eine humorvolle Liebeserklärung an unser Land und meine Lektüre für diesen regnerischen Ostersonntag.

Sonntag, 1. April 2007

Ein Wochenende in San Francisco

Ich muss etwa 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein, als mir die Stadt in der Krimiserie "Die Straßen von San Francisco" mit dem jugendlichen Michael Douglas und Carl Malden in den Hauptrollen, zum ersten Mal "begegnete". Die Lage am Meer, die hügeligen Straßen, die damals schon antik anmutenden Cable Cars und Kalifornien, damals der Teenagertraum von einem unerreichbar fernen Land, in dem immer die Sonne scheint und es niemals schneit, haben mich seither in ihren Bann gezogen.
Driving home
Später, es war der Sommer 1992, machte ich mit meinem Bruder eine Reise mit einem Mustang Cabriolet, ein zur Realität gewordenes Roadmovie, durch Kalifornien und kam dabei zum ersten Mal nach San Francisco. Ich erinnere mich noch genau, wie wir, mit offenem Verdeck, über die Golden Gate Brücke in die Stadt fuhren und wie mein Bruder, der San Francisco schon von einigen Layovern her kannte, mir die Highlights zeigte. Noch heute, immer wenn ich hier bin, erinnere ich mich daran, wie wir gemeinsam die berühmten Serpentinen der Lombard Street herunterfuhren, durch Fisherman's Wharf schlenderten und mit der Straßenbahn die Stadt erkundeten.

Es sind gut 2 Jahre her, seit ich zum letzen Mal hier war und so beschließe ich in der Stadt zu bleiben und ein bisschen durch die Straßen zu schlendern.
Bald finde ich mich in Chinatown, dem bekannten chinesischen Stadtteil, wieder. War man gerade noch in Amerika und ging an den typischen, schmucken, kleinen Apartmenthäusern vorbei, wähnt man sich nun in einer anderen Welt. Die Geschäfte bieten ein breites Spektrum chinesischer Waren an. Neben feinster Jade für mehrere tausend Dollar, wird billige Massenware aus dem Reich der Mitte feilgeboten. Auf den Straßen sieht man alte Chinesen, die gebeugt an einem Stock gehend, die steilen Straßen erklimmen, neben Touristen. Restaurants bieten Schweinefleisch süß-sauer und andere chinesische Spezialitäten an. Die Gerüche erinnern an Shanghai.
Entstanden ist Chinatown zur Zeit des Kalifornischen "Gold Rush", als große Goldfunde tausende von Desperados nach Westen lockten auf der Suche nach dem schnellen Glück. Es wurden Eisenbahnlinien gebaut, die den Westen mit dem Rest des Landes verbanden. Dazu brauchte man billige Arbeitskräfte und die kamen aus China. Gedemütigt, misshandelt, ghettoisiert und eingeschüchtert träumten sie damals von einer Rückkehr in ihre Heimat als wohlhabende Leute. San Francisco, damals nicht die schicke reiche Küstenstadt von heute, sondern ein Dreckloch aus Bretterbuden und unbefestigten, schlammigen Straßen, sollte ihre Heimat werden.
Obwohl die Nachfahren der Eisenbahnarbeiter längst amerikanische Staatsbürger geworden sind und die meisten es zu Wohlstand gebracht haben, sind sie in erster Linie immer noch Chinesen. Davon zeugen chinesische und taiwanesische Flaggen, die überall einträchtig und stolz auf den Dächern wehen.
Coit Tower
Von Chinatown gehe ich weiter an der Transamerica Pyramid vorbei in Richtung Coit Tower, einem Aussichtsturm, hübsch auf einem der Hügel, dem Telegraph Hill, gelegen, von dem man die ganze Stadt überblicken kann. Auf der Grünfläche davor beobachte ich eine Gruppe junger Leute, bei ihren waghalsigen Capoeira Übungen, bevor ich den Aufzug auf die Turmspitze nehme.
Capoeira
Das Wetter ist herrlich, nicht ein Wölkchen trübt den Himmel und überall versprühen Blüten ihren süßlichen Duft. Es riecht nach Sommer!
Der Ausblick ist wirklich spektakulär! Von hier oben kann man die gesamte Buch überblicken, sieht die Hochhäuser von Downtown, die Golden Gate Brücke auf der einen und die Bay Bridge auf der anderen Seite, die Gefängnisinsel Alcatraz und Sausalito auf der anderen Seite der Bucht.
Ich verweile ein wenig, genieße die Aussicht und setzte meinen Spaziergang fort, der mich noch bis zu der, etwa 10 Kilometer entfernten, Golden Gate Brücke bringen soll.

Mein nächstes Ziel ist Fisherman's Wharf, ein Vergnügungspark für Touristen, der im ehemaligen Hafen auf die alten Piers gebaut wurde. Hunderte von Geschäften, Restaurants, ein Aquarium und Ausflugsboote ziehen täglich tausende von Touristen an. Ich lasse mich von der Menge treiben, kaufe mir einen kleinen Snack und beobachte bei dessen Verzehr die Menschen.
Ein Besuch von Fisherman's Wharf wäre nicht komplett, wenn man nicht noch einen Abstecher zu den Seelöwen gemacht hätte, die sich in Mitten des Touristenrummels, auf, eigens für sie im Wasser installierten, Plattformen sonnen und die ihnen entgegengebrachte Aufmerksamkeit sichtlich genießen.

Nun gehe ich immer an der Küste entlang in Richtung Golden Gate, der Stelle, die die Bucht vom offenen Pazifik trennt. Es ist Samstag und überall sind Menschen, die ihren Wochenendvergnügungen nachgehen. Auf einer Wiese findet ein Fußballturnier kleiner Mädchen statt, die von ihren stolzen Eltern angefeuert werden, ein wenig weiter werden Lenkdrachen von wahren Meistern ihres Faches steigen gelassen, die in der Luft die unglaublichsten Manöver vollführen und wieder ein Stück weiter kann man Kite- und Windsurfer beobachten, die von dem starken Wind, in atemberaubender Geschwindigkeit, über das Wasser gepeitscht werden.
Flying
Als ich am Fuß der Golden Gate Brücke angekommen bin, bin ich müde und vom Seewind ausgekühlt. Ich sitze noch ein paar Minuten am Wasser beobachte von unten den Verkehr auf der Brücke und versetzte mich in meinen Gedanken in die Zeit ihrer Entstehung zurück, in der man noch alle Grenzen für überschreitbar hielt.