Dienstag, 30. Januar 2007

El Condor Pasa

"Quer caminar un rato?", fragt mich der Fahrkartenkontrolleur als er den Zielort auf meinem Fahrschein sieht. Pampilla steht darauf und das ist der Eingang zum Nationalpark "Quebrada del Condorito", was soviel bedeutet wie "Schlucht des kleinen Kondors". Der jüngste der argentinischen Nationalparks wurde erst Ende der 90er Jahre eingerichtet, da er als Brutgebiet der Kondore, der größten Vögel der Anden, und damit als besonders schützenswert gilt. Hier schlüpfen die Jungtiere und hier kann man sie bei den ersten Flugübungen beobachten. Schon seit Tagen freue ich mich auf diese Wanderung, deren Höhepunkt das Erreichen des "Balcon Norte" ist, einem Felsenvorsprung, von dem man nicht nur einen atemberaubenden Blick in die Tiefe Schlucht, sondern auch in die "Wohnstube" der Kondore genießen kann.
Als ich Cordoba verlasse brennt die Sonne bereits vom Himmel und es ist warm. Trotzdem packe ich meinen Drypack und meine Regenjacke in den Rucksack. Außerdem nehme ich noch ein Halstuch mit, das ich mir notfalls so unter meine Mütze stecken kann, dass der Nacken geschützt ist, und jede Menge Wasser, soviel mein Rucksack fassen kann. In meinem Führer steht, dass es in der Schlucht im Sommer bis zu 50°C heiß werden kann.
Als wir uns den Bergen nähern sehe ich erste Quellwolken über ihnen stehen. Kein Grund zur Besorgnis, denke ich, heftige und kurze Regenschauer sind im Sommer nicht selten. Immer höher klettert mein Bus auf den Serpentinen empor und nach etwa 2 Stunden Fahrzeit gibt mir der Kontrolleur zu verstehen, dass ich mein Fahrziel erreicht habe. Ein kurzer Stopp mitten auf der Strecke und ich kann aussteigen. Ein erster Schock kommt sofort: Es hat sich stark abgekühlt und es weht ein starker Wind. Außerdem ist von dem Eingang zum Nationalpark weit und breit nichts zu sehen. Ich ziehe meine Regenjacke an um mich gegen den Wind zu schützen und entscheide mich für eine Richtung, in die ich laufe. Als ich eine kleine Anhöhe erklommen habe, kann ich auf der anderen Straßenseite etwas wie einen kleinen Wegweiser sehen. Tatsächlich ist auf dem Wegweiser die Parkwächterstation des Nationalpark angeschrieben, nur 1 1/2 Kilometer. Ich gehen in die angewiesene Richtung und komme bald an einen Zaun, der das Gelände, das man nun betritt, als Privatgrund ausgibt, und diesen kann man nur über eine kleine Klettervorrichtung betreten.
"Un dia feio", ein "hässlicher Tag", begrüßt mich der Park Ranger. Auf meine Frage warum antwortet er "Weil es regnet", aber eigentlich ist es ja nur bewölkt und windig. So stellt man sich einen Park Ranger vor: braungebrannte, wettergegerbte Haut, eine olivgrüne Uniform, kantiges, glattrasiertes Gesicht. Er erklärt mir kurz den Weg und auf welche Markierungen ich zu achten habe, händigt mir eine Karte aus, bittet mich die Hinweisschilder bezüglich der wilden Tiere zu lesen und entlässt mich mit einem freundlichen Lächeln.
Auf dem angesprochenen Hinweisschild werden Hinweise zum Verhalten für die Zusammenkunft mit zwei Tieren gegeben: Dem Puma, oder auch Berglöwen, und einer giftigen Schlange, deren Kopf auf dem Schild nochmals im Detail abgebildet ist (dreieckige Kopfform, Himmelfahrtsnase). Sollte man auf einen Puma treffen wird geraten: 1.) Ruhe bewahren! 2.) Machen Sie sich größer als Sie sind indem sie ihre Arme in die Luft strecken 3.) Nicht wegrennen 4.) Sollte man Kinder dabei haben, sollen diese so dicht wie möglich am eigenen Körper gehalten werden 5.) Sollte der Puma angreifen: Laut schreien, mit den Armen um sich schlagen und mit den Beinen auf den Boden stampfen.
Sollte man von einer dieser Schlangen gebissen werden: 1.) Ruhe bewahren 2.)Seine Begleitperson sofort wegschicken um Hilfe zu holen ... In Ermangelung einer Begleitperson, die für die Punkte 3 bis 6 unerlässlich ist, habe ich nicht mehr weitergelesen. Schließlich weiss ich ja: Ruhe bewahren!
Der Wind wird immer stärker und treibt die dunklen Wolken immer schneller über mich hinweg. Ich habe mir für meine Wanderungen in Patagonien einen kleinen Kompass mit einem Thermometer gekauft, nicht viel mehr als ein kleines Spielzeug, aber genug um die Himmelsrichtung zu bestimmen, der mir jetzt um den Hals hängt. Die Temperatur, anfangs noch bei 15°C liegt jetzt nur noch bei 12°C. Was solls, solange ich in Bewegung bin, ist es nicht unangenehm. An einer Stelle an der man ins Tal hinabblicken kann, kann ich sehen, dass es dort heftig aus den dunklen Wolken regnet, die gerade noch über mich gezogen waren. Glück gehabt, sage ich mir.
Heavy rain
Nach etwa 1 1/2 Stunden Wanderung bewege ich mich jetzt schon sehr nahe an der Schlucht. Der Wind ist mittlerweile so stark, dass ich manchmal einen Schritt zur Seite machen muss um nicht zu stürzen und es fängt langsam an zu tröpfeln. Dicke Tropfen, die ziemlichen Lärm machen, wenn sie auf die Kapuze meiner Jacke in der Nähe des Ohres auftreffen.
Der Regen wird dichter und dichter, ich kann den "Balcon Norte" bereits sehen, bin vielleicht noch 200 Meter davon entfernt, als ich den ersten Donnerschlag höre. Der Regen ist jetzt so stark, dass meine Hose langsam nass wird. Ich entschließe mich dazu umzukehren, bei dem Wetter wäre eh kein Kondor zu sehen. Der Regen kommt mittlerweile waagrecht von der Seite, die Temperatur ist auf 8°C gesunken und der Weg ist schlammig, was das Laufen nicht erleichtert. Der Rückweg kommt mir ewig vor. Meine Schuhe sind zwar mit GoreTex gegen Wasser von außen geschützt, jedoch läuft es mir mittlerweile an den Beinen entlang in die Stiefel hinein, die bereits knöchelhoch gefüllt sind. Meine Hände sind blau und klamm. Ich fange lauthals an zu fluchen!
Als ich endlich die Station am Eingang des Parks sehe fange ich an zu rennen. Ich will nur eines: Endlich ins Trockene! In der Station sitzen schon mehrere Leidensgenossen und von allen bin ich noch der am besten Ausgerüstete. Viele haben nicht einmal eine Jacke dabei, nur Shorts und T-Shirt.
Ich frage nach dem nächsten Bus nach Cordoba. In einer halben Stunde, wird mir gesagt, aber man braucht nochmals 20 Minuten bis an die Straße. Mit einer kleinen Gruppe mobilisiere ich nochmals meine Kräfte und kämpfe mich durch Sturm und Regen die letzen Meter bis zu der Stelle wo wir den nächsten Bus anhalten können. Als ich gerade über den Zaun klettern will, sehe ich 2 Kondore, offensichtlich Jungtiere, die auf der Wiese sitzen, und, genau wie wir, nicht sehr glücklich über das Wetter zu sein scheinen. Der Ausflug hat sich doch noch gelohnt.

Keine Kommentare: