Freitag, 28. Dezember 2007

x-mas in LA

Venice Beach
Das Einkaufszentrum ist gerammelt voll, selbst für einen Kaffee muss ich 20 Minuten Schlange stehen. Es sind nur noch 2 Tage bis Weihnachten und das Geld sitzt locker in Los Angeles. Aus allen Lautsprechern quäken permanent Weihnachtslieder, sogar auf dem Parkplatz wird man akustisch bereits auf das bevorstehende Kauferlebnis eingestimmt.
Gegen 16 Uhr waren wir in unserem Hotel im Stadtteil Torrence angekommen und die letzten Stunden vor dem zu Bett gehen verbringe ich gerne in der "Delamo Fashion Mall", die sich direkt gegenüber unseres Hotels befindet. Bei Starbucks einen Kaffee im Pappbecher holen und sich nach Schnäppchen umschauen. Der günstige Wechselkurs macht die USA derzeit zu einem Shoppingparadies.
Einige Kollegen haben das Angebot wahrgenommen ihre Ehe- und Lebenspartner über die Feiertage mitzunehmen und alle freuen sich auf einen zusätzlichen freien Tag im sommerlichen Süden Kaliforniens.

Am nächsten Tag trifft man sich beim Frühstück und später am Stand des Autovermieters Hertz, der sich direkt im Hotel befindet und uns Sonderkonditionen auf die eh schon günstige Preise einräumt. Gerade einmal 30 US$, umgerechnet etwa 20 € bezahle ich pro Tag für den Wagen. Der gewünschte Kleinwagen ist nicht verfügbar und so wird mir ein kostenloses Upgrade auf einen Ford Fusion angeboten.
Als ich aus dem Hoteleingang trete steht er schon rot glänzend für mich bereit. Ein wahres Schiff, denke ich bei mir, eine Familienkutsche. Aber sowie ich die ersten Meter fahre stelle ich fest, dass ich diesmal eine echte Rakete bekommen habe. Erst als ich das Auto zum ersten Mal an diesem Tag abstelle sehe ich den dezenten Hinweis "V8" hinter dem verchromten Namenszug am Kofferraum.
Meine Fahrt soll mich nach Laguna Beach führen, ein kleiner Badeort im Süden von LA, den ich schon einmal, vor 16 Jahren besucht habe, als ich zusammen mit meinem Bruder, eine legendäre Reise in einem Mustang Cabriolet entlang des Highway #1 unternommen habe.
Wir verbrachten die letzten Tage vor unserem Abflug hier und hier kaufte ich mein erstes Mountainbike, das mir jahrelang gute Dienste erwiesen hat und mir irgendwann einmal aus dem Keller meiner Freisinger Wohnung gestohlen wurde.

Los Angeles ist von allen amerikanischen Städten mein Favorit. Ich mag die palmenbesäumten, breiten Straßen und die niedrigen Häuschen, die vielen Strände und die Alternativkultur von Venice Beach und Santa Monica. Mir gefällt das Lebensgefühl in dieser Stadt.
Venice Art Museum
Die Orientierung hier ist, durch den Ozean und die nahe gelegenen Berge denkbar einfach und nach einem kurzen Blick auf die Karte fahre ich los, in Richtung Süden, immer am Pazifik entlang. Das Fenster ist offen und schnell suche ich nach einem Radiosender mit dem passenden Soundtrack für meine Fahrt. Nicht ganz einfach, wie sich herausstellt, denn so kurz vor den Festtagen laufen die gängigen Weihnachtshits auf fast allen Stationen rauf und runter.
Vorbei an den Hafen- und Industrieanlagen des wenig mondänen Stadtteils Long Beach verlasse ich die Stadt und komme bald in deutlich wohlhabendere Vororte. Als ich durch Newport Beach komme sehe ich einen Wegweiser "Fashion Island Mall" und beschließe einen kurzen Stopp einzulegen um den Millionären bei ihren Weihnachtseinkäufen zuzusehen. Schon auf dem Parkplatz bekomme ich einen Eindruck von der Finanzkraft der Newporter. Alleine zwei Lamborghini Counttach stehen in unmittelbarer Nähe meines Wagens, dazu zahllose Karossen europäischer Luxusmarken. Die Geschäfte des wie ein kleines Dorf gestallteten Einkaufszentrums, verkaufen ausnahmslos Luxusartikel, die Menschen die dort einkaufen sind jedoch genauso legère gekleidet wie ich, so dass ich überhaupt nicht auffalle.
Im Schaufenster einer Gallerie sehe ich einen Picasso und einen Miró. Das erregt mein Interesse und ich trete ein. Erst jetzt erkenne ich das es sich um signierte Drucke in einer Auflage zwischen 50 und 75 Stück handelt. Mir fällt der Spruch eines Galleristen wieder ein, der einmal sagte: "Picasso hat etwa 500 Bilder gemalt, alleine 750 davon befinden sich in den USA".
Bald habe ich den Manager der Gallerie an meiner Seite, der mir überaus freundlich und ohne jeden Dünkel seine Kunstwerke zeigt. Eines davon, ein großer Druck von Joan Miró, gefällt mir besonders. Michael, der Manager, sagt mir, dass er selbst eine kleine Sammlung von Mirós sein Eigen nennt und schon daran gedacht hat auch dieses Bild zu erwerben. Der Preis beträgt 58.000 US$ - ein wahres Schnäppchen. Ich sage ihm ich würde meiner Frau die Entscheidung überlassen, denn schließlich hätte sie das Haus in der Toskana gefunden und sich solche Mühe gegeben es einzurichten.

Nach wenigen Meilen Fahrt und 50 gefühlten "White Christmas" aus dem Radio erreiche ich Laguna Beach. Sofort fallen mir zwei Vespas Super 150 auf, die vor genau dem Fahrradladen stehen, in dem ich vor 16 Jahren mein Mountainbike gekauft habe. Ich halte an und erkundige mich nach dem Preis der beiden hervorragend restaurierten Oldtimer. 3.800 US$ sind ein fairer Preis, aber der Gedanke an die Überführung und die Kosten für Zoll und Steuern lassen den spontanen Kaufimpuls gleich wieder verschwinden. Außerdem fehlt mir einfach die Zeit zum Rollerfahren, schließlich möchte ich im Sommer ein Rennrad anschaffen!
Tattoo shop
Bei einem kleinen Spaziergang am Strand sehe ich einen Mann der die Schnur eines Drachen in der Hand hält, den Drachen jedoch sehe ich erst nach längerer Suche als winzigen Punkt am Himmel. Ich frage nach der Größe des Drachens (er zeigt mit seinen Armen eine beachtliche Größe) und der Länge der Schnur. Etwa 5 Minuten hat er die Schnur jetzt laufen lassen und weitere 5 Minuten hat er noch auf seiner Rolle, aber dann würde der Drachen aus unserem Blick verschwinden. Er sagt ich solle die Nylonschnur doch einmal anfassen und als ich es tue merke ich dass sie zum Zerreißen gespannt ist, so sehr zieht der Drachen daran.

Die kleinen Kunstgallerien, die sich links und rechts der Uferpromenade aneinanderreihen, sind mir von damals noch gut in Erinnerung geblieben. Ich erinnere mich damals ein kleines Ölbild einer Berglandschaft zu einem günstigen Preis gefunden und mich lange darüber geärgert zu haben, dass ich es damals nicht gekauft habe. Ich schlendere also von einer Gallerie zur anderen und finde schließlich diejenige wieder, in der ich damals das Bild gesehen habe.
Auch heute noch verkauft der Gallerist ausschließlich Impressionisten aus dem Süden Kaliforniens. Ein kleines Ölbild, ein Stilleben der Künstlerin Kathleen Robison, gefällt mir besonders und da der Preis im Vergleich zu den Bildern der Nachbargallerie, die bis zu 350.000 US$ kosten sollen, mein Budget nicht sprengt, werden wir uns nach einigem Verhandeln einig.

Auf dem Rückweg tauch die untergehende Sonne den Pazifischen Ozean in unnatürliche orange, rot und rosatöne. Viele Menschen halten an um sich von dem Farbenspiel verzaubern zu lassen, doch ich möchte nicht zu spät zu meiner Verabredung mit meinem Freund und Kollegen Dominik und seiner Frau kommen und so gleite ich auf dem Pacific Highway entlang, der untergehenden Sonne entgegen.

Sonntag, 25. November 2007

Deutsch als Fremdsprache

Das erste, was ich sehe als ich die Lobby des Hotels betrete, ist ein riesiger weißer Plastikweihnachtsbaum, eingezäunt von einem Plastikjägerzaun und weißen, leuchtenden Rentieren die sich im elektronischen Galopp auf und ab bewegen.
Man könnte denken ich bin gerade im vorweihnachtlichen New York angekommen, aber ich befinde mich am anderen Ende der Welt, in Tokio.
Offensichtlich wird hier dem kollektiven Weihnachtswahnsinn noch ein bisschen eher gefrönt als im Rest der Welt. Analog zur deutschen Armee, wo absurderweise Jahreszeiten befohlen wurden, ist hier offensichtlich Weihnachten befohlen.
Der Tagesablauf an meinem Ankunftstag in Tokio ist immer der gleiche: Erstmal duschen und dann ab ins Bett und die, durch den Nachtflug verpassten Stunden Schlaf nachholen. So gegen 16 Uhr wache ich normalerweise auf und begebe mich dann in den Supermarkt des nahe gelegenen Einkaufszentrums um mich für die Nacht und den Morgen zu versorgen. Der Supermarkt der französischen Kette Carrefour sprengt alle Dimensionen, die man hier aus Europa kennt. Es gibt fast nichts, was dort nicht zu haben wäre. Sogar Rolex Uhren, der Inbegriff des Luxus, werden dort an einem kleinen Stand, ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen, verkauft.
Nachdem ich mir alles, was ich brauche, aus dem Riesensortiment herausgesucht habe gehe ich gerne noch die zahlreichen Geschäfte des Einkaufs- und Outlet Centers ab.
Im Schaufenster eines Geschäftes, dass sich eingentlich auf europäische Küchenutensilien spezialisiert hat, entdecke ich einen kleinen hölzernen Leiterwagen. Darauf steht in großen Buchstaben "Spielzeugkasten" geschrieben. Ich vermute, dass es sich hierbei ebenfalls um einen Import aus Deutschland handelt, aber als ich den kleinergeschriebenen Text darunter lese, weiß ich: dieses Produkt ist "Made in Japan". "Es vermutlich tragt ängenehm" steht dort zu lesen. Hmmm, vermutlich, denke ich bei mir und während ich noch über den Tragekomfort dieser Holzkiste reflektiere, beschließe ich dieses Geschäft einer näheren Betrachtung zu unterziehen.
DSC00101
Es dauert gar nicht lange ehe ich den nächsten Lacher entdecke: Ein grüner Putzlappen, der aussieht wie ein kleines Stück Kunstrasen auf dessen Verpackung zu lesen steht: "LALALA is our enjoyable cleaning items for all the women". Ja, nur Frauen ist das Privileg vorbehalten, das Glück dieser vergnüglichen Putzhilfe auszukosten! Hier scheint die Welt noch in Ordnung zu sein, hier bin ich richtig!
Wie überall in der Welt versuchen Marketingstrategen ihre Produkte auch hier mit fremdsprachigen Slogans besser zu vermarkten. Japan ist allerdings das einzige Land, das sich hierbei bevorzugt der deutschen Sprache bedient, die im Rest der Welt als so sexy wie eine Antifußpilzsalbe angesehen wird. Zu unrecht, wie wir alle wissen!

An meinem freien Tag beschließe ich in den Stadtteil Harajuku zu fahren. Harajuku wurde durch seine Jugendkultur und seinem Nonkonformismus bekannt. In den 90er Jahren wurde immer sonntags die 6-spurige Hauptstraße entlang des weltberühmten Meiji-Schreins gesprerrt um der Jugend eine Bühne zu geben. Oft war ich hier um mir Teenager Livebands und die perfekt einstudierte Choreografie ihrer Fans oder Punks, die aussahen als ob sie gerade einem Manga Comic entsiegen waren, anzusehen.
Die Zeit der Live Musik und der Punks ist lange vorbei und längst haben die Autos die Straße zurückerobert. Lediglich ein paar Punks stehen noch am Straßenrand und lassen sich von zahlreichen Hobbyfotografen bereitwillig fotografieren. Die großen Designer Labels haben die Independend- und Second Hand Läden in die Seitenstraßen gedrängt. Ob SoHo, Schwabing oder Harajuku: Subkultur zieht die Reichen an, sie lassen sich nieder, ziehen Ihresgleichen nach und sind bald wieder unter sich und wieder auf der Suche nach dem Andersartigen, dem Besonderen.

In einem Geschäft in einer Seitenstraße entdecke ich ein T-Shirt auf dem geschrieben steht: "Vonrunktur darf kein Quallitäts Fresser sein" - Nein, das darf er wirklich nicht, dieser mir unbekannte Vonrunktur. Ein Freund von mir hat sich unlängst ein T-Shirt mit dem Satz "Kommt eine Frau zum Arzt" bedrucken lassen, worüber ich mich sehr amüsiert habe, aber ein T-Shirt mit einem völlig sinnentleerten Satz zu bedrucken, das ist hohe Kunst! Funktionierte Dadaismus nicht nach dem gleichen Prinzip?
Erst jetzt überlege ich explizid nach Produkten zu suchen, die mit, sagen wir mal, etwas ungewöhnlichem Deutsch um Käufern werben. Fündig werde ich schnell in dem, von mir vor allem wegen seiner Schreibwarenabteilung sehr geschätzten, Kaufhaus "Tokyu Hands".
Auf einem Jahresplaner lese ich dort:

"Verabredung
Ich BIN, UNCOMPROMISED-THAT
MITTEL, EINZELN
die ich ERFOLGREICH bin"

Ich muss laut loslachen, als ich das sehe. Ich ziehe die Blicke der umstehenden Kunden auf mich, die die Ursache meiner Heiterkeit ergründen wollen. Einige schauen sich um. Vielleicht hat ja soeben Vonrunktur, mit seinem unstillbaren Hunger nach Qualität, den Laden betreten!

Auf einem Taschenkalender der gleichen Marke steht:

"Die Zeit Vergeht wie im Flug
Er ist immer pünktlich"

Und auf einem weiteren Terminplaner finde ich dann meinen absoluten Favoriten:

"Steigt in Energie und in Einfluß
Tageslicht das durch die
Niederlassung der Bäme flittrig ist
Eine scorching Sonne"

Kann man es noch poetischer ausdrücken?

Donnerstag, 18. Oktober 2007

Auf's Dach gestiegen

Gestern war wohl der letzte warme Tag des diesjährigen Herbstes. Einerseits ist meine Freundin Andrea aus Brasilien gerade in der Stadt und wir hatten schon vor ein paar Tagen beschlossen irgendwas "cooles" miteinander zu machen, andererseits wollte ich mich vom Sommer/Herbst, in Dankbarkeit für die vielen schönen Tage am See oder im Sattel meines Fahrrades, die er mir beschert hat, verabschieden.
Wir beschlossen einen Ausflug zu machen, den ich schon lange machen wollte und für den sich in diesem Jahr wahrscheinlich die letzte Gelegenheit bot: Eine geführte Tour auf das Zeltdach des Münchner Olympiastadions.
Vor ein paar Monaten habe ich im Bayrischen Rundfunk eine Reportage über diese ungewöhnliche Besichtigung des Stadions gesehen und damals beschlossen daran einmal teilzunehmen.
Roof Walker
Gegen 14:00 Uhr fanden wir uns am nördlichen Eingang des Olympiastadions ein, wo die vorbestellten Karten für uns bereit lagen. Schnell wuchs die Gruppe der Dachwanderer auf eine Größe von 13 Personen an und wurde pünktlich um 14:30 von unseren Führern abgeholt. Es folgte eine Einweisung in die Benutzung der Bergsteigerausrüstung, denn auf dem Dach herrscht Sicherungspflicht und man ist während der ganzen Zeit mittels Seil, Karabinerhaken und Geschirr mit einem Sicherungsseil auf dem Dach verbunden, und ein Film, original aus den 70er Jahren, wie uns unser Führer wissen lässt, in dem über den Bau und die Schwierigkeiten, die bei der Konstruktion des Zeltdaches aufgetreten sind, informiert wird.
Da man damals keine Computerprogramme kannte, die die Konstruktion eines solchen Bauwerks hätte simulieren und die Statik errechnen können, war man ausschließlich auf Modelle angewiesen.
Das erste Modell, mit dem sich der Architekt bei der Ausschreibung bewarb, bestand übrigens aus Zahnstochern und einem Damenstrumpf und überlebte die Anreise zur Präsentation nicht. Die Zahnstocher bohrten sich durch den Strumpf und dieser hing nun auf halbmast. Dass diese Idee trotzdem den Zuschlag erhielt ist wohl den visionären Fähigkeiten der Entscheidungsträger zu verdanken.
Die Umsetztung der Idee stellte sich allerdings als deutlich problematischer heraus, als zunächst gedacht. Es bewarben sich nur 5 Firmen um den Auftrag der Erstellung der Dachkonstruktion, von denen jedoch nur 2 pünktlich zum Ausschreibungsende eine praktikable Lösung vorstellen konnten.
Die Firma die letzlich den Zuschlag bekam hatte nur 2 Jahre für dieses Riesenprojekt Zeit und keinerlei Erfahrung, denn es war die größte Zeltdachkonstruktion der damaligen Zeit und die erste aus den verwendeten Materialien.
Dass sie, trotz der kalten und eisigen Winter und der felhlenden Erfahrung sogar 2 Monate vor dem geplanten Termin fertig wurde ist wohl eine Meisterleistung des verantwortlichen Ingenieurs und dem Einsatz seiner Arbeiter, allesamt übrigens Alpenanrainer mit alpinistischer Erfahrung, zu verdanken.
Über eine Leiter steigen wir auf den niedrigsten Teil des Daches auf, befestigen unsere Sicherungsseile an der Leine und laufen nun auf einer Art Metallsteg immer an der Dachkante, die gesammte den Zuschauerraum überspannte Länge entlang. Zweimal wird angehalten und es werden Erklärungen zur Konstruktion und zur Lösung mechanischer Probleme gegeben und die Konzeption des Stadions erklärt.
Der Architekt Prof. Behnisch hatte den Olympiapark als eine Miniatur des Alpenvorlandes konzipiert, wobei der Oylmpiasee die oberbayrischen Seen, die Geröllhügel, Kriegsschutt der zerbombten Häuser Münchens, die Hügel des Voralpenlandes und sein Dach schließlich die Alpenkette darstellen sollte. Tatsächlich schließt sich die Silhouette des Daches im Süden unmittelbar an die Alpen, die sich in majestätischer Größe am Horizont dieses schönen Spätsommertages abzeichnen, an.
Um dieses Konzept auch für die Nachwelt zu erhalten, sicherte Prof. Behnisch sich für jede Veränderung des Geländes ein Einspruchsrecht auf Lebenszeit, das, nach seinem Ableben, für weitere 30 Jahre an sein Archiktekturbüro geht.
Die Bestuhlung des Stadions in vier verschiedenen Grüntönen verleiht der ganzen Konstruktion etwas Organisches.
Nun erklimmem wir einen der Gipfel des Daches und genießen von dort die herrliche Aussicht.
Andrea...
Etwa auf halbem Weg fängt unser Führer an auf und ab zu springen um uns die Flexibilität des Daches zu demonstrieren. Kleine Wellen, als ob man einen Stein in ruhiges Wasser wirft, pflanzen sich über die ganze Konstruktion fort.
Ich schieße noch ein paar Fotos und freue mich für diesen Herbst einen so schönen Ausklang gefunden zu haben.

Donnerstag, 4. Oktober 2007

Neuland

Gyeongbokgung Palace
Koreanische Küche wird nicht zu meinen Favoriten gehören, soviel steht nach 7 Tagen Seoul fest. Die koreanische Nationalgerichte Kimchi (eingelegter, vergorener Kohl mit Chilli) und Bibimbap (Reis mit eingelegtem, leicht saurem Gemüse und Chilli) haben mich nicht überzeugen können. Hundesuppe (ja, sie wird wirklich aus Hundefleisch zubereitet) habe ich gar nicht erst probiert. Ich habe eine Affinität zu Hunden und stehe außerdem seit frühester Kindheit auf dem Standpunkt, dass man nicht alles probieren muss, was einem vorgesetzt wird, was ich, als ich 11 Jahre alt und für einen Monat bei einer englischen Gastfamilie in Sussex untergebracht war, fast mit der vorzeitigen Rückkehr nach Hause bezahlt hätte, denn meine Gastmutter hatte Angst, dass ich, schon immer untergewichtig, erheblichen Schaden nehmen würde, wenn ich auch weiterhin die von ihr zubereiteten Speisen verschmähen würde.
Aber nicht nur kulinarisch sondern auch kulturell war Korea Neuland für mich, denn hier war ich in den 18 Jahren, die ich nun für Lufthansa arbeite, noch nie.

Ich hatte mich gut vorbereitet auf diesen Umlauf, hatte mir in Chicago einen "Lonely Planet" Reiseführer von Seoul besorgt und mir im Vorfeld schon einmal die wichtigsten Kenntnisse über Land und Kultur angeeignet. Do's and Dont's nennt man das heute und gemeint ist damit welche Themen man in Korea besser ausläßt, welche das Land bewegen und wo Fettnäpfchen nur darauf warten von "Langnasen" betreten zu werden.

Einen Teil der Crew kannte ich schon, war mit ihnen in einer sogenannten "Teamline" schon wenige Tage zuvor in Chicago, den Rest und die beiden koreanischen Flugbegleiter, die aus Frankfurt kommend unser Team vervollständigten, kannte ich noch nicht.

Schon auf dem Hinflug versuche ich von den beiden "lokalen" ein paar Tipps für mein Layover zu bekommen und die deckten sich mit denen, die ich in einem Magazin für Mini-Fahrer fand, das ich zufällig im Zeitschriftenständer meines Fitness-Studios endeckte, wo es irgendjemand wohl für die Allgemeinheit hatte liegen lassen. In jedem dieser Magazine wird eine Stadt vorgestellt und in diesem war es Seoul.
Mehrere Künster, Schauspieler und koreanische Berühmtheiten hatten auf die Frage nach ihrem Lieblingsviertel allesamt Hongdae genannt. Der hippen Bars, Cafés und Restaurants wegen genauso wie der zahlreichen angesagten Gallerien und Boutiquen.

Mir fielen sofort die nach dem neuesten Trend gekleideten, vornehmlich jungen Leute auf, die die Stadt bevölkern. Eine Tatsache, die mir auch schon in Japan mehrmals aufgefallen ist: Wo sind die ganzen Menschen von 40 aufwärts? Wo man auch hinkommt sieht man nur Menschen zwischen 15 und 30. Und das, trotzdem Korea eine der niedrigsten Geburtenranten weltweit hat.
Koreaner scheinen mit ihren Mobiltelefonen verwachsen zu sein. Jeder zweite in der U-Bahn oder auf der Straße hat sein Telefon entweder am Ohr oder vor sich und spielt Videospiele oder schaut TV. Besonders beliebt sind Handys, bei denen das Display aufgeklappt, dann in die Horizontale geschwenkt wird, wobei eine kleine Antenne zum mobilen TV Empfang zum Vorschein kommt.
Später erfahre ich, dass hier das Telefon auch zum Bezahlen von Rechnungen verwendet wird. EC-Karte next generation sozusagen.
In keinem anderen Land der Erde gibt es mehr Internetnutzer und jedes Café, jedes Restaurant und viele Plätze im Freien bieten die Möglichkeit einer kostenlosen WiFi Verbindung.

Wie in vielen Ländern Asiens hat die Moderne das traditionelle Leben scheinbar verdrängt. Es gibt keine Altstadt, kein altes Zentrum und wenige alte Gebäude. Der Gyeongbokgung Palastbezirk ist eine der wenigen Ausnahmen, so dachte ich wenigstens, bis ich auf dem Weg dorthin an einer Fotostrecke vorbeilaufe, die den Abriss der dort errichteten Gebäude und den Wiederaufbau des alten Palastet dokumentiert. Lediglich das alte Eingangstor war der Abrissbirne entgangen und ist noch original erhalten. Unwillkürlich denke ich an das alte Stadtschloß in Berlin, dass nach dem Abriss des Palastes der Republik, wieder an seiner ursprünglichen Stelle errichtet wird.

Und dennoch ist der Konfuzianismus in der koreanischen Seele fest verankert, in dem Frauen den Männern untergeordnet sind und diesen zu gehorchen haben: Das Mädchen seinem Vater, später dem Ehemann und, nach dessen Tod, dem ältesten Sohn.
Bei unserem mehrstündigen Aufenthalt in Pusan beobachte ich schmunzelnd, wie unsere koreanische Flugbegleiterin ihren männlichen koreanischen Kollegen, obwohl dieser dienstjünger ist, mit Speisen und Getränken bedient, bevor sie sich selbst versorgt und ausruht.
Als ich am Abend durch die Straßen Hongdaes flaniere erlebe ich ein weiteres, schockierendes Beispiel für die Rolle der Frau in der koreanischen Gesellschaft: Ein Paar, ungefähr Mitte 20, steht vor einem Schaufenster und streitet offensichtlich. Plötzlich holt der Mannn aus und schlägt der Frau kräftig ins Gesicht. Die Frau versucht sich weinend zu rächen und wird daraufhin nochmals geschlagen, diesmal so kräftig, dass sie zu Boden geht und dabei einen Schuh verliert. Erst jetzt greifen zwei ausländische Passanten ein und halten den Mann zurück und besänftigen ihn.
Sicherlich keine typische Szene, wie mir meine koreanischen Kollegen bestätigen, aber ich habe es so gesehen.

Sonntag, 30. September 2007

Nanta

Nanta ist koreanisch und heißt kochen und genauso heißt auch die Show, die ich gestern Abend zusammen mit 5 Kollegen in Seoul besucht habe. International erfolgreich, in 132 Ländern aufgeführt, ist diese Show diejenige, die sich am längsten von allen Shows, die in der zahlreichen Theatern der Stadt zu sehen sind, behauptet hat.
Tatsächlich wollte Cornelia, unsere Senior Purserette, sich die Show einmal bei einem Gastspiel in München ansehen und konnte, trotz der horrenden Eintrittspreise, keine Karte für eine der wenigen Vorstellungen ergattern. Was lag also näher, als sie sich hier in Seoul anzusehen, wo sie in einem eigens gebauten Theater aufgeführt wird.
Schon vor dem Eingang wird man von einer Skulptur einer überdimensionalen tanzenden Figur begrüßt, die, wie man sehen kann, wenn man sich ihr nähert, vollkommen aus Küchenutensilien, Messern, Töpfen, Suppenkellen, usw., gefertigt wurde.
Die Handlung ist schnell erzählt: Die Szenerie stellt eine Großküche dar, in der 3 Köche in nur wenigen Stunden ein Hochzeitsbankett vorbereiten sollen. Ausgerechnet an diesem Tag wird ihnen der nichtsnutzige Neffe des Restaurantmanagers zum Einweisen an die Seite gestellt...
Die Aufführung ist eine gelunge Mischung aus Tanz, Percussion auf allen möglichen Küchengeräten, Artistik und Comedy unter Einbeziehung des Publikums.
Ein solches Feuerwerk an gut dargebotenen artistischen Einlagen, es fliegen teilweise so viele Teller über die Bühne, dass man ihnen gar nicht mehr folgen kann, mitreißendenen Rhythmen, die mit Messern auf Hackbrettern, auf Töpfen, Eimern, Plastikkontainern und dergleichen, geschlagen werden und wirklich unglaublich lustiger Comedy hätte ich nicht erwartet.
Noch auf dem Nachhauseweg und selbst beim Frühstück am nächsten Morgen, musste ich mehrmals laut loslachen, weil mir nochmal der ein oder andere Gag einfiel.

Samstag, 8. September 2007

Heute hier, morgen dort

Mein Leben ist manchmal schon eigenartig. Kaum ist man irgendwo angekommen muss man auch schon wieder weg, ein nicht enden wollendes Kofferpacken, Ein- und Auschecken, ein permanentes Abschiednehmen. Da braucht man bisweilen eine gesunde Psyche und eine gute Organisation der knappen Freizeit.
Good flight!
Durch regelmäßige Bereitschaftsdienste, bei denen man innerhalb einer Stunde nach Anruf am Flugzeug sein muss kommt noch mehr Planungsunsicherheit dazu, so dass man am Ende eines solchen Blocks gar nicht mehr weiß, welcher Wochentag eigentlich ist.
So bin ich heute um 7:00 Uhr aufgestanden, habe meinen Koffer gepackt und bin zum Flughafen gefahren um meinen Flug nach Sao Paulo anzutreten. An der Einfahrt zur Tiefgarage verweigert mir der automatische Ausweisleser den Zugang, so dass ich mittels einer Gegensprechanlage mit dem Werkschutz Kontakt aufnehmen muß. Eine Männerstimme mit stark sächsischem Aktzent fragt mich nach meinem Einsatz und klärt meine Angaben mit unserem Besatzungseinsatzs ab.
Nach längerer Wartezeit, hinter mir hat sich bereits eine Schlange von Kollegen gebildet, die ebenfalls in die Garage fahren möchten, kommt die Auskunft, dass mein Einsatz erst morgen stattfindet (hmm, heute ist also gar nicht Sonntag?).
Freundlicherweise öffnet mir die Stimme die Schranke, so dass ich in der dahinter befindlichen Einfahrt wenden und wieder ausfahren kann, ohne dass die gesammte Fahrzeugschlange zurückstoßen muss um mich zu befreien.
Halb verärgert über das sinnlose frühe Aufstehen, halb froh unerwartet noch einen weiteren Tag zur Regeneration bekommen zu haben, trete ich meinen Heimweg wieder an.

Dienstag, 21. August 2007

5 Tage Europa

16. August 2007: Taiwanesen in der "Alten Welt"

Es ist gerade einmal 4 Uhr 50 als ich meine Crew im Briefingraum des Flight Operation Centers treffe. Ich schaue in müde Gesichter, wirklich ausgeschlafen ist um diese Uhrzeit niemand. Meine Aufgabe ist es jetzt gute Stimmung zu verbreiten und mein Briefing so interessant zu gestallten, dass ich meine Crew auch so früh am Morgen auf den heutigen und die kommenden 5 Tage einstimmen und motivieren kann.
5 Tage werden wir zusammen verbringen und mit "unserem" Airbus 320 Europa bereisen, vom westlichsten Punk des Kontinents in Lissabon zum östlichsten in Istanbul und von Stockholm im Norden bis Rom im Süden wird uns unsere Reise führen.
Bereits um 13:30 Ortszeit ist unser Arbeitstag zu Ende, eine Stunde später checken wir im Sofitel auf der Avenida da Liberdade ein und der Rest des Tages gehört nur noch uns.
Lissabon ist mein Favorit unter den europäischen Hauptstädten und sicherlich eine der schönsten Städte der Welt. Zu gerne wandere ich durch die engen Gassen der Alfama, der Altstadt, von denen manche so schmal sind, dass sie nicht mit Autos befahren werden können, und immer noch finde ich Neues: Hier einen Ausblick den ich noch nicht kenne, dort ein kleines Café, mit nur 2 oder 3 Tischen, die zum Verweilen einladen, wieder woanders eine Kunstgallerie an der ich bislang achtlos vorbeigegangen sein muss.
Alfama
Auf meiner Wanderung durch die verwinkelten Gassen treffe ich eine Gruppe Taiwanesen wieder, die wir gerade noch an Bord betreut hatten. Trotzdem ich jetzt keine Uniform mehr trage und eine Sonnenbrille meine Augen vor der tiefstehenden Sonne schützt, erkennen sie mich sofort und winken mir zu. An Bord hatte ich ihnen auf den Kopf zusagen können, dass sie aus Taiwan kommen (jahrelange Übung im Nationalitätenraten!) und das hat sie wohl stark beeindruckt. Als ich dann noch nebenher fallen ließ, dass ich einmal dort während einer Urlaubsreise durch die berühmte Tarokko Schlucht gewandert bin, ernte ich sogar Aplaus. Dass ich nur einen kleinen Teil der Schlucht abgewandert bin und nicht die volle Länge von etwa 60 Kilometern, verschweige ich daraufhin.


17. August 2007: "Leute machen Kleider" oder Mailand ist wegen Ferien geschlossen

Am nächsten Tag reisst mich der Weckruf aus meinen Träumen. Schnell duschen, den Koffer packen und meine Uniform anziehen, denn pünktlich in einer Stunde holt uns der Bus, der uns zum Flughafen fährt, am Hotel ab.
Den heutigen Nachmittag werden wir in Mailand verbringen, der norditaliänischen Wirtschaftsmetropole und heimlichen Hauptstadt Italiens.
Ist in der benachbarten Schwesterstadt Turin die Schwerindustrie des Landes beheimatet, so dreht sich in Mailand alles um Mode und Kunst. Entsprechend schick präsentiert sich die Innenstadt um den Dom und die weltberühmte Mailänder Scala. Einheimische und ausländische Nobelmarken reihen sich entlang der Einkaufsstraßen wie Perlen an einer Kette. Mit der Häufigkeit mit der man in einer deutschen Fußgängerzone an Läden der Bekleidungskette H&M begegnet, läuft man hier an "Dolce & Gabana", "Prada" oder "Diesel" vorbei.
Nachdem ich mich im Hotel schnell geduscht und umgezogen habe gehe ich zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. Die Straßen sind wie ausgestorben, alle Geschäfte, Cafés und Bars sind geschlossen und es sind kaum Autos unterwegs. Ich denke schon heute ist mal wieder Generastreik oder ein nationaler Feiertag, aber erst als ich die bunten Schilder an den Jalousien der Geschäfte lese verstehe ich: Es ist August und damit Ferienzeit in Italien. Auf den Schildern wünscht man seinen Kunden schöne "Vacazione" und illustriert diese Aussage mit einer lachenden Sonne, die eine Sonnenbrille trägt, oder mit einem Liegestuhl an einem Strand, auf dem ein dickes Männlein schwitzt.
Selbst in der sonst so hektischen Innenstadt herrscht ein eher beschauliches Treiben und selbst hier sind einige der Läden für die nächsten Wochen geschlossen. Sieht man sonst überall wunderschöne Frauen, die auf den Laufstegen der Stadt ihr Geld verdienen, so ist auch die Modeldichte an diesen Augusttagen eher spärlich.
Galleria Vittorio Emanuele
Ich schlendere durch die berühmt Einkaufspassage "Galleria Vittorio Emanuele" und finde eine kleine Buchhandlung, die mein Interesse weckt. Erst als ich eintrete, erkenne ich, dass es sich dabei um eine auf Kunstbücher speziallisiertes Geschäft handelt, das auch gleichzeitig als Gallerie dient.
Ich bestaune einige der Bilder und finde bald das ein oder andere, dass ich gerne erwerben würde, da die Preise jedoch nicht an den Kunstwerken selbst angebracht sind, sondern an deren Stelle ein Code, mit dem man den Preis beim Verkaufspersonal erfragen muss, beschränke ich mich auf das Betrachten der Bilder und erhalte mir die Illusion irgendwann einmal Besitzer eines dieser Kunstwerke zu sein.


18:August 2007: Straßenkreuzer in Uppsala

Der nördlichste Punkt unseres Umlaufes befindet sich in Stockholm und dort werden wir heute die Nacht verbringen. Der Himmel zeigt sich fast wolkenlos, trotzdem beschließe ich ersteinmal ein paar Stunden zu schlafen um mein Schlafdefizit der letzten Tage auszugleichen.
Um 16 Uhr mache ich mich dann auf den Weg ins nahegelegene Zentrum der Stadt Uppsala, wo wir bei Stockholm-Layovern untergebracht sind.
Eine mittelalterliche Stadt, die als eine der schönsten des Landes gilt und außerdem eine der größten Universitäten Schwedens beheimatet. Entsprechend jung sind die Bewohner und entsprechend lebhaft das kulturelle Leben. Ich setze mich hier gerne an das Ufer eines kleinen Flusses, der durch die Stadt fließt und beobachte die Leute oder lese in meinem Buch. Eine Stelle, die mir besonders gefällt ist eine kleine Holzplattform, die man in den Fluß hineingebaut hat und von der man einen schönen Blick auf den Fluß und die Stadt hat.
Als ich hier sitze fallen mir die vielen amerikanischen Straßenkreuzer auf, die auf der Straße links und rechts vom Fluß auf und ab fahren. Alle sind liebevoll restauriert und deren Besitzer nebst der ganzen Familie, die sie begleitet, im Stil des Baujahrs ihres Wagens gekleidet.
Ich erinnere mich an einen Artikel, den ich vor Jahren im "Geo" über den Sommer in Schweden gelesen habe. Ich erinnere mich dort gelesen zu haben, dass der größte Traum schwedischer Männer ist, einen dieser Haifischflossen-Autos zu kaufen, zu restaurieren um dann an sonnigen Wochenenden damit zu cruisen und sich bewundern zu lassen. Schade, dass ich meine Kamera im Hotel zurückgelassen habe!


19. August 2007: Zwischen den Welten

Der Höhepunkt unserer Reise liegt, wie sich das für Höhepunkte gehört, am Ende unseres Umlaufes. Die letzte Nacht werden wir in einer der aufregendsten und größten Städte dieses Planeten verbringen, in der, wie sonst nirgendwo auf der Welt, Kulturen und Weltanschauungen aufeinanderprallen.
Die Rede ist von der Stadt, die zur Hälfte in Europa und zur anderen Hälfte in Asien liegt, die Rede ist von Istanbul.
Serenay, eine der Kolleginnen, die mich auf diesem Umlauf begleiten, ist Deutschtürkin und freute sich schon seit Tagen auf diese Stadt, denn hier ist sie als Kind aufgewachsen und hier lebt ihre Familie.
Immer wieder telefoniert sie vom Handy aus mit ihrem Vater um ihr Layover zu organisieren und sicherzustellen, dass sie möglichst viele Familienmitglieder treffen kann.
Auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel schaut sie aus dem Busfenster und immer wieder entfährt ihr ein "Wahnsinn", "Unglaublich" oder "Ich kann's kaum glauben". Serenay fliegt erst seit wenigen Monaten bei Lufthansa, hat jedoch vorher jahrelange Erfahrung bei Charter- und Regionallinien gemacht. Während einer Pause erzählt sie mir ihre Geschichte: Als Kind ist sie von Istanbul nach Deutschland gezogen, gewöhnte sich schnell ein und führte das Leben eines normalen Teenagers. Als sie Mitte 20 war und bereits für die Fluglinie Condor flog verstarb völlig unerwartet ihre Mutter an einem Herzinfarkt. Da ihre Schwester bereits eine eingene Familie hatte und der Vater längst in der Türkei lebte, war es an ihr mit ihren Teenagergeschwister zusammenzuziehen um diese aufzuziehen. Sie erzählte von der Schwierigkeit, die Fliegerei und Erziehung von zwei Teenagern miteinander zu vereinbaren, ihren Geschwistern Werte zu vermitteln und sie vor Drogen und anderen Gefahren, die auf Jugendliche lauern, zu bewaren...
Bevor wir uns für diesen Tag verabschieden, drückt sie mir noch einen Zettel in die Hand, auf dem sie schnell noch einige Tipps für mich aufgeschrieben hat. Erst unlängst hatte ich in einer Ausgabe der "Geo Saison" einen Bericht über den Istanbuler Stadtteil Beyoglu gelesen, über die trendigen Cafés, Restaurants und Gallerien. Darauf angesprochen notierte sie die Empfehlungen, die ich jetzt in der Hand hielt.
Busy sunday
Es ist Sonntag und deswegen ist die Stadt voll mit Erholungssuchenden, die den warmen Sommertag am Strand beim Grillen oder bei einem Bummel durch die Stadt genießen wollen. Ich lasse mich durch den Stadteil Beyoglu treiben, gehe hier und da in ein Geschäft und suche die Adressen, die Serenay mir aufgeschrieben hat. Es ist später Nachmittag als ich beschließe in eines der Cafés zu gehen, die zu hunderten die Straßen säumen. Ich suche mir eines aus, bei dem dem Besitzer eine perfekte Fusion von orientalischen Einflüßen und dem kühlen und klaren Designs des neuen Jahrtausends gelungen ist. Er bittet mich keine Fotos zu machen, ein Wunsch, den ich natürlich respektiere, schon alleine um die anderen Gäste nicht zu belästigen.
Ich esse einen Orangenkuchen, der in frischem Orangensaft schwimmt und herrlich fruchtig schmeckt und trinke dazu einen starken türkischen Kaffee.
Mich fasziniert der Spagat zwischen Orient und Okzident, der in dieser Stadt überall offensichtlich ist. Verschleierte Frauen, ganz in schwarze Gewänder gekleidet, laufen neben Türkinnen, die, der Jahreszeit und den Temperaturen angepasst, in durchsichtigen Sommerkleidern, ihre Reize zur Schau stellen. Die Generation der jungen, nach Westen orientierten, wohlhabenden Oberschicht und die tief religiöse und oft aus den ländlichen Regionen zugewanderten Bevölkerungsschichten leben nebeneinander, wie in Parallelwelten.

Donnerstag, 2. August 2007

Hong Kong Experience

Hong Kong harbour view
Die Nacht ist schnell hereingebrochen, hat die schwüle Hitze des Tages jedoch kaum abzukühlen vermocht. So sitzen alle Fahrgäste der "Star Ferry" bei immer noch 30°C, mehr oder weniger schwitzend, auf den Holzbänken und warten darauf, dass der Fahrtwind die ersehnte Abkühlung bringt. Ich hatte Glück und habe einen der Plätze an der zur Wasserseite offenen und nur durch ein Geländer gesicherten Seite der Fähre ergattert und kann während der Fahrt die bunt erleuchtete Skyline von Hong Kong geniessen.
Die Star Ferry ist ein Anachronismus in dieser sonst so lebhaften und quirligen Stadt in der ständig das Alte dem Neuen weichen muss. Seit mehr als 50 Jahren verkehren die grün weiß gestrichenen Boote im Hafen und Verbinden das Festland der Stadt mit Hong Kong Island, wo sich, unmittelbar an der Fährstation "Wanchai", das Hotel befindet, in dem ich immer wohne, wenn ich in der Stadt bin.
Wie die Cable Cars in San Francisco, die Bonde in Rio oder die Straßenbahnen von Lissabon, gehört die Star Ferry einfach zu Hong Kong, nicht als touristische Attraktion, sondern als beliebtes und obendrein billiges Transportmittel der Einheimischen. Eine Fahr kostet gerade einmal 22 Cent!
Star Ferry
Egal ob ich etwas am anderen Ufer zu erledigen habe oder auch nicht, eine Fahrt mit der Fähre gehört für mich, seit ich zu ersten Mal nach Hong Kong gekommen bin, einfach dazu. Manchmal fahre ich einfach nur spatzieren, beobachte das Treiben im Hafen oder Mitreisende und staune jedes Mal über die sich rasant verändernde Stadt. War vor ein paar Jahren, als ich zum ersten Mal hier war, noch das Gebäude der "Bank of China" das von überall gut sichtbare Wahrzeichen der Stadt, so versinkt dieses Hochhaus jetzt in einem Meer aus anderen Türmen aus Glas, Stahl und Beton, jeder von ihnen noch höher, noch ausgefallener. Kaum steht ein Gebäude ein paar Jahre wird es umgebaut oder gleich abgerissen und auf dem frei gewordenen Platz ein weiterer Wolkenkratzer errichtet.
Mir nimmt diese Stadt den Atem. Alle paar Minuten fliegen Hubschrauber am Fenster meines Hotelzimmers vorbei, der Hafen ähnelt bei einem Blick von dort oben eher einem Ameisenhaufen, so viele Boote und Schiffe befahren ihn kreuz und quer und scheinbar ohne System, überall sieht man Baukräne und neue Gebäude die in Himmel wachsen.
Ich stehe am Fenster im 30. Stock des Renaissance Harbour View Hotels und vergleiche den Ausblick mit dem von meinem Balkon zu Hause. Dort sehe ich in auf die alten Obstbäume in meinem Garten, dahinter auf Weiden mit Pferden und Kühen und am Horizont die Alpen, an klaren Tagen sogar die schneebedeckten Gipfel der österreichischen Geltscher. Ich freue mich auf zu Hause.

Montag, 30. April 2007

Chrissy

Musician
Drei Mal leuchten die Blinker des roten Kias auf als ich die funkgesteuerte Entriegelung betätige, als möchte er mir freundschaftlich zuzwinkern und mir zu verstehen geben, dass er sich auf unseren kleinen Ausflug freut. Es ist bereits 10 Uhr vorbei und der allmorgendliche Nebel ist gerade erst von der Sonne verscheucht worden, als ich aus dem Parkhaus des Marriott Hotels in Torrence fahre und auf den Highway N°1 mit Ziel Santa Monica abbiege.
In München hasse ich es mit dem Auto zu fahren und versuche mich, wenn immer möglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewegen, aber hier in Los Angeles macht es mir Spaß. Das obligatorische Automatikgetriebe, die defensive amerikanische Fahrweise und die extrem breiten Straßen tragen dazu bei.

Nach einer Weile sehe ich am Straßenrand eine Werbetafel, auf der man junge Soldaten in dunkelblauen Uniformen und weißen Mützen sieht, die in Reih und Glied stehend ihr Gewehr präsentieren. Darunter steht "For the Honour, for the Country - Join the Marines". Bei uns hieß das vor fast 70 Jahren "Für Führer, Volk und Vaterland" und hat Millionen das Leben gekostet. Ob hier derart platte Dummheiten junge Menschen noch dazu animieren in die Armee einzutreten darf bezweifelt werden, denn die amerikanischen Streitkräfte klagen, seit dem nicht enden wollenden Irakkrieg, über akuten Nachwuchsmangel, der nur mit der Mobilisierung der Nationalgarde ausgeglichen werden konnte.

Nach einer Stunde Fahrzeit, immer in Nähe des Pazifiks, komme ich in Santa Monica an. Oft komme ich hier her, wenn ich in Los Angeles bin. Es gibt viele Straßencafés, in Amerika eher eine Seltenheit, die zum Verweilen und Leute beobachten einladen, es gibt immer etwas zu sehen. Da Samstag ist, sind viele Menschen unterwegs, auf dem Weg zum Strand, in den Vergnügungspark auf dem Santa Monica Pier oder einfach nur zum Shoppen.
In der Fußgängerzone haben sich Artisten, Breakdancer und Straßenmusiker eingefunden um vom Ansturm der Erholungssuchenden zu profitieren. Immer wieder überrascht mich die Qualität der Musiker, die abends in den Restaurants oder einfach nur auf der Straße spielen. Woanders wären sie vielleicht gefeierte Stars, hier müssen sie sich mit ihrer Kunst mühsam über Wasser halten.
Chrissy
Eine junge Frau fällt mir besonders auf. Sie hat sich an der Ecke einer befahrenen Straße positioniert und spielt und singt gegen den Verkehr an. Ich beobachte sie eine Weile von der gegenüberliegenden Straßenseite, schraube das Teleojektiv auf meine Kamera und mache so unbemerkt ein paar Fotos von ihr. Sie singt sehr gefühlvoll Balladen und begleitet sich mit der Gitarre. Passanten beachten sie kaum, nur ab und zu legt jemand im Vorbeigehen einen Dollar in ihren Gitarrenkoffer, fast verstohlen, als müsse man sich dafür schämen.
Als ich näher komme sehe ich, dass sie eine CD mit ihren Liedern für 5 Dollar verkauft. Da mich ihre Musik berührt und 5 Dollar gerade mal der Preis für einen Kaffee ist lege ich ihr das Geld in ihren Koffer und nehme mir eine CD vom Stapel. Sie ist ganz offensichtlich selbst gebrannt und als ich die Hülle öffne steht mit Filzstift "Chrissy" darauf geschrieben und daneben ein gemaltes Herz.
In einer Pause spreche ich Chrissy an und zeige ihr die Fotos, die ich vorher von ihr gemacht habe. Als sie mir ihre Email Adresse aufschreibt, damit ich ihr die Fotos schicken kann, sehe ich, dass die Gitarrensaiten vom jahrelangen Spielen tiefe Furchen in ihren Fingerkuppen hinterlassen haben.
Stunden später, der Nebel ist längst zurückgekommen und der Wind bläst kalte Luft vom Ozean in die Straßen, sehe ich sie, an einer anderen Stelle, immer noch spielen. Passanten hasten mit vollen Tüten an ihr vorbei, nur ab und zu legt jemand einen Dollar in ihren Gitarrenkoffer. Das Leben als Straßenmusiker ist schwer.

Samstag, 14. April 2007

Anwiggerln

Summer finally
Es ist eine Tradition, die ich seit ein paar Jahren mit meinem Bruder pflege. Am ersten wirklich schönen Sommertag des Jahres gehen wir gemeinsam zum Schwimmen. Nicht irgendwo hin, sondern immer an die gleiche Stelle am Ostufer des Starnberger Sees. Hier hat man alles, was einen schönen Tag am See ausmacht: Den ganzen Tag Sonne satt, ein herrliches Alpenpanorama mit Blick auf die Zugspitze, kristallklares Wasser und ein flaches, sandiges Ufer.
Nicht weit entfernt unseres Badeplatzes befindet sich ein kleiner Campingplatz, der ausschließlich von Dauergästen bewohnt wird, viele von ihnen kommen bestimmt schon seit Generationen hier her. Man kennt sich!
Einer der kleinen Wege, die die Wohnwagen miteinander verbinden, wurde etwas großspurig "Wiggerl-Niedermeyer-Allee" genannt, wahrscheinlich nach einem Camper Original, der guten Seele des Campingplatzes, dem Wiggerl halt.
Beim ersten Mal hat mich der Anblick des Straßenschildes an diesem kleinen Schotterweg sehr belustigt. Den Namen Wiggerl, wohl eine Kurzform von Ludwig, und die Tatsache aus einem Weg, auf dem selbst zwei Personen Schwierigkeiten haben aneinander vorbeizugehen, eine Allee zu machen, fand ich einfach zu komisch.
Schnell wurde aus dem ersten Baden des Jahres, dem "Anbaden", das "Anwiggerln", einem Besuch während des Sommers das "Wiggerln" und dem letzten Besuch des Jahres das "Abwiggerln". Vom An- beziehungsweise Abwiggerln wird also unser Sommer begrenzt.

Heute, am 14. April, war es nun also endlich wieder so weit: Zeit zum Anwiggerln!
Etwa um 13 Uhr furhen wir auf den kleinen Parkplatz, der von einer älteren Dame von morgens bis abends bewacht wird. Man muss sich gut stellen mit ihr, denn ich habe sie einmal im Streit mit einem Parker, wohl ein Parkgebührenpreller, erlebt und seitdem habe ich angst vor ihr. Also schon beim Einfahren ein kleiner Scherz, wenn man zum See geht ein kleiner Small Talk und beim Ausfahren am Abend nochmal kurz gewunken. Freudlich geht sich's eh besser durchs Leben.

Nach guter alter Tradition bauen wir, natürlich immer an der gleichen Stelle, in unmittelbarer Nähe des Ufers, unsere beiden Stühle auf und lassen uns nieder. Dann wird geredet, wir lesen uns gegenseitig besonders lesenswerte oder lustige Passagen aus den Büchern vor, die wir zwar jedesmal mitnehmen, obwohl wir nur selten zum Lesen kommen, mustern vorwiegend die weiblichen Badegäste, vergeben Noten, solange, bis wir es vor Hitze kaum noch aushalten und wir endlich in den See gehen müssen.
Die Regeln zum An- beziehuingsweise Abwiggerln besagen übrigens, dass der Körper mindestens bis über die Schultern im Wasser gewesen sein muss. Schwimmbewegungen sind laut Reglement ebensowenig erforderlich wie der Verbleib des Badenden für eine bestimmte Zeitspanne.
In silver water
Wie jedes Jahr ist das erste Mal vor allen Dingen eins: Eine große Überwindung! Das Wasser des Sees, teilweise vom Schmelzwasser der nahen Alpen gespeist, hat kaum mehr als 13°C. Schon nach den ersten Schritten schmerzen die Füße und man muss sich sehr beeilen die flache Uferpassage zu verlassen um endlich die Schultern mit Wasser bedecken zu können. Dann nichts wie raus und wieder braten in der Sonne.

Ich freue mich offiziell verkünden zu können: Es ist angewiggerlt!

Einen schönen Sommer noch.

Donnerstag, 12. April 2007

In meiner Welt

There they are again...
Der Frühling ist da, fast könnte man meinen es wäre gleich Sommer geworden, so warm ist es bereits in den letzten Tagen gewesen. Für mich und mein Mountainbike heißt das, dass die Zeit der Spinningstunden im Winter nun der Freiluftsaison weicht. Dieses Jahr habe ich meinem Fahrrad eine neue Federgabel gegönnt: arretierbar, öldruckgefedert, 130 mm Federweg, superkomfortabel! So zieht es mich nun wieder Tag um Tag nach draußen auf meine Lieblingswege im Freisinger Süden.
In guter alter Tradition kehre ich immer auf dem Rückweg, kurz vor Erreichen meiner Wohnung, in Haimhausen in einer Bäckerei ein, deren Name ich nicht einmal kenne, in der es jedoch noch gutes altes Handwerk gibt und nicht nur industriell vorgefertigte und kurz aufgebackene Teiglinge.
Ich versorge mich dort nochmal mit einem Kuchenstückchen oder einer (herrlich weichen, köstlichen, vor Mohn strotzenden) Schnecke, als Belohnung für die Anstrengung und Energielieferant für die letzten Kilometer. So auch gestern. In der Bäckerei entspann sich folgender Dialog zwischen der etwa 80jährigen Seniorchefin und mir:
Ich: "Eine Mohnschnecke und ein Sojakrusterl bitte."
Bäckerin: "Warn's radeln."
Ich: "Bei dem Wetter muss man ja raus."
Bäckerin: "Ja genau, s'is scho Sommer gell? Meine Buben san a weg m'im Radl. I hab' g'sagt geht's doch raus, bei dem Wedda, i bin ja do. Die müssen eh mal an'd frische Luft, wo's doch allerweil in der Backstubn san, mit dem ganzen Staub da. Wo san's denn g'fahrn?"
Ich erkläre meine etwa 50 Kilometer lange Route
Bäckerin: "Ja wos, so weit? Da hamm's sicher Hunger jetzt?"
Ich: "Na ja, kann schon was vertragen."
Bäckerin: "Da schenk i eana no a Laugensemmel. Die san guat, müssen's amal probieren."
...
Ich verlasse die Bäckerei und verspeise meine Mohnschnecke noch vor dem Geschäft in der Sonne sitztend. Mein Sojakrusterl und meine Laugensemmel verstaue ich in der Rückentasche meiner Radjacke und sehe jetzt aus wie ein Buckliger auf dem Fahrrad, der Quasimodo der Mountainbiker sozusagen.
Am Abend verspeise ich beide Backwaren zusammen mit einem Tomatensalat. Das Laugenbrötchen war hervorragend. Vielen Dank!

Mittwoch, 11. April 2007

Mit Jan und Pipi in Sao Paulo

Ich bin froh, nach 12 Stunden Flug und der einstündigen Busfahrt in unser Hotel, endlich die Tür meines Zimmers hinter mir zugezogen zu haben. Endlich abschalten! Gerade habe ich mich für die Nacht in Boxershorts und T-Shirt umgezogen als es an der Tür klingelt und eine Stimme "Roomservice" ruft. Ich überlege noch, ob ich überhaupt antworten soll als es erneut klingelt. Ich öffne und vor mir steht ein freundlich lächelnder Hotelangestellter, der auf seinem angewinkelten Arm ein riesiges, silbernes Tablett trägt. "Eu nao pedi nada", versuche ich klarzustellen, dass ich gar keine Bestellung aufgegeben habe. Er lächelt immer noch und sagt, dass er ein Geschenk für mich habe und überreicht mir ein Schokoladenosterei von der Größe eines Kinderkopfes, in Klarsichtfolie verpackt und mit einer hübschen Samtschleife verschlossen. "Eu espero, que goste de chocolate" (Ich hoffe Sie mögen Schockolade), fragt er mich mit seinem Zahnpastalächeln und wünscht mir "bom descanso" - eine gute Nacht.
Ich freue mich über diese Aufmerksamkeit des Hotels und staune über die enorme Größe und das Gewicht meines Geschenkes. Später stellt sich heraus, dass das Gewicht von den Pralinen kommt, die im Inneren des Eis, sozusagen als Überraschung in der Überraschung, versteckt sind.

Am nächsten Morgen wache ich aus einem tiefen und traumlosen Schlaf auf und blicke auf einen wolkenverhangenen Himmel. Keine Stadt sieht bei Regen wirklich gut aus, aber Sao Paulo deprimiert besonders, mit seiner Beton-Asphalt Architektur. Noch regnet es nicht und außerdem ist es warm, also Frühstück auf der Terrasse der Bar "Upstairs", in der das Hyatt exklusiv für die vielen Lufthansa Crews, die das Hotel bewohnen, ein äußerst günstiges und sehr gutes Frühstücksbuffet aufgebaut hat. Man trifft hier immer Kollegen, die man vielleicht schon lange nicht mehr gesehen hat und kann bei netten Gesprächen und echtem brasilianischen "café com leite" stundenlang schlemmen. Was für eine nette Geste und was für ein nettes Hotel. Wir sind in Brasilien!
Später möchte ich mich mit meiner Freundin Andrea Nishiyama treffen, aber da sie, selbst Flugbegleiterin bei der braslilianischen Gesellschaft TAM, erst heute morgen aus London gekommen ist möchte ich ihr ein paar Stunden Ruhe gönnen. So beschließe ich zurück auf mein Zimmer zu gehen und in meinem Buch "In meinem kleinen Land" weiterzulesen. Ich nehme auf dem Ohrensessel am Fenster meines modern eingerichteten Zimmers platz und fange an zu lesen. Mittlerweile entläd sich das Gewitter, das schon den ganzen Morgen seine dunklen Wolken über uns geschickt hat mit heftigen Regengüssen. So muss man wenigstens kein schlechtes Gewissen haben, die Zeit nicht draußen zu verbringen.
My current lecture
Jan Weilers "In meinem kleinen Land" ist das Geschenk meiner lieben Freundin und Kollegin Petra, der ich unlängst ein paar Tipps zur Vorbereitung auf die Bewerbung einer Purserstelle gegeben habe. Im Laufe dieses Abends in einem Münchner Cafés am Hofgarten redeten wir auch über Bücher, die uns in letzter Zeit besonders gefallen haben. Unabhängig voneinander hatten wir "Maria, ihm schmeckt's nicht" in unserer persönlichen Bestenliste. Mir hatte ein befreundeter Kollege das Buch mit dem Vermerk "unbedingt lesen" in mein Dienstpostfach gelegt, wo ich es fand, als ich auf eine 5 Tagestour ging. Unser erster Stopp dieser Tour war Madrid und ich fing abends in meinem Hotelbett an zu lesen. In den folgenden Stunden wurde ich mehrmals von so heftigen Lachattacken geschüttelt, dass ich schon befürchtete mein Zimmernachbar könnte sich über mich beschweren. Als ich meine Lektüre wieder aus der Hand legte war es bereits 6 Uhr morgens und das Buch ausgelesen.
Zwei Tage nach unserem Treffen fand ich ein Päckchen von Petra in meinem Briefkasten, darin zwei Bücher, eins davon "In meinem kleinen Land" von Jan Weiler, dem Autor von "Maria, ihm schmeckt's nicht" und eine Pippi Langstrumpf Karte, die mir jetzt als Lesezeichen dient. "Neun Monate Deutschland" überschreibt der Autor auf dem Klappentext, seine Erfahrungen einer Leserreise, die ihn in unzählige Städte und Städtchen unserer Republik geführt hat. Neun Monate Deutschland - das hört sich fast nach Gefängnisstrafe an ist jedoch eher eine humorvolle Liebeserklärung an unser Land und meine Lektüre für diesen regnerischen Ostersonntag.

Sonntag, 1. April 2007

Ein Wochenende in San Francisco

Ich muss etwa 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein, als mir die Stadt in der Krimiserie "Die Straßen von San Francisco" mit dem jugendlichen Michael Douglas und Carl Malden in den Hauptrollen, zum ersten Mal "begegnete". Die Lage am Meer, die hügeligen Straßen, die damals schon antik anmutenden Cable Cars und Kalifornien, damals der Teenagertraum von einem unerreichbar fernen Land, in dem immer die Sonne scheint und es niemals schneit, haben mich seither in ihren Bann gezogen.
Driving home
Später, es war der Sommer 1992, machte ich mit meinem Bruder eine Reise mit einem Mustang Cabriolet, ein zur Realität gewordenes Roadmovie, durch Kalifornien und kam dabei zum ersten Mal nach San Francisco. Ich erinnere mich noch genau, wie wir, mit offenem Verdeck, über die Golden Gate Brücke in die Stadt fuhren und wie mein Bruder, der San Francisco schon von einigen Layovern her kannte, mir die Highlights zeigte. Noch heute, immer wenn ich hier bin, erinnere ich mich daran, wie wir gemeinsam die berühmten Serpentinen der Lombard Street herunterfuhren, durch Fisherman's Wharf schlenderten und mit der Straßenbahn die Stadt erkundeten.

Es sind gut 2 Jahre her, seit ich zum letzen Mal hier war und so beschließe ich in der Stadt zu bleiben und ein bisschen durch die Straßen zu schlendern.
Bald finde ich mich in Chinatown, dem bekannten chinesischen Stadtteil, wieder. War man gerade noch in Amerika und ging an den typischen, schmucken, kleinen Apartmenthäusern vorbei, wähnt man sich nun in einer anderen Welt. Die Geschäfte bieten ein breites Spektrum chinesischer Waren an. Neben feinster Jade für mehrere tausend Dollar, wird billige Massenware aus dem Reich der Mitte feilgeboten. Auf den Straßen sieht man alte Chinesen, die gebeugt an einem Stock gehend, die steilen Straßen erklimmen, neben Touristen. Restaurants bieten Schweinefleisch süß-sauer und andere chinesische Spezialitäten an. Die Gerüche erinnern an Shanghai.
Entstanden ist Chinatown zur Zeit des Kalifornischen "Gold Rush", als große Goldfunde tausende von Desperados nach Westen lockten auf der Suche nach dem schnellen Glück. Es wurden Eisenbahnlinien gebaut, die den Westen mit dem Rest des Landes verbanden. Dazu brauchte man billige Arbeitskräfte und die kamen aus China. Gedemütigt, misshandelt, ghettoisiert und eingeschüchtert träumten sie damals von einer Rückkehr in ihre Heimat als wohlhabende Leute. San Francisco, damals nicht die schicke reiche Küstenstadt von heute, sondern ein Dreckloch aus Bretterbuden und unbefestigten, schlammigen Straßen, sollte ihre Heimat werden.
Obwohl die Nachfahren der Eisenbahnarbeiter längst amerikanische Staatsbürger geworden sind und die meisten es zu Wohlstand gebracht haben, sind sie in erster Linie immer noch Chinesen. Davon zeugen chinesische und taiwanesische Flaggen, die überall einträchtig und stolz auf den Dächern wehen.
Coit Tower
Von Chinatown gehe ich weiter an der Transamerica Pyramid vorbei in Richtung Coit Tower, einem Aussichtsturm, hübsch auf einem der Hügel, dem Telegraph Hill, gelegen, von dem man die ganze Stadt überblicken kann. Auf der Grünfläche davor beobachte ich eine Gruppe junger Leute, bei ihren waghalsigen Capoeira Übungen, bevor ich den Aufzug auf die Turmspitze nehme.
Capoeira
Das Wetter ist herrlich, nicht ein Wölkchen trübt den Himmel und überall versprühen Blüten ihren süßlichen Duft. Es riecht nach Sommer!
Der Ausblick ist wirklich spektakulär! Von hier oben kann man die gesamte Buch überblicken, sieht die Hochhäuser von Downtown, die Golden Gate Brücke auf der einen und die Bay Bridge auf der anderen Seite, die Gefängnisinsel Alcatraz und Sausalito auf der anderen Seite der Bucht.
Ich verweile ein wenig, genieße die Aussicht und setzte meinen Spaziergang fort, der mich noch bis zu der, etwa 10 Kilometer entfernten, Golden Gate Brücke bringen soll.

Mein nächstes Ziel ist Fisherman's Wharf, ein Vergnügungspark für Touristen, der im ehemaligen Hafen auf die alten Piers gebaut wurde. Hunderte von Geschäften, Restaurants, ein Aquarium und Ausflugsboote ziehen täglich tausende von Touristen an. Ich lasse mich von der Menge treiben, kaufe mir einen kleinen Snack und beobachte bei dessen Verzehr die Menschen.
Ein Besuch von Fisherman's Wharf wäre nicht komplett, wenn man nicht noch einen Abstecher zu den Seelöwen gemacht hätte, die sich in Mitten des Touristenrummels, auf, eigens für sie im Wasser installierten, Plattformen sonnen und die ihnen entgegengebrachte Aufmerksamkeit sichtlich genießen.

Nun gehe ich immer an der Küste entlang in Richtung Golden Gate, der Stelle, die die Bucht vom offenen Pazifik trennt. Es ist Samstag und überall sind Menschen, die ihren Wochenendvergnügungen nachgehen. Auf einer Wiese findet ein Fußballturnier kleiner Mädchen statt, die von ihren stolzen Eltern angefeuert werden, ein wenig weiter werden Lenkdrachen von wahren Meistern ihres Faches steigen gelassen, die in der Luft die unglaublichsten Manöver vollführen und wieder ein Stück weiter kann man Kite- und Windsurfer beobachten, die von dem starken Wind, in atemberaubender Geschwindigkeit, über das Wasser gepeitscht werden.
Flying
Als ich am Fuß der Golden Gate Brücke angekommen bin, bin ich müde und vom Seewind ausgekühlt. Ich sitze noch ein paar Minuten am Wasser beobachte von unten den Verkehr auf der Brücke und versetzte mich in meinen Gedanken in die Zeit ihrer Entstehung zurück, in der man noch alle Grenzen für überschreitbar hielt.

Sonntag, 18. März 2007

New York, New York

Noch die letzten Vorbereitungen abschließen, die Container in den Galleys verschließen und verknebeln, den Kabinencheck machen und Klarmelden. Es ist bereits Abend, als unser Airbus A 340 auf dem Flughafen JFK in New York zur Landung ansetzt.
Viel zu lange war ich nicht mehr hier, in der Stadt von der man sagt sie schafe nie und von der es in einem Lied heißt "wenn Du es hier schaffst, schaffst Du es überall". Eigentlich sind die Flüge an die Ostküste der Vereinigten Staaten zu kurz um den Einsatz eines "Purser I" zu rechtfertigen und so komme ich nur alle Jahre einmal in den Genuss eines Fluges hierhin, meistens dann, wenn es darum geht neue Kolleginnen einzuweisen, denn das ist meine Aufgabe. So ist es auch diesmal.
Ich treffe Anja und Claudia in unserer Kantine bei einer Tasse Kaffee und im Kreise ihrer Lehrgangskolleginnen. Zum ersten Mal tragen sie die Lufthansa Uniform, zum ersten Mal Briefing, ihr erster Flug. Immer in Zweierpaaren werden neue Flugbegleiter, nach Beendigung ihrers Lehrgangs, auf die verschiedenen Flüge aufgeteilt um dort noch ein letztes "Training on the Job", einen Feinschliff, zu bekommen. Claudia und Anja fliegen nach ihrem New York Umlauf noch nach Hong Kong und nach Sao Paulo.
Fligth Attendant Inauguration
Sie erzählen mir wie aufgeregt sie sind und man merkt Ihnen ihre Nervosität an. So gut es geht versuche ich sie zu beruhigen, versuche ihnen klar zu machen, dass ich stets in Rufnähe sein werde, wenn sie selbst nicht mehr weiterwissen.
Die Aufregung legt sich schnell, sowie die ersten Passagiere an Bord kommen und die eigentliche Arbeit beginnt, ist dafür einfach keine Zeit mehr. Mit großer Professionalität meistern sie ihren ersten Flug und nach der Landung könnte man meinen, sie hätten nie in ihrem Leben etwas anderes gemacht.
Als wir den Terminal verlassen ist es bereits dunkel und außerdem kalt und windig. Verwöhnt vom deutschen Winter, der eigentlich ein Frühling war, frösteln wir als wir die paar Schritte zu unserem Bus laufen.
Die Fahrt führt uns durch Queens, vorbei an dem Gelände der ehemaligen Weltausstellung, mit ihren Skulpturen, die auch aus dem Film "Man in Black" und dem Vorspann der Fernsehserie "King of Queens", bekannt sind und dann über den East River, hinein nach Manhattan. An diesem Anblick kann man sich einfach nicht satt sehen. Die bekannteste Skyline der Welt, mit den beiden erleuchteten Wahrzeichen der Stadt, dem Empire State Building und dem Crysler Building, sowie den zahlreichen namenlosen Riesen, die diesen Anblick so einmalig machen.
Schon tauchen wir ein, in ein Meer aus Stahl, Glas und Beton, werden mitgerissen von der Lawine des Feierabendverkehrs. Aus meinem Fenster heraus sehe ich Bettler, die sich ihren Schlafplatz auf einem der unzähligen U-Bahnschächte sichern, elegant gekleidete Menschen, die ihre Büros verlassen um in ihre Häuschen in New Jersey zurückzukehren, Theaterbesucher, die sich, bevor ihre Vorstellung auf dem Broadway beginnt, noch schnell eine kleine Stärkung in einem der zahlreichen Restaurants oder Cafés zu sich nehmen und überall die riesengroßen, flutlichtbestrahlten Werbetafeln, die oft die Höhe eines ganzen Wolkenkratzers einnehmen.
Times Square
Unser Hotel, das Crowne Plaza, liegt am Times Square, mitten im Herzen Manhattans, ein Platz der immer taghell erleuchtet ist, von den Neonreklamen, die von jedem freien Fleck der umliegenden Gebäude herunterstrahlen. Hier ist New York, wie man es sich vorstellt: Ein steter Strom von Touristen und New Yorkern, der bis spät in die Nacht nicht abreißt, Elektronik - und Souvenirläden, die nie zu schließen scheinen, Hotdogverkäufer, die sich mit ihren kleinen Edelstahlwägelchen auf den Gehsteigen positoniert haben und überall "wandelnde Werbetafeln", gegen die Kälte dick vermummte Menschen, die, eine Tafel vor und hinter ihrem Körper tragend, für den Besuch einer Vorstellung in einem der nahgelegenen Broadway-Theater werben.
Ich ziehe mich schnell um und gehe nochmal raus um die Stimmung aufzunehmen und noch einen kleinen Snack zu mir zu nehmen. Um 22 Uhr falle ich totmüde in mein Bett und schlafe sofort ein.

Sonntag, 4. Februar 2007

Erinnerungen sind ewig

"Reisen heißt die Welt besitzen", war das Motto von Burton Holmes (1870-1958), einem amerikanischen Reisefotografen, der, als Reisen einigen Wenigen dieser Welt vorbehalten war, für diejenigen, die es sich nicht leisten konnten, die Welt in wundervollen Fotos dokumentierte, die er später, handkoloriert, einem staunenden Publikum auf Vorträgen, in riesigen Sälen vorführte. - Ich befinde mich an Bord des Lufthansa Jumbos, der mich von Buenos Aires nach Sao Paulo bringt und blättere in dem, sehr lesenswerten Lufthansa Bordbuch, der monatlich wechselnden Lektüre für unsere Gäste. Durch Zufall lese ich den Artikel über Burton Holmes, dessen Fotos erst unlängst von der Herausgeberin Genoa Caldwell "wiederentdeckt" und in einem Bildband veröffentlicht wurden. Er heißt so, wie Burton Holmes auch seine Vortrage nannte "Travelogues - Reiseberichte".
Der vermögende Amerikaner, so lese ich dort, tat Zeit seines Lebens nichts anderes als zu Reisen und zu Fotografieren. Er überquerte 30 Mal den Atlantik und 20 Mal den Pazifik, umrundete mehrmals die Erde, produzierte mehr als 30000 Bilder und verschoss dabei 152 Kilometer Film.
Wie ähnlich wir uns doch sind, dieser Mr. Holmes, von dessen Existenz ich gerade erst erfahren habe, und ich. Beide lieben wir das Reisen und das Fotografieren, beide haben wir es zu unserem Beruf gemacht, er das Fotografieren, ich das Reisen und beide haben wir Reiseberichte veröffentlicht, er einem Millionenpublikum und ich einigen wenigen Lesern meines kleinen Blogs. Anders als ich war Holmes jedoch ein Pionier, denn das Medium Fotografie war gerade erst erfunden und das Reisen deutlich aufwändiger und mit ungleich mehr Planung verbunden als es das heute ist. Alles was ich brauche passt in eine kleine Aktentasche und die ist, der Bequemlichkeit wegen, auch noch auf Rädern: Meine Kamera und mein Laptop, ab und zu eine Steckdose und eine Internetverbindung.
Hand luggage
Mit was für Material Holmes wohl unterwegs war? Alleine seine Kamera dürfte mehr gewogen haben als all mein Gepäck zusammen, anders als ich dürfte er jedoch auch Personal gehabt haben, die es für ihn trugen.
Auf dieser Reise habe ich 999 Fotos gemacht. 999 Mal habe ich das, was ich sah für so interessant und faszinierend gehalten, dass ich meine Kamera aus der Tasche geholt und auf den Auslöser gedrückt habe. Eigentlich hatte ich, bevor ich das Lufthansa Bordbuch zur Hand nahm, bereits überlegt, welches der Fotos zum endgültigen Verbleib auf meiner externen Festplatte gespeichert und welches gelöscht werden soll. Aber das war bevor ich diesen Satz von Holmes las: "Die einzigen Dinge, die mir gehören, die immer noch das wert sind, was sie mich einmal gekostet haben, sind meine Reiseerinnerungen."
Ich glaube der Grund warum Menschen Reiseandenken kaufen, ist der, später für sich selber einen Beweis zu haben, dass man wirklich da war, dass man wirklich erlebt hat, was man erlebt hat. Aber Andenken sind Gegenstände, sie können abhanden kommen oder kaputt gehen. Erinnerungen sind ewig.

Samstag, 3. Februar 2007

Der Kreis schließt sich

Nochmal 10 Stunden in einem der Luxusbusse, die das Land mit einem dichten Netzwerk überziehen. Ich nehme Platz auf dem Lederfauteuil und schlafe fast sofort ein. Als ich wieder aufwache kann ich bereits die Silhouette der argentinischen Hauptstadt am Horizont sehen. Der Kreis schließt sich, ich bin wieder dort, wo ich meine Reise vor fast genau einem Monat begonnen habe. Nur noch eine Nacht habe ich in Buenos Aires, bevor ich, nach einem Stopp in Sao Paulo, meinen Heimflug antreten werde.
Diesmal ist mein Zimmer sofort beziehbar und ich schlafe noch zwei Stündchen bevor ich ein letztes Mal im pulsierenden Leben der Metropole aufgehe.
Nochmal gehe ich meine Lieblingsplätze ab: das Café Florida, das Tortoni und schlendere durch das Viertel Palermo, versuche die Sonne und die Wärme in mir zu speichern, trinke noch einen letzen Kaffee in einem der schicken Lokale an der Straße.
Vorgestern habe ich auf der Internetpräsenz des Nachrichtensenders ntv einen Artikel über die teuersten und billigsten Städte dieser Welt gelesen. Demnach ist es nirgendwo preiswerter einen Wochenendtrip zu verleben als in Buenos Aires (der Flugpreis war bei dieser Statistik ausgenommen). Eine der teuersten Städte für dieses Vergnügen war zu meiner großen Überraschung München (Platz 5).
Es wird schon Abend als ich mich auf den Weg zurück in mein Hotel mache. Ein letztes Mal überschreite ich die "Avenida 9 de Julio", der mit 14 Spuren breiteste Boulevard der Welt, in dessen Zentrum ein riesiger Obelisk mahnend seinen Finger in den Himmel streckt. Neben der Türmchenarchitektur der alten Wohnhäuser der Oberklasse und der wellblechverkleideten Armensiedliung "La Boca", eines der Wahrzeichen von Buenos Aires.
Avenida 9 de Julio
Noch einmal Abendessen im "Filo". Diesmal erinnere ich mich an einen Trick, den mir mein Onkel Georg aus Chicago vor vielen Jahren einmal verraten hat. Wer eine wirklich aufmerksame Bedienung will, sollte das (großzügig bemessene) Trinkgeld bereits geben, bevor man die Bestellung aufgibt. Ich gebe meiner Bedienung also einen Betrag, der etwa 25% der Rechnungssumme ausmachen wird, als ich ihr meine Bestellung nenne und werde ich fortan von Bedienungen umschwirrt, wie Licht von Motten.
Auf meinem Heimweg genieße ich nochmal den warmen Abend, schaue den Nachtschwärmern zu, wie sie die Lokale verlassen um sich in andere Vergnügungen zu stürzen.
Getting night
Ich hätte noch länger bleiben können, mit VISA und Mastercard kein Problem, wenn sich nur nicht die Höhe meines Kontostandes und meine Anwesenheit in Deutschland gegenseitig bedingen würden. Und trotzdem: ich freue mich auf Zuhause, ich freue mich auf meine Wohnung, wieder in (m)einer Sprache sprechen zu können, ohne missverstanden zu werden, auf meine Familie und Freunde, auf meine Routine. In Deutschland bin ich zu Hause.

Donnerstag, 1. Februar 2007

Das Geisterhaus

Mein letzter Tag in Cordoba und meine letzte Wanderung dieser Reise. Sie soll mich in den Ort La Falda führen, der besonders für seine Vergangenheit bekannt ist, denn hier stand einst das beste Hotel des Landes, das "Eden Hotel". Heute werden Führungen durch die einstige Luxusherberge angeboten, für mich Grund genug mich nochmals in die Sierra Pampina zu begeben und den kleinen Ausflug mit einer letzten Wanderung zu verbinden.
La Falda ist ein Luftkurort und beherbergt heute viele Gäste, was die große Anzahl der kleineren und größeren Hotels belegt. Das war nicht immer so. In den 20er bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein war es den Reichen und Berühmten dieser Welt vorbehalten sich hier zu erholen.
Anfangs des 20. Jahrhunderts kauften die Brüder Eichhorn aus Deutschland billig Grund von einem Großgrundbesitzer der Region. Ihr ehrgeiziges Projekt war es, ein Hotel der Luxusklasse zu bauen, um, des guten Klimas wegen, vor allem zahlungskräftige Lungenkranke aus aller Welt anzuziehen, die sich hier kurieren sollten.
Bei der Ausführung des Baus wurde an nichts gespart. Die feinsten Hölzer für das Intarsienparkett, Carara Marmor und Bodenfliesen aus Italien, englischer Rasen für den hauseigenen Tennisplatz. Um ihre Gäste mit elektrischem Strom zu versorgen, damals in der argentinischen Provinz ein absolutes Novum, wurden aus Deutschland Generatoren importiert, mit denen ein kleines, hoteleigenes Kraftwerk betrieben wurde.
Bevor meine Führung beginnt habe ich noch etwa 20 Minuten Zeit, die ich, sagt mir die Dame am Eingang, wenn ich möchte, in "Museum" verbringen könnte. Museum? Das ist nichts weiter als eine Abstellkammer, mit dem Gerümpel, das nach der Aufgabe des Hotels übrig geblieben ist. Zu den Exponaten zählt ein Flügeltorso, der ohne Beine, Saiten und auch ohne Klaviatur, auf einer Seite an der Wand steht. Ein handgeschriebener Zettel, der mit Tesafilm darauf angebracht wurde, bittet darum, ihn nicht zu berühren.
Eden Hotel
Weiter hinten steht ein "orthopädische Bett" des Baujahres 1896, dessen Anblick mich bereits Rückenschmerzen bekommen lässt. Es folgt ein alter, hölzerner Kühlschrank, ohne Türen, die ehemalige Rufanlage, mit der die Gäste, mittels Knopfdruck in den Zimmern, kleine Glocken die an einer Holzwand im Servicebereich angebracht waren, erklingen lassen konnten, um das Hauspersonal in ihre Zimmer zu bestellen, sowie türlose Holzspinde der Hotelangestellten. Das Parkett ist unter dem Schmutz kaum noch zu erkennen, durch eine zerbrochene Fensterscheibe fliegt in regelmäßigen Abständen ein kleiner Vogel, um dann in einem Loch in der Decke zu verschwinden. Hierbei handelt es sich wohl um den jetzigen Bewohner.
Die Führung beginnt mit einer Videopräsentation, in der man in die Geschichte eingeführt wird und die, mittels alter Aufnahmen, die wohl von ehemaligen Gästen stammen, das Treiben der Bewohner zu damaliger Zeit dokumentiert. Zu Gast waren hier, so erfährt man, Albert Einstein, der Herzog von Savoyen, Ernesto "Che" Guevara, der Zeit seines Lebens an einer Lungenkrankheit litt, sowie unzählige Präsidenten, Schauspieler, Sänger und Adel aus aller Welt. Die Verweildauer der Gäste aus Europa betrug im Schnitt 3 Monate, sonst hätte sich die lange Seereise nach Buenos Aires und die anschließende, mehrtägige Eisenbahnfahrt von dort nach La Falda nicht gelohnt.
Die Führung beginnt mit den Bereichen des Hotels, die nur den Angestellten vorbehalten waren: Die Wäscherei, in der den ganzen Tag über per Hand die Hotelwäsche gewaschen wurde (Reinlichkeit war wichtig zu einer Zeit als es noch kein Penicillin gab und TBC als unheilbare Krankheit galt), die hauseigene Werkstatt für den Fuhrpark von Gästen und Hotel, sowie dem Kraftwerk, in dem immer noch die Generatoren mit ihren riesigen Schwungrädern zu sehen sind.
Als wir den Gästetrakt betreten, bevölkern in meiner Phantasie wieder die illustren Bewohner aus längst vergangenen Zeiten die Räumlichkeiten. Ich lasse den alten, bein- und saitenlosen Flügel wieder erklingen, sehe Bedienstete in schwarzem Livree und elegant gekleidete Damen in Abendkleidern die breite Treppe hinab schreiten.
Wir gehen an den ehemaligen Gästezimmern vorbei und können einen Blick in die Präsidentensuite werfen. In einer alten Badewanne liegt der Schmutz von Jahrzehnten, eines der Löwenfüsschen, auf denen sie stand ist bereits nicht mehr vorhanden. Ob in ihr wohl Albert Einstein entspannte und ihm neue Genialitäten einfielen, während er hier sein Bad nahm?
Eden Hotel
Der letzte Stopp der Führung ist das Kaminzimmer, einer der wenigen Räume, die in ihren alten Zustand zurückversetzt wurden. Hier hängen Kopien von den Kaufverträgen und Dankesschreiben der Gäste. Auch ein Schreiben von Adolf Hitler ist dabei, der dem "lieben Herrn Eichhorn" für die finanziellen Zuwendungen dankt, ohne die er wohl die Organisation (gemeint ist die NSDAP) nicht hätte aufrecht erhalten können und ihm zum Dank die goldene Ehrennadel überreicht. Er verabschiedet sich "mit deutschem Gruß".
Nach der Führung sitze ich noch ein wenig auf den Stufen des Eingangs und lasse die Stimmung auf mich wirken. Was hätte Einstein, überlege ich, wohl zu den ganzen Veränderungen der letzten Jahrzehnte gesagt, wenn er heute wieder auf die Welt käme. Hätte er Satelitennavigation, Mobiltelefone, Laptops, Digitalkameras und das Internet mit seinem genialen Geist verstehen können?

Mittwoch, 31. Januar 2007

"Listo"

Basilica Santo Domingo
Unter der Kuppel ist ein Netz gespannt. Es macht mich neugierig, ich vermute zunächst, das es ein Schutz gegen Vögel ist die durch die Fenster der Kuppel in die Kirche kommen. Erst als ich näher komme, kann ich den eigentlichen Grund erkennen, denn auf dem Netz liegen Bruchstücke des Deckenfreskos sowie einige größere Stücke des Stucks der Kuppel. Die Basilika Santo Domingo ist in einem erbärmlichen Zustand. Überall lösen sich großflächig die Fresken, es sind Risse zu erkennen, in die ich problemlos meine Hand stecken könnte. Was von außen nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist bestätig sich bei genauerem Hinsehen: Diese Kirche ist keine Ausnahme sondern die Regel. In all den Basilikas, Jesuitenmissionen und Kathedralen der Stadt sieht es aus, wie in ostdeutschen Städten vor der Wende. Sie sind nur noch mit Millionenaufwand zu retten oder werden die nächsten 50 Jahre nicht mehr überstehen.
In keinem Ort, in den mich meine Reise bislang geführt hat, ist der wirtschaftliche Niedergang des Landes besser dokumentiert, als hier in Cordoba. Viele der Kirchen wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt, aber die zur Verfügung gestellten Mittel haben entweder nicht ausgereicht um den Verfall zu stoppen, oder sind anderen "Projekten" zu Gute gekommen.
Ist die katholische Kirche nicht Eigentümer dieser Kulturdenkmäler und wäre sie nicht für deren Erhalt verantwortlich?
Ich verlasse die Kirche und setze meinen Erkundungsgang durch die Stadt fort. Die Straßen sind, wie fast überall in Argentinien, im Schachbrettmuster angelegt, jeweils Einbahnstraßen, und die Hausnummern sind nicht durchgängig, sondern steigen je Block auf den nächst höheren, vollen Hunderter (im ersten Block alle Nummern von 100 bis 1xx, im zweiten von 200 bis 2xx, usw.).
Verlässt man die historische Innenstadt wird Cordoba zu einer gesichtlosen Stadt. Das einzig auffällige ist, dass die meisten Apartmenthäuser aus roten Ziegeln gemauert sind, was mich stark an die spanische Hauptstadt Madrid erinnert und die vielen jungen Menschen auf den Straßen. Kaum jemand ist älter als ich.
Cordoba ist Bildungszentrum des Landes. Es gibt 7 Universitäten, die landesweit einen hervorragenden Ruf besitzen. Man merkt an den Buchläden und Geschäften, in der Nähe welcher Fakultät man sich gerade befindet. Geschäfte für Künstlerbedarf, Bücher über Kunstgeschichte in der Auslage der Buchhandlungen, hier muss ich wohl nahe der Fakultät der Schönen Künste sein. Zwei Blocks weiter dann anatomische Bücher, Geschäfte die sich auf Krankenhausbedarf spezialisiert haben, junge Menschen, die in blauen OP Uniformen auf dem Heimweg sind: die medizinische Fakultät kann nicht weit sein.
Ich beende meinen Rundgang, denn ich muss noch ein letztes Mal auf dieser Reise meine Wäsche waschen. Ich erkundige mich im Hotel nach einer Wäscherei in der ich selbst waschen kann, denn ich traue den Wäscherinnen nicht. Nicht erst ein Mal habe ich meine Wäsche eingelaufen oder verfärbt wiederbekommen, wenn ich den Service einer Wäscherei auf Reisen in Anspruch genommen habe.
Direkt gegenüber vom Hotel befindet sich eine Wäscherei, deren Besitzer schon mal einen Fremden an seine Maschinen lässt, wird mir gesagt. Als ich darum bitte selbst waschen zu dürfen ernte ich zwar zunächst fragende Blicke, aber schließlich lässt er mich doch gewähren. Während ich auf meine Wäsche warte beobachte ich immer abwechselnd die Waschmaschinen, in ihren ewig gleichen, rotierenden Bewegungen ein fast meditatives Erlebnis, und den Wäschereibesitzer,der seiner Tätigkeit mit großer Inbrunst nachgeht. Bald merke ich, dass ich ihm meine Wäsche problemlos hätte anvertrauen können. Immer wieder stoppt er die Trockner, prüft jedes einzelne Wäschestück, sortiert die bereits trockenen aus und gibt den Rest wieder in die Maschine, um ein möglichst schonendes Trockenen der Wäsche zu gewährleisten. Die bereits trockenen Stücke werden mit völlig übertriebenem Körpereinsatz zusammengefaltet und dann noch mit einer Flüssigkeit besprüht, die nach Rosenwasser riecht.
Nach jedem Arbeitsgang entfährt ihm ein "listo", was soviel wie "fertig" bedeutet und was man hier von jedem, überall und andauernd hört. Das "s" wird dabei nicht gesprochen, sondern nur leicht hauchend angedeutet. Man bindet sich die Schuhe: "listo", nach dem Händewaschen: "listo", nach dem Beenden einer Mahlzeit: "listo". Man kann es wohl am besten mit unserem deutschen "so" vergleichen, dass man -zig mal am Tag gedankenlos vor sich hinsagt. Ich habe mir diese Eigenart bereits angewöhnt.
Listo!

Dienstag, 30. Januar 2007

El Condor Pasa

"Quer caminar un rato?", fragt mich der Fahrkartenkontrolleur als er den Zielort auf meinem Fahrschein sieht. Pampilla steht darauf und das ist der Eingang zum Nationalpark "Quebrada del Condorito", was soviel bedeutet wie "Schlucht des kleinen Kondors". Der jüngste der argentinischen Nationalparks wurde erst Ende der 90er Jahre eingerichtet, da er als Brutgebiet der Kondore, der größten Vögel der Anden, und damit als besonders schützenswert gilt. Hier schlüpfen die Jungtiere und hier kann man sie bei den ersten Flugübungen beobachten. Schon seit Tagen freue ich mich auf diese Wanderung, deren Höhepunkt das Erreichen des "Balcon Norte" ist, einem Felsenvorsprung, von dem man nicht nur einen atemberaubenden Blick in die Tiefe Schlucht, sondern auch in die "Wohnstube" der Kondore genießen kann.
Als ich Cordoba verlasse brennt die Sonne bereits vom Himmel und es ist warm. Trotzdem packe ich meinen Drypack und meine Regenjacke in den Rucksack. Außerdem nehme ich noch ein Halstuch mit, das ich mir notfalls so unter meine Mütze stecken kann, dass der Nacken geschützt ist, und jede Menge Wasser, soviel mein Rucksack fassen kann. In meinem Führer steht, dass es in der Schlucht im Sommer bis zu 50°C heiß werden kann.
Als wir uns den Bergen nähern sehe ich erste Quellwolken über ihnen stehen. Kein Grund zur Besorgnis, denke ich, heftige und kurze Regenschauer sind im Sommer nicht selten. Immer höher klettert mein Bus auf den Serpentinen empor und nach etwa 2 Stunden Fahrzeit gibt mir der Kontrolleur zu verstehen, dass ich mein Fahrziel erreicht habe. Ein kurzer Stopp mitten auf der Strecke und ich kann aussteigen. Ein erster Schock kommt sofort: Es hat sich stark abgekühlt und es weht ein starker Wind. Außerdem ist von dem Eingang zum Nationalpark weit und breit nichts zu sehen. Ich ziehe meine Regenjacke an um mich gegen den Wind zu schützen und entscheide mich für eine Richtung, in die ich laufe. Als ich eine kleine Anhöhe erklommen habe, kann ich auf der anderen Straßenseite etwas wie einen kleinen Wegweiser sehen. Tatsächlich ist auf dem Wegweiser die Parkwächterstation des Nationalpark angeschrieben, nur 1 1/2 Kilometer. Ich gehen in die angewiesene Richtung und komme bald an einen Zaun, der das Gelände, das man nun betritt, als Privatgrund ausgibt, und diesen kann man nur über eine kleine Klettervorrichtung betreten.
"Un dia feio", ein "hässlicher Tag", begrüßt mich der Park Ranger. Auf meine Frage warum antwortet er "Weil es regnet", aber eigentlich ist es ja nur bewölkt und windig. So stellt man sich einen Park Ranger vor: braungebrannte, wettergegerbte Haut, eine olivgrüne Uniform, kantiges, glattrasiertes Gesicht. Er erklärt mir kurz den Weg und auf welche Markierungen ich zu achten habe, händigt mir eine Karte aus, bittet mich die Hinweisschilder bezüglich der wilden Tiere zu lesen und entlässt mich mit einem freundlichen Lächeln.
Auf dem angesprochenen Hinweisschild werden Hinweise zum Verhalten für die Zusammenkunft mit zwei Tieren gegeben: Dem Puma, oder auch Berglöwen, und einer giftigen Schlange, deren Kopf auf dem Schild nochmals im Detail abgebildet ist (dreieckige Kopfform, Himmelfahrtsnase). Sollte man auf einen Puma treffen wird geraten: 1.) Ruhe bewahren! 2.) Machen Sie sich größer als Sie sind indem sie ihre Arme in die Luft strecken 3.) Nicht wegrennen 4.) Sollte man Kinder dabei haben, sollen diese so dicht wie möglich am eigenen Körper gehalten werden 5.) Sollte der Puma angreifen: Laut schreien, mit den Armen um sich schlagen und mit den Beinen auf den Boden stampfen.
Sollte man von einer dieser Schlangen gebissen werden: 1.) Ruhe bewahren 2.)Seine Begleitperson sofort wegschicken um Hilfe zu holen ... In Ermangelung einer Begleitperson, die für die Punkte 3 bis 6 unerlässlich ist, habe ich nicht mehr weitergelesen. Schließlich weiss ich ja: Ruhe bewahren!
Der Wind wird immer stärker und treibt die dunklen Wolken immer schneller über mich hinweg. Ich habe mir für meine Wanderungen in Patagonien einen kleinen Kompass mit einem Thermometer gekauft, nicht viel mehr als ein kleines Spielzeug, aber genug um die Himmelsrichtung zu bestimmen, der mir jetzt um den Hals hängt. Die Temperatur, anfangs noch bei 15°C liegt jetzt nur noch bei 12°C. Was solls, solange ich in Bewegung bin, ist es nicht unangenehm. An einer Stelle an der man ins Tal hinabblicken kann, kann ich sehen, dass es dort heftig aus den dunklen Wolken regnet, die gerade noch über mich gezogen waren. Glück gehabt, sage ich mir.
Heavy rain
Nach etwa 1 1/2 Stunden Wanderung bewege ich mich jetzt schon sehr nahe an der Schlucht. Der Wind ist mittlerweile so stark, dass ich manchmal einen Schritt zur Seite machen muss um nicht zu stürzen und es fängt langsam an zu tröpfeln. Dicke Tropfen, die ziemlichen Lärm machen, wenn sie auf die Kapuze meiner Jacke in der Nähe des Ohres auftreffen.
Der Regen wird dichter und dichter, ich kann den "Balcon Norte" bereits sehen, bin vielleicht noch 200 Meter davon entfernt, als ich den ersten Donnerschlag höre. Der Regen ist jetzt so stark, dass meine Hose langsam nass wird. Ich entschließe mich dazu umzukehren, bei dem Wetter wäre eh kein Kondor zu sehen. Der Regen kommt mittlerweile waagrecht von der Seite, die Temperatur ist auf 8°C gesunken und der Weg ist schlammig, was das Laufen nicht erleichtert. Der Rückweg kommt mir ewig vor. Meine Schuhe sind zwar mit GoreTex gegen Wasser von außen geschützt, jedoch läuft es mir mittlerweile an den Beinen entlang in die Stiefel hinein, die bereits knöchelhoch gefüllt sind. Meine Hände sind blau und klamm. Ich fange lauthals an zu fluchen!
Als ich endlich die Station am Eingang des Parks sehe fange ich an zu rennen. Ich will nur eines: Endlich ins Trockene! In der Station sitzen schon mehrere Leidensgenossen und von allen bin ich noch der am besten Ausgerüstete. Viele haben nicht einmal eine Jacke dabei, nur Shorts und T-Shirt.
Ich frage nach dem nächsten Bus nach Cordoba. In einer halben Stunde, wird mir gesagt, aber man braucht nochmals 20 Minuten bis an die Straße. Mit einer kleinen Gruppe mobilisiere ich nochmals meine Kräfte und kämpfe mich durch Sturm und Regen die letzen Meter bis zu der Stelle wo wir den nächsten Bus anhalten können. Als ich gerade über den Zaun klettern will, sehe ich 2 Kondore, offensichtlich Jungtiere, die auf der Wiese sitzen, und, genau wie wir, nicht sehr glücklich über das Wetter zu sein scheinen. Der Ausflug hat sich doch noch gelohnt.

Montag, 29. Januar 2007

Einfach nur Sonntag

"Socialismo ou muerte?"
Ein strahlend blauer Himmel begrüßt mich, als ich die Augen aufschlage. Es verspricht ein warmer Tag zu werden und da Sonntag ist, auch ein guter Tag für eine Stadtbesichtigung, denn es ist ruhiger und man hat die Innenstadt für sich alleine.
Bevor ich dazu aufbreche möchte ich noch ein Stündchen am Hotelpool verbringen. "Müßiggänger sind Abenteurer, angesichts der beschränkten Lebenszeit, die uns allen zur Verfügung steht", habe ich kürzlich gelesen. Also begebe ich mich heute mal in das Abenteuer Müßiggang.
Als ich mich von meinem Liegestuhl erhebe ist es bereits 3 Uhr Nachmittags. Jetzt aber los!
Die Stadt ist wirklich ausgestorben, kaum ein Auto, kaum Fußgänger, kein Café, das geöffnet hat. Die Fenster der Häuser sind, der Hitze wegen, mit Jalousien oder Fensterläden verschlossen. Selbst im Park sind kaum Menschen, 3 Paare, die auf karierten Decken im Schatten der großen Bäume sitzen und sich die riesige Fläche teilen.
Über allem liegt bleischwer Langeweile.
Ich mutmaße bereits, dass sich alle Bewohner irgendwo versammelt haben, um ein rauschendes Fest zu feiern, das ich jetzt gerade verpasse, aber dem ist nicht so. Es ist einfach nur Sonntag.
So setze ich mich also auf eine Parkbank, ziehe meinen Führer aus dem Rucksack und beginne mit der Planung meines morgigen Tages, der mich in den Nationalpark Condorito führen soll.

Sonntag, 28. Januar 2007

Mitten in der Pampa

Die "Pampa" ist für uns in Deutschland Synonym für Langeweile, für Provinz, für ländliche Abgeschiedenheit. Tatsächlich ist "Pampa" eine Provinz Argentiniens und zwar ziemlich genau im Herzen des großen Landes. Ob hier auch wirklich das Herz der Nation schlägt, habe ich mich aufgemacht herauszufinden. Cordoba, die Provinzhauptstadt soll für die nächsten Tage meine Basis werden für Ausflüge in die nahegelegene Sierra Pampina, ein Gebirgszug, der angesichts der nahen Anden von Touristen eher links liegen gelassen wird und mich daher umso mehr anzieht.
Meinen eigentlichen Plan soweit in den Süden zu fahren, wie man kann, bis an das Ende des Kontinents, in die Stadt Calafate, habe ich aufgegeben. Ich hatte keine Lust mehr auf Touristenrestaurants, wo man nach dem Geschmack der Gäste kocht, auf Massen an Menschen, die an Sehenswürdigkeiten für ein schnelles Foto ausgeladen werden und ihrem Urlaubszeitplan hinterher hetzen, auf ein Argentinien, das man sich bemüht so zu gestallten, wie es die Touristen vermeintlich vorzufinden wünschen.
Ich möchte das ursprüngliche Argentinien kennen lernen, einfach so wie es ist, möchte erfahren wie die Menschen hier leben, was sie bewegt. Was war also naherliegender, als mitten in die Pampa zu fahren.
So bin ich gestern Abend in Cordoba angekommen, der zweitgrößten Stadt des Landes und der Hauptstadt des landwirtschaftlichen Zentrums. Was zuerst auffällt, als unser Flugzeug die Wolkendecke durchstößt, ist das satte Grün, das man überall sieht. Keine Wälder, keine Felder, überall Weiden, nur saftige grüne Weiden. Das Fleisch der argentinischen Rinder ist deshalb so zart, weil es hier weniger Wasser gibt und das Fleisch daher trockener ist, aber nach Wasserarmut sieht es hier nicht aus.
In der Tat werde ich am Morgen von heftigem Regen geweckt, der an mein Fenster klopft. Er soll bis in den späten Nachmittag nicht aufhören, aber das weiß ich noch nicht, als ich das Hotel verlasse, um die Stadt zu Fuß zu erkunden. Ich bin hier in einer der ältesten Städte des Kontinents. Knapp 80 Jahre nach dessen "Entdeckung" wurden hier, von der spanischen Krone und den Jesuiten, schon prächtige Kathedralen und Klöster gebaut. Offensichtlich blieb auch ihnen das landwirtschaftliche Potenzial der Region nicht verborgen. Die Fülle an gut erhaltenen Gebäuden aus der Kolonialzeit fällt auf und dafür ist Cordoba auch bekannt. Nur richtig genießen kann ich meinen kleinen Stadtrundgang nicht, dafür regnet es zu stark. So beschließe ich mich in ein Café zu setzten und in meinem "Nachtzug nach Lissabon" zu lesen.
In meinem Führer lese ich zufällig von einem Antiquitätenmarkt, der immer am Wochenende zwischen 17 und 22 Uhr stattfindet. Ich schaue auf den Stadtplan und stelle fest, dass ich ganz in der Nähe bin, also beende ich meine Lektüre und mache mich auf den Weg.
Ich mag es auf diesen Märkten zu stöbern. Ich mag alte Dinge, Dinge mit Geschichte. Es macht mir Spaß mir vorzustellen, wer ein altes Möbelstück vorher wohl besessen hat, was seine Geschichte war, bevor es hier landete und wer es wohl erstehen und mit nach Hause nehmen wird.
Es herrscht Flohmarktstimmung, neben Antiquitäten wird auch der übliche Tand angeboten. In einer Gasse verkaufen alte Damen Selbstgebackenes um ihre Rente aufzubessern. Lange laufe ich umher, gehe in einige Geschäfte um die Ware anzuschauen, ein paar Worte mit den Besitzern zu wechseln, die Atmosphäre zu genießen.
Schließlich komme ich an einem Geschäft vorbei, das sich auf alte Uhren und optische Geräte spezialisiert hat. Im Schaufenster entdecke ich ein Mikroskop, das genau so aussieht, wie das, dass ich einmal besessen habe. Ein schwarzes Metallgestell, mit einem ebensolchen Objektträger und einer einfachen Halterung in der die einäugige Optik befestigt ist. Als Lichtquelle dient ein kleiner Spiegel, der unterhalb des Objektträgers angebracht ist. Es war das Mikroskop meines Vaters, ein einfaches Gerät, das er sich zu seiner Studienzeit gekauft hatte, für ein besseres hatte das Geld wohl nicht gereicht. Irgendwann hat er mir es dann geschenkt, ich glaube, es war zum Geburtstag. Ich erinnere mich, wie er mir erklärte was man damit machen kann und dann den Flügel einer toten Stubenfliege für mich präparierte, dessen Adern und Struktur ich mir dann fasziniert immer und immer wieder angeschaut habe. Ich versuche mich daran zu erinnern was damit geschehen ist, wann ich es zum letzten Mal gesehen habe. Bei irgendeinem meiner vielen Umzüge ist es wohl abhanden gekommen, denke ich, und trete wehmütig meinen Heimweg an.

Freitag, 26. Januar 2007

Für Gringos ein bisschen mehr

Ich beobachte das Boot, wie es sich vom Strand weg gegen die Brandung aufs Meer hinauskämpft. Manchmal sieht es so aus als ob die nächste Welle es umwerfen wird, aber der Bootsführer weiß wie er die Wellen zu nehmen hat. Auch ich habe heute einen Bootsausflug gebucht, will raus in die Buch um eine Gruppe von Delfinen zu beobachten, die sich dort aufhält. Spektakuläre Aufnahmen, von Delfinen in glasklarem Wasser, wie sie zu mehreren vor dem Boot herumspringen, sind in der Broschüre des Veranstalters zu sehen. Das Boot ist eine Art großes Schlauchboot, das mich an die Boote erinnert, mit denen Greenpeace seine Einsätze gegen Wahlfänger und Öltanker gefahren hat. Wohl ist mir nicht bei dem Gedanken in einem Schlauchboot gegen die Brandung anzufahren, aber wenigstens habe ich meine Kamera und Wechselobjektive in einem "Drybag", einer dickwandigen Gummihülle, deren offenes Ende man zusammenrollt und mit einem Klettverschluss wasserdicht verschließt, die ich mir während meiner Reise gekauft habe um meine elektronischen Begleiter gegen Staub und Wasser zu schützen, verstaut.
Als ich gegen 9 Uhr am verabredeten Treffpunkt erscheine werde ich zunächst für 10 Uhr wiederbestellt und schließlich wird der Ausflug abgesagt. Der Wind, der heute von der See weht, ist einfach zu stark. Enttäuscht begebe ich mich in mein Hotel zurück. Gerne hätte ich die Delfine beobachtet und ein paar Fotos geschossen. Die so gewonnene Zeit beschließe ich damit zu verbringen, mich im Museum über die Geschichte der Stadt und über Flora und Fauna der Halbinsel zu informieren.
Just for the colours
Das Museum der Stadt ist in einer alten und liebevoll renovierten Villa, einem alten Herrenhaus mit kleinem Aussichtstürmchen, untergebracht. An der Kasse wartet das nächste Ärgernis, dem ich hier schon öfters begegnet bin. Bei den Eintrittspreisen fast überall wird danach unterschieden, ob man aus der Region, aus Argentinien oder dem Rest der Welt kommt. Ausländer zahlen am meisten, teilweise den siebenfachen Preis dessen was von Einheimischen verlangt wird. Es ist schon richtig, dass der Durchschnittsargentinier mit einem Gehalt von unter 1000 Pesos auskommen muss und dass ich ein Vielfaches verdiene. Nur dass der Durchschnittsargentinier es sich auch nicht leisen kann mit seiner Familie in einer Region Urlaub zu machen, die hauptsächlich von ausländischen Touristen besucht wird. Ich kann verstehen, wenn Einheimische aus der Region nicht den vollen Preis bezahlen (die sollten meiner Meinung nach sogar gar nichts bezahlen), denn schließlich soll von ihnen jeder die Gelegenheit bekommen, von seiner Geschichte zu erfahren, aber dass ich den Urlaub von Leuten sponsere, die zu der begüterten Oberschicht gehören und die, wie ich nur mutmaßen kann, ihren Reichtum nicht immer mit ganz legalen Mitteln erwirtschaftet haben, stört mich einfach. Undenkbar so etwas in Europa zu machen.
Das Museum ist sehenswert, schon alleine des etwas hundertjährigen Gebäudes wegen. Die Ausstellung umfasst die Themen der ersten Besiedlung, die Ankunft der Europäer, der hemmungslosen Ausbeutung der Natur bis hinein in die 1970er Jahre, sowie der Erklärung des empfindlichen Ökosystems und der Auswirkungen bereits kleinster Umweltsünden, wie beispielsweise weggeworfener Batterien.
Low tide
In das kleine Aussichtstürmchen der ehemaligen Villa kann man hinaufsteigen und hat von dort einen schönen Blick auf die Stadt und die Bucht. Ich stelle mir vor wie der Hausherr früher hier oben stand und nach den Versorgungsbooten Ausschau hielt, die den dringend benötigten Nachschub an Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen brachten. Über den Fenstern der Türme wurden alte Fotos angebracht, auf denen man sehen kann, was die Leute die hier früher standen, sahen. Ich vergleiche die Straßen und Gebäude auf den Fotos mit denen von heute. Einige wenige Gebäude der ursprünglichen Bebauung stehen immer noch.
In der Ferne sieht man, wie die erst vor 30 Jahren erbaute Aluminiumfabrik ihren Schmutz in die Luft bläst, mitten im Naturschutzgebiet und UNESCO Welterbe der Menschheit.