Montag, 15. Januar 2007

Spiral Dive

About to land
"Now run!", ruft mir Tato zu und ich mache noch einen Schritt, doch der geht bereits ins Leere. Der Wind hat unseren Gleitschirm erfasst und zieht uns unablässig nach oben. Bald sind wir 20 oder 30 Meter über dem Abflugplatz und der lag auf 1800 Meter. Alles ist still, nur der Wind in meinen Ohren. Das Fliegen bin ich eigentlich gewohnt, aber nicht diese Art des lautlosen in der Luft Gleitens. Nur ab und zu nimmt man den leisen Pfeifton des Höhenmessers wahr, der immer dann, wenn man sich in einem Aufwind befindet, dies anzeigt. Ich bräuchte diese akustische Unterstützung nicht, denn ich spühre deutlich, wie der heiße Wüstenwind uns weiter und weiter nach oben trägt.
"How are you?", fragt Tato nun und ich sage ihm dass es mir gut geht. "Then relax, relax your hands, man", erwiedert er darauf und erst jetzt merke ich dass meine Hände die Gurte, in denen ich hänge, fest umklammern. Ich hatte das Bedürfnis mich irgendwo festzuhalten, aber nun lasse ich los. Noch eine Kurve und wir sind nun so hoch, daß wir die Bergkette, von der wir gestartet sind, überblicken und die Hochkordiliere mit ihren 6000ern sehen können. Als ich nach unten schaue ist da nichts außer der grandiosen Landschaft der Anden. Genau kann man erkennen wie sich die Berge einst aufgefaltet haben, ich sehe die riesigen Weinanbaugebiete rund um Mendoza und in weiter Ferne den Platz, den Tato uns beim Vorbeifahren als den Landeplazt vorgestellt hat.
So könnte ich ewig durch die Luft schweben, gestreichelt von dem warmen Wind und der langsam untergehenden Sonne.
"Do you like spiral dive", fragt mich mein Pilot nach einiger Zeit und weil ich mir darunter nichts vorstellen kann bejahe ich. Er erklärt mir kurz, dass ich dann, wenn er es sagt mein Körpergewicht nach links oder nach rechts verlagern soll. Dann kommt das erste Kommando "left!" und auf einmal erhöht sich die Geschwindigkeit und wir gehen in eine enge Steilkurve. "Right" und wir ändern die Richtung und liegen fast waagerecht in der Luft. Ich spühre, wie mich die Fliehkraft in die Sitzvorrichtung drückt. "And now maximum speed" kündigt der Mann hinter mir an und der Schirm geht nun erneut auf die andere Seite und schraubt sich in kleinen Kreisen schnell zu Boden. Das Blut wird mir aus dem Kopf gedrückt und ich schließe für einen Moment die Augen. Hinter mir höre ich ein freudiges Jauchzen.
Circling
Als der Landeplatz immer näher kommt, fällt mir ein, dass die Landung in unserem Briefing noch gar nicht erwähnt wurde. Kurz bevor wir am Boden aufkommen, sagt Tato nur kurz "now get up and run". Ich tue, wie mir geheißen wurde und schon spühre ich wieder festen Boden unter den Füßen. Ein, zwei Schritte und wir kommen zum Stehen, der Schrim fällt hinter uns zusammen und Tato befreit mich aus den Gurten, die mich gehalten haben.
Meine Knie zittern ein bisschen als ich ihm helfe, den Schirm, unsere Helme und Knieschoner in eine Tasche zu packen. Oben auf dem Gipfen warten noch zwei junge Frauen auf ihren Flug. Schnell sind die Schirme wieder im Landcruiser verpackt, für uns Zurückbleibenden werden Klappstühle aufgestellt und eine Kühlbox mit kalten Getränken aus dem Wagen geholt.
Erik und Georgia, die kurz vor mir gestartet und auch gelandet waren, kommen aus Kroatien. Wir kommen ins Gespräch und sie erzählen mir, dass sie den Aconcagua bestiegen haben, seit dem 10. wieder in Mendoza sind und die verbleibende Zeit dazu nutzen noch ein wenig Spaß zu haben. Erik, ich schätze ihn etwa auf mein Alter, ist ein Naturbursche, gebräunt mit wilden blonden Haaren und riesigen, kräftigen Händen. Seit über 20 Jahren ist er ehrenamtlich bei der kroatischen Bergrettung tätig aber der höchste Gipfel dort ist nur 1200 Meter hoch. Ich frage ihn über die Besteigung aus, wie er mit der Kälte und dem Sauerstoffmangel zurecht gekommen ist. Er erzählt, daß einige aus seiner Gruppe vor Erschöpfung aufgeben mussten und dass er selbst ab 6000 Metern mit starken Kopfschmerzen kämpfte, aber, so fährt er fort, die Strecke sei wenig anspruchsvoll und die Schlacht müßte im Kopf geschlagen werden.
Während wir reden sind unsere Piloten nun mit den beiden Frauen aus der Gruppe in die Luft gegangen. "Sieh hin", macht Erik mich aufmerksam, "für die beiden Mädels machen sie eine Show". Und tatsächlich fliegen sie erst eine ganze Zeit nah beisammen, bis auch die Damen in den Genuß eines "spiral dives" kommen. Ich kann die Schreie bis hier unten hören und wir drei hier am Boden fangen an zu grinsen.
Fun in the sky
Auf der Rückfahrt läd Tato uns noch zu einem kleinen Imbiss und ein paar Fläschen Bier unter freiem Himmel ein und beim Verabschieden wird mir das Versprechen abgenommen die Fotos, die ich an diesem Tag gemacht habe allen per Email zu senden.

3 Kommentare:

renovatio06 hat gesagt…

50m Abseilen, Spiral Dive.... wenn das so weitergeht mit den Mutproben, werde ich hier wohl bald von Deiner ersten Zigarette und Deinem zweiten Vollrausch lesen, wie? Sollten sie Dir beim Kranich für die P2-Prüfung anerkennen ;-)

Vivlitz hat gesagt…

Bravo, Wolle, bin superstolz auf Dich, mutiger Du! Bist nicht nur ein kühner Abenteurer, sondern auch mein favourisierter Schriftsteller...

Wolfram hat gesagt…

Leider ist die Tatsache sich in gefähliche Situationen zu begeben nicht unbedingt meiner Beförderung dienlich (Saufen und Rauchen würden da schon eher helfen). Vielleicht könntest Du bei meinem Chef ja ein gutes Wort für mich einlegen.

Haaaa, Vivlitz! Schon richtig, ich suche das (wohl organisierte) Abenteuer aber als Schrifsteller würde ich mich auf Grund meines Geschreibsels nicht bezeichen.