Montag, 7. Januar 2008

Ein Meer aus Milchkaffee

Das Wasser unter mir hat ziemlich genau die gleiche Farbe, wie der Milchkaffee, der vor mir steht. Erstaunlich schnell bewegen wir uns vorwärts, die Mündung des Rio de La Platas hinauf, von Montevideo nach Buenos Aires. Der Fluß ist träge, hat kaum Fließgeschindigkeit, das Delta ist hier ungefähr 150 Kilometer breit. Bald verschwindet die Skyline von Montevideo am Horizont und vor uns liegt nur noch Wasser.
Die Überfahrt ist mit 50 Euro sehr teuer, eine Busfahrt hätte nur einen Bruchteil gekostet, aber ich wollte mit dem Schiff fahren, wollte mich der Stadt vom Wasser aus nähern.
Rio de La Plata
Vor zwei Tagen hatte ich Montevideo in Richtung Norden mit Ziel Piriapolis, einem kleinen Badeort an der Atlantikküste, verlassen. Mir wurde der Ort von einer Dame an der Touristeninformation empfohlen, nicht weit vom teuren Punta del Este, mit hübschen Stränden und in der Nähe des höchten Berges des Landes, dem Pan de Azucar, dem Zuckerhut, der zwar den gleichen Namen trägt wie das Wahrzeichen Rio de Janeiros, ihm aber weder in Form noch an Berühmtheit gleich kommt. Gerade einmal 132 Meter misst er, mit einem 35 Meter hohen Gipfelkreuz auf seiner Spitze.
Der erste Eindruck des kleinen Ortes ist enttäuschend und erinnert mich sehr an einen der vielen gesichtslosen Touristenstädte an der spanischen Costa Blanca.
Die gesamte Uferpromenade wird von Souvenirläden und Touristenlokalen gesäumt und die Strände sind so voll, dass man kaum noch einen Platz finden kann. Immerhin ist das Hotel Ocean, in dem ich absteige, ein Art Deco Bau aus den 30er Jahren, nicht nur günstig sondern hat auch Seele: Holzböden, helle Zimmer und Möbel, die zum Stil des Hotel passen und die sich angenehm von den überall gleichen Zimmern der Hotelketten in aller Welt abheben.
Erst als ich bei einem Spaziergang nur drei Block von der Touristenmeile entferne, entdecke ich den ursprünglichen Teil des Ortes.
Es war einmal einer der angesagtesten Seebäder in Südamerika, wenn man den Werbebroschüren des "Argentina Hotels", einem wahren Palast am Strand, trauen darf. Auf alten Fotos sieht man daß hier, in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, nichts war außer dem "Argentina" und es hat sich noch einen Funken des Glanzes bewahrt, den es früher einmal ausgestrahlt haben muß: Mosaikböden, großzügige Räumlichkeiten für Bälle und Konzerte, ein Speisesaal, der seinen Namen verdient.

Endlich am Strand bekomme ich dann auch das Südamerika-Feeling. Die Leute sind entspannt, trotz der ziemlichen Enge emfpinde ich die Anderen nicht als störend. Familien spielen eine Art Boccia, ein Spiel das sehr beliebt zu sein scheint und das nicht mit Bällen, sondern mit verschiedenfarbigen Scheiben gespielt wird. Man kann die Scheiben werfen, rollen oder über den Sandboden gleiten lassen. Das "Schweinchen" ist ebenfalls eine Scheibe, nur etwa halb so groß wie die anderen.
Ich beobachte einige von den Spielern und stelle bald fest, dass wahre Meister unter ihnen sind, die es verstehen das "Schweinchen" so mit ihren Scheiben zuzudecken, daß die Mitspieler keine Chance mehr haben ihre unterzubringen.
Von denen, die nicht spielen stehen die meisten, eine Eigenart, die ich auch aus Brasilien kenne. Man steht in Grüppchen zusammen, redet mal mit diesem, mal mit jenem und schaut den Mädchen nach, die immer in Gruppen den Strand entlang defilieren.

Ich schaue nochmal hinaus auf den Rio de La Plata, der die Farbe von Milchkaffee hat. Wenn ich das nächste Mal ans Meer komme wird es der Pazifik sein. Ich gehe in die bordeingene Cafeteria und hole mir..., richtig, einen Milchkaffee!

8 Kommentare:

renovatio hat gesagt…

Mosaikböden, hohe Stuckdecken, Nostalgie aus jeder Pore der Steinböden und des Mauerwerks atmend - da fantasiere ich gleich von mächtigen Verschwörern, die in zigarrengeschwängerter Luft Pläne für politische Umstürze schmieden und sich von blutjungen Schönheiten Hochprozentiges servieren lassen... ;-)
Ich passe beim Milchkaffee und konzentriere mich viel lieber auf die unterschiedlichen Hauttönungen der vorbeiflanierenden Mädchen, während ich in aller Seelenruhe Schweinchenscheiben mit den Einheimischen um die Wette werfe ;-)

Wolfram hat gesagt…

Haaaa, Wern, trefflich geschrieben. Wenn ich die Wahl habe zwischen Milchkaffee und vorbeiflanierenden Mädchen, dann lasse ich die Milch beim Kaffee halt weg. Ehrensache!

renovatio hat gesagt…

Wohl gesprochen, recht so! Nachdem Du die Identität Deiner "Verehrerin" nun geklärt hast, zieh' ich das Röckchen wieder aus, wenn's recht ist :D (und 'n paar speckinge Jeans stattdessen an, kratz' mich genüsslich am Sack und rülpse erstmal ohrenbetäubend, o.k.? ROFL ;-))

himmatomm hat gesagt…

Hallo, Wolfram, also, jetzt haben die mich schon wieder rausgeschmissen, und erst nach langem Hin und Her scheint es zu gelingen, eine Nachricht abzusetzen. Über den Dreh mit dem Milchkaffee würde sich Dein Deutschlehrer freuen: toll!- Wie ich wieder bei Google zu Ehren gekommen bin, kann ich Dir also wirklich nicht sagen - eine Wissenschaft! - Während Du Dich in der Sonne aalst, ist bei uns der Schnee weggetaut, aber jeden Morgen funkeln abertausende von Sternchen vor meinen Füßen .- schön, aber gefährlich, weil glatt. - Wir wünschen Dir weitere wunderschöne, ereignisreiche Tage. HOffentlich macht Google jetzt nicht wieder den Müden! Herzlich, Fuddl und Peter

renovatio hat gesagt…

Hallo himmatomm,

sowas - gerade fällt mir auf, dass ich Ihren neuen Nachnamen gar nicht kenne und ich Sie nicht mal ordentlich ansprechen kann, peinlich... (Wolframs Mutter, ja?)
Google scheint in der Tat unter partieller bzw. temporärer Amnesie zu leiden, das ging mir leider auch schon desöfteren so und hat mich das eine oder andere mal halb in den Wahnsinn getrieben...Die überfrierende Glätte, von der Sie sprechen, hat mich gestern auf dem Rückweg von Starnberg an zahlreichen Unfällen vorbeigeführt - man hätte fast von "Blitzeis" sprechen können. Ich selbst war Gott-sei-Dank durch einen längeren Spaziergang in Starnberg vorgewarnt gewesen und hab' brav den Fuß vom Gaspedal genommen - was mich allerdings vor gelegentlichem leichten Schleudern nicht bewahren konnte.
Den Grund für die Freude des Deutschlehrers habe ich nicht ganz verstanden, freu' mich aber dessen ungeachtet mit ihm und Wolfram mit :) Gutes Neues Jahr noch nachträglich!
w.

Wolfram hat gesagt…

Wern, ich denke es geht in Ordnung wenn Du sie Fuddl nennst, wie alle anderen auch.
Wenn Du es unbedingt förmlich möchtest, ihr Nachname ist Gerlach: Fuddl und Pjotr Gerlach!

himmatomm hat gesagt…

Hallo, Wolfram, ich schreibe mir die Finger wund. Darum zunächst nur ein kurzer Versuch. Herzlich, Fuddl

himmatomm hat gesagt…

Lieber Wolfram, wir sind ganz Aug und Ohr, was Deine Reiseschilderungen betrifft. Und wir freuen uns immer wieder über deren Anschaulichkeit! "Renovatio" wollte ich antworten, wurde aber abgewimmelt ("falscher Absender " - ich bin aber erwiesenermaßen der "richtige"!) Grüß ihn bitte! - Wir wünschen Dir noch viele sowohl ( wie erwünscht) ruhige als auch abenteuerliche Erlebnisse und BEgebenheiten. Herzlich, Deine Fuddl und Pjotr.