Sonntag, 7. Januar 2007

Ich mag keine Sonntage

Tangoband "La Furca"
Das ist so und war schon immer so. Schon als Kind habe ich nur darauf gewartet, daß die Woche wieder anfängt, während andere das Wochenende herbeigesehnt haben. Heute jedoch habe ich mich auf den Sonntag gefreut, denn am Sonntag findet im Stadtteil San Telmo ein Antiquitätenmarkt statt und der bildet einen weiteren Höhepunkt der Reise. Ich kenne die "Fera" noch von vor etwa 5 oder 6 Jahren, als ich ihn, im hiesigen Winter, zum ersten Mal besuchte.
San Telmo ist, mit seinen Antiquitätenläden, von denen sich die meisten auf bestimmte Epochen oder Gegenstände spezialisiert haben, schon unter der Woche einen Besuch wert. So kann man in einem Möbel aus den 70er Jahren, in einem anderen altes Porzellan und wieder einem anderen altes Spielzeug kaufen. Ich habe vor einigen Jahren hier eine "Longines Flagship" Armbanduhr aus den 50ern erstanden, die ich oft und gerne trage.
Als ich heute gegen 11:00 Uhr vormittags an der Plaza Dorrego ankam war ich zunächst enttäuscht, denn aus dem beschaulichen Markt ist eine Art Volksfest für Touristen geworden. Geheimtipps bleiben halt nicht für immer Geheimtipps. War der Führer "lonely planet" früher nur in der Hand einiger Rucksacktouristen, die mit wenig Geld reisten und für die er ja ursprünglich auch gedacht war, so sieht man ihn heute bei jedem Pauschaltouristen, den Busse an den Sehenswürdigkeiten in Massen ausgespeien.
Meine anfängliche Enttäuschung legte sich jedoch bald, denn trotz des Massenandrangs hat sich an seinem Charakter nichts geändert. Mit der Expansion stieg auch das Unterhaltungsangebot, das in der Hauptsache aus Tangotänzern und Straßenmusik besteht. Man darf sich die Straßenmusiker jedoch nicht so vorstellen, wie man sie aus unseren Fußgängerzonen kennt, hier haben sich ganze Straßenorchester zusammengefunden, das größte, die Tangomusiker "La Furca" umfasst 9 Personen, wobei der Pianist an einem richtigen Piano, und nicht ewta an einem dieser seelenlosen Keybords, sitzt. Wie er das dahin geschafft hat, wird wohl sein Geheimnis bleiben.
Ich verbrachte also eine Großteil meiner Zeit damit den verschiedenen Straßenmusikern zuzuhören. Als Fehler stellte sich heraus, daß ich viel zu wenig Münzgeld und kleine Scheine dabei hatte, um sie in die umherwandernden Hüte zu werfen.
La Boca window
Nachdem ich durch meinen mehrstündigen Aufenthalt in San Telmo bereits in die richtige Volksfeststimmung gebracht war, entschloß ich mich dazu auch noch den zweiten Touristenmagneten zu besuchen, das weltberühmte Viertel "La Boca". Berühmt geworden wegen des Fußballklubs "Boca Juniors" aus dem so ziemlich alle argentienischen Fußballstars, natürlich auch der gotthaft verehrte Maradona, die Hand Gottes, hervorgeganen sind. Bei Touristen höhere Bekanntheit genießt dagegen die "Caminito", die kleine Gasse, mit ihren Wellblech verkleideten und bunt bemahlten Fassaden.
La Boca, der Schlund, liegt direkt am Fluß Riachuelo und war das Viertel derer, die im Hafen oder in den nahegelegenen Konservenfabriken arbeiteten. Der Hafen liegt längst woanders und auch die Konservenfabriken gibt es nicht mehr, geblieben ist nur die bittere Armut der Bewohner. Der Taxifahrer, der mich dort hinbrachte, ermahnte mich eindringlich "el caminito" nicht zu verlassen und mich vor allem vor den Kindern vorzusehen, die den Touristen ihre Wertsachen entreißen und blitzschnell im Gewusel verschwinden. Gleiches hatte ich schon in meinem Reiseführer gelesen und mich extra deswegen zu einem Besuch am Sonntag entschloßen, an dem es vor Ahnungslosen nur so wimmelt, die deutlich bessere Opfer als ich abgeben.

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