Sonntag, 7. Januar 2007

Die Welt ist ein Dorf

Diego Armando Maradonna
Das ist zugegebenermaßen eine Plattitüde und doch, manchmal ist es so. Vor einigen Monaten bekam ich von einer Freundin eine Anfrage, ob sich in meinem Fotoarchiv Fotos von "Puerto Madero", einem Viertel von Buenos Aires, befänden. Sie schreibt gerade ihre Doktorarbeit, die davon handelt, wie ehemalige Industrieanlagen städtebaulich in neue Trendviertel umgewandelt werden und dokumentieren wollte sie dies an Hand von Puerto Madero, dem alten Hafen von Buenos Aires, aus dessen Lagerhallen schicke Apartements, Restaurants und Büros gemacht wurden. Leider hatte ich nichts dergleichen, erinnerte mich aber jetzt daran und fuhr deswegen heute dorthin, um ihr exlusiv einige Aufnahmen zu machen.
Während ich also meine Fotos mache spricht mich jemand, den ich nicht gleich erkannte, an. Wie sich herausstellte, hatte ich, vor über 17 Jahren mit ihm und noch einem anderen Kollegen in einer Wohngemeinschaft in Rüsselsheim gewohnt. Fast unglaublich, daß man sich nun hier über den Weg läuft!

Neben dem, recht touristischen, Puerto Madero ist Palermo Viejo (also Alt-Palermo) das andere wirklich angesagte Viertel der Stadt. Wie der Name bereits vermuten läßt, wurde es zum Ende des vorletzten Jahrhunderts von italienischen Auswanderen gegründed und war lange Zeit ein ärmliches Arbeiterviertel. Heutzutage ist Palermo nun der Ort für exotische Restaurants, Desingermode und -möbel.
Hier läßt sich am besten erkennen, daß sich das Land von der großen Krise von 2001 erholt, bei der der Peso von einem Tag auf den anderen 75% seines Wertes verlor, die Bankguthaben der Bevölkerung eingefroren wurden und Argentinien über Nacht von einem der teuersten zu einem der billigsten Reiseländer mutierte. Damals vorloren viele ihre Existenz und das Land stürtzte in eine tiefe Depression. In nur einer Woche wurden 3 verschiedene Präsidenten ernannt und auch wieder entlassen, ich vermute, nicht ohne vorher nochmal in die klamme Staatskasse gegriffen zu haben und es kam zu einer Auswanderungswelle nie gekannten Ausmaßes.
Die einzige Möglichkeit der betroffenen Menschen, ihrer Wut Ausdruck zu verleihen war, mit Töpfen und Pfannen stundenlang gegen die, mit Metallplatten verrammelten, Türen der Bankhäuser zu hämmern, weswegen dieser Protest auch den Namen "Pfannenrevolution" bekam. Die Spuren dieses Protestes geben noch heute an den Eingängen der Banken stumm Zeugniss.
Damals wurde auch gerade das "Casa Rosada", der rosafarbene Präsidentenpalast, renoviert. Als das Geld ausging, wurden die Arbeiten eingestellt, so daß dieses ehrwürdige Gebäude, von dessen Balkon schon Evita Peron, alias Madonna, ihr "Don´t Cry for Me Argentina" schmetterte, in zwei verschiedenen Rosatönen an den desolaten Zustand der Staatsfinanzen erinnerte. Als mich heute mein Weg daran vorbeiführte, konnte ich feststellen, daß der gesammte Palast mit Gerüsten verhüllt ist, so daß auch dieser Schandfleck bald getilgt sein dürfte.

Das Abendessen, immer ein Höhepunkt des Tages, nahm ich heute im Filo ein, laut meines Reiseführers eines der 5 Highlights der Stadt. Ich kenne das Filo schon aus den Zeiten, zu denen ich dienstlich ausschließlich nach Südamerika flog und öfters in Buenos Aires zu Gast war. Aufmerksam darauf wurde ich dadurch, daß mehrere Kolleginnen auf verschiedenen Flügen von dem dort beschäftigten Barkeeper, ein typisch argentinischer Beau mit einer langen Mähne und dunklen Augen, schwärmten. Gerüchten zufolge, an denen ich mich nicht beteiligen möchte, soll er einer ganzen Reihe von Kolleginen nicht nur die Drinks gemixt haben.
Das Filo ist das einzige italienische Lokal, das ich kenne, das sich den Luxus eines eigenen DJ´s leistet, der House und HipHop auflegt, natürlich sehr dezent. Die Bedienung ist ebenso gutaussehend, wirklich unglaublich gutaussehend, wie arrogant und das Essen ist wirklich ausgezeichnet.
Zu der Uhrzeit zu der ich meinen Platz einnahm bestand das Publikum noch hauptsächlich aus Touristen, Argentinier essen sehr spät, in überwiegender Mehrheit Amerikaner und wo immer Amerikaner auftauchen wird es, sagen wir mal, lebhaft. Vier Rentner aus Michigan oder Wisconsin oder einem anderen aufregenden Ort diese grandiosen Landes, die kurz nach mir das Lokal betraten, reagierten äußerst ungehalten darüber, daß sich der "Waiter" nicht namentlich bei ihnen vorstellte und, wie in den Staaten üblich, gebetsmühlenartig die "specials of the day" heruntleiherte, sondern nur wortlos die Speisekarten verteilte. Der "Belle de Nuit", so habe ich sie genannt, denn eigentlich müßte man für diese Wesen eine neue Berufsbezeichnung finden (eine Bedienung hat ein Dirndl an und trägt mindestens 4 Masskrüge auf einmal, eine "Bell de Nuit" wiegt ewta soviel wie 4 Masskrüge), war das herzlich egal und bediente diese Gruppe mit der selben Nichtachtung, wie alle anderen Gäste auch.

Keine Kommentare: