Mittwoch, 31. Januar 2007

"Listo"

Basilica Santo Domingo
Unter der Kuppel ist ein Netz gespannt. Es macht mich neugierig, ich vermute zunächst, das es ein Schutz gegen Vögel ist die durch die Fenster der Kuppel in die Kirche kommen. Erst als ich näher komme, kann ich den eigentlichen Grund erkennen, denn auf dem Netz liegen Bruchstücke des Deckenfreskos sowie einige größere Stücke des Stucks der Kuppel. Die Basilika Santo Domingo ist in einem erbärmlichen Zustand. Überall lösen sich großflächig die Fresken, es sind Risse zu erkennen, in die ich problemlos meine Hand stecken könnte. Was von außen nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist bestätig sich bei genauerem Hinsehen: Diese Kirche ist keine Ausnahme sondern die Regel. In all den Basilikas, Jesuitenmissionen und Kathedralen der Stadt sieht es aus, wie in ostdeutschen Städten vor der Wende. Sie sind nur noch mit Millionenaufwand zu retten oder werden die nächsten 50 Jahre nicht mehr überstehen.
In keinem Ort, in den mich meine Reise bislang geführt hat, ist der wirtschaftliche Niedergang des Landes besser dokumentiert, als hier in Cordoba. Viele der Kirchen wurden von der UNESCO zum Weltkulturerbe der Menschheit erklärt, aber die zur Verfügung gestellten Mittel haben entweder nicht ausgereicht um den Verfall zu stoppen, oder sind anderen "Projekten" zu Gute gekommen.
Ist die katholische Kirche nicht Eigentümer dieser Kulturdenkmäler und wäre sie nicht für deren Erhalt verantwortlich?
Ich verlasse die Kirche und setze meinen Erkundungsgang durch die Stadt fort. Die Straßen sind, wie fast überall in Argentinien, im Schachbrettmuster angelegt, jeweils Einbahnstraßen, und die Hausnummern sind nicht durchgängig, sondern steigen je Block auf den nächst höheren, vollen Hunderter (im ersten Block alle Nummern von 100 bis 1xx, im zweiten von 200 bis 2xx, usw.).
Verlässt man die historische Innenstadt wird Cordoba zu einer gesichtlosen Stadt. Das einzig auffällige ist, dass die meisten Apartmenthäuser aus roten Ziegeln gemauert sind, was mich stark an die spanische Hauptstadt Madrid erinnert und die vielen jungen Menschen auf den Straßen. Kaum jemand ist älter als ich.
Cordoba ist Bildungszentrum des Landes. Es gibt 7 Universitäten, die landesweit einen hervorragenden Ruf besitzen. Man merkt an den Buchläden und Geschäften, in der Nähe welcher Fakultät man sich gerade befindet. Geschäfte für Künstlerbedarf, Bücher über Kunstgeschichte in der Auslage der Buchhandlungen, hier muss ich wohl nahe der Fakultät der Schönen Künste sein. Zwei Blocks weiter dann anatomische Bücher, Geschäfte die sich auf Krankenhausbedarf spezialisiert haben, junge Menschen, die in blauen OP Uniformen auf dem Heimweg sind: die medizinische Fakultät kann nicht weit sein.
Ich beende meinen Rundgang, denn ich muss noch ein letztes Mal auf dieser Reise meine Wäsche waschen. Ich erkundige mich im Hotel nach einer Wäscherei in der ich selbst waschen kann, denn ich traue den Wäscherinnen nicht. Nicht erst ein Mal habe ich meine Wäsche eingelaufen oder verfärbt wiederbekommen, wenn ich den Service einer Wäscherei auf Reisen in Anspruch genommen habe.
Direkt gegenüber vom Hotel befindet sich eine Wäscherei, deren Besitzer schon mal einen Fremden an seine Maschinen lässt, wird mir gesagt. Als ich darum bitte selbst waschen zu dürfen ernte ich zwar zunächst fragende Blicke, aber schließlich lässt er mich doch gewähren. Während ich auf meine Wäsche warte beobachte ich immer abwechselnd die Waschmaschinen, in ihren ewig gleichen, rotierenden Bewegungen ein fast meditatives Erlebnis, und den Wäschereibesitzer,der seiner Tätigkeit mit großer Inbrunst nachgeht. Bald merke ich, dass ich ihm meine Wäsche problemlos hätte anvertrauen können. Immer wieder stoppt er die Trockner, prüft jedes einzelne Wäschestück, sortiert die bereits trockenen aus und gibt den Rest wieder in die Maschine, um ein möglichst schonendes Trockenen der Wäsche zu gewährleisten. Die bereits trockenen Stücke werden mit völlig übertriebenem Körpereinsatz zusammengefaltet und dann noch mit einer Flüssigkeit besprüht, die nach Rosenwasser riecht.
Nach jedem Arbeitsgang entfährt ihm ein "listo", was soviel wie "fertig" bedeutet und was man hier von jedem, überall und andauernd hört. Das "s" wird dabei nicht gesprochen, sondern nur leicht hauchend angedeutet. Man bindet sich die Schuhe: "listo", nach dem Händewaschen: "listo", nach dem Beenden einer Mahlzeit: "listo". Man kann es wohl am besten mit unserem deutschen "so" vergleichen, dass man -zig mal am Tag gedankenlos vor sich hinsagt. Ich habe mir diese Eigenart bereits angewöhnt.
Listo!

Keine Kommentare: