Freitag, 19. Januar 2007

Bäume mit Bärten

Landscape at Llao Llao
Wie Riesen ragen sie in den Himmel und strecken ihre Kronen dem Licht entgegen. Die meisten von ihnen müssen mehrere hundert Jahre alt sein. Ich komme mir klein und unbedeutend vor im Angesicht dieser Baumgreise. Manche sind mit Moosen bewachsen, die in langen grünen Fäden von der schrundigen Rinde herabhängen und ihnen so das Aussehen würdiger alter Herren mit langen Bärten geben.
Ich befinde mich im Parque Municipal Llao Llao, möchte in den ausgedehnten Wäldern wandern und die ursprüngliche Natur erleben. Nur ein schmaler Fußpfad führt durch den Wald, erst in Serpentinen hinab, bis man den Lago Perito Moreno Oeste erreicht, und später durch Bambushaine bis zum Lago Escondido, dem versteckten See. Bambushaine? Ich hätte sie nicht so weit im Süden des Kontinents erwartet. Sie wachsen beidseitig des Weges und neigen sich über diesen, so dass ein Tunnel aus Bambus entsteht, den man durchwandert. Immer wieder gibt es atemberaubende Ausblicke auf kleine Buchten oder grandiose Bergpanoramen. Von Zeit zu Zeit höre ich fremdartigen Vogelgesang. Der eine kling wie ein heftig geblasener Ton auf einer Panflöte, ein anderer polyphon und so laut, dass ich denke, er muss von einem Riesenvogel stammen. So muss die Welt ausgesehen haben, bevor sie von Menschen zersiedelt wurde. Bis zum Ziel meiner Wanderung, der Colonia Suiza, der Schweizer Kolonie, einer Hippie-Enklave, mitten in der sonst nur den sehr Wohlhabenden vorbehalten Halbinsel Llao Llao, sind es etwa 20 Kilometer. Ein guter Weg um meine Wanderstiefel richtig einzulaufen, nicht sehr anspruchsvoll, aber von genügender Distanz.
"In denen wirst Du laufen wie in Hausschuhen", verspricht mir die Verkäuferin in dem Geschäft, in dem ich, seit ich es vor 2 Jahren entdeckt habe, alles kaufe, was zum Wandern nötig ist, als ich ihr erzähle, dass ich immer noch in meinen alten Armeestiefeln aus der Bundeswehrzeit in die Berge gehe. Meine alten Stiefel waren in die Jahre gekommen, die Sohle löste sich ab und mit den High-Tech Laufmaschinen, die der moderne Wanderer an den Füßen trägt haben sie so gut wie nichts mehr gemein.
Später muss ich den ruhigen Waldweg verlassen um die letzten Kilometer auf der Straße, erst Asphalt, dann unbefestig, zu marschieren. Langsam werden die Beine müde und die Füße schwer. Außerdem umschwirren mich laufen Bremsen, die hier in Heerscharen auf mich und andere Wanderer herabstürzen. Glücklicherweise sind sie so groß und laut, dass man sie rechtzeitig wahrnimmt und so ungeschickte Flieger, dass man sie einigermaßen mühelos erlegen kann.
Ich bin froh im Bus nach Bariloche einen Sitzplatz zu ergattern, auch wenn ich mir den Platz mit einer fetten Frau, die ihr fettes kleines Baby auf dem Schoß hat, im Verhältnis 2:1 teilen muss.

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