Donnerstag, 24. Januar 2008

Valparaiso

Ein weißer Stern auf blauem Grund und daneben ein roter und ein weißer Streifen. Wie eine Miniausabe der "Stars and Stripes" sieht sie aus, die chilenische Flagge, die mich hier, an der Grenzstation Liberadores, begrüßt.
Da die Grenze zwischen Argentinien und Chile entlang eines Bergrückens läuft, liegt auch die Grenzstation weit oben in den Anden.

Ich habe gleich 3 Fehler gemacht, als ich die Buspassage gekauft habe. Ich habe mich für den Bus um 22:45 Uhr entschieden, denn ich war der Meinung so noch einen Tag in Mendoza zu gewinnen und mir auch noch eine Nacht in einem Hotel zu sparen. Was ich nicht bedacht habe war, dass wir uns nicht in Europa befinden und es hier Grenzkontrollen gibt und zwar ziemich genau auf der Hälfte der Strecke, also mitten in der Nacht.
Der zweite Fehler war, den Zeitunterschied zwischen Argentinien und Chile nicht zu bedenken, so dass der Bus nicht, wie ich dachte um 06:00 Uhr sondern um 04:55 in Valparaiso ankommt, eine Tageszeit zu der es schwierig ist sowohl ein Taxi, als auch ein Hotel zu finden.
Fehler Nummer drei war, eine Exkursion für den Abreisetag zu buchen, die stark wetterabhängig ist. Ich wollte nocheinmal mit einem Gleitschirm vom Cerro Arco ins Tal schweben. Vor ziemlich genau einem Jahr habe ich schon einmal den selben Flug gemacht und er war eines der Highlights meiner Reise des vergangenen Jahres. Als ich am Morgen aus dem Fenster blicke ist es stark bewölkt, es regnet und ist sehr windig. Es regnet hier durchschnittlich nur an 30 Tagen im Jahr, ich kann es kaum glauben. Um 09:00 kommt der Anruf, dass der Flug nicht stattfinden wird und man bittet mich mir mein Geld wieder auszahlen zu lassen. So habe ich einen ganzen Tag zur freien Verfügung und weiß nicht so recht etwas damit anzufangen.
Ich beschließe mich mit meinem Computer in das Café Havana zu setzen und ein bisschen im Internet zu surfen, später ins Kino zu gehen und mich nochmal vor der Abfahrt richtig satt zu essen.

Ich bin froh, als ich in der Nacht den Bus besteigen kann. Einen Gangplatz hatte ich schon beim Kauf des Tickets reservieren lassen und ich bin einer der ersten Gäste, die auf ihrem Platz sitzen.
Eine Familie steigt nach mir ein, Großmutter, Tochter und Enkelin, alle drei so beleibt, dass sie nur noch seitlich durch den Gang passen und lassen sich schräg hinter mir nieder. Der Bus füllt sich langsam und zum Schluß steigt ein Paar ein, die keine zusammenhängenden Sitzplätze mehr bekommen haben. Ich ahne, dass ich gleich gebeten werde zu tauschen, habe aber überhaupt keine Lust am Fenster zu sitzten und stelle mich deswegen schlafend.
Meine List funktioniert nicht und so sitzte ich kurz darauf am Fenster. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste war, dass die Großmutter der fetten Familie den Sitzplatz neben mir hat.
Sie stand die ganze Zeit über neben ihrer Tochter und Enkelin und setzte sich erst hin, als der Bus sich in Bewegung setzt. Der Sitz gibt eine knarrendes Geräusch von sich, als sie sich fallen lässt und augenblicklich quellen ihre Körpermassen zu mir herüber, so dass sie etwa ein drittel meines Platzes mit in Beschlag nimmt. Mir fällt das alte Kinderlied von der Dickmadame ein: "Eine kleine Dickmadame fuhr mal auf der Eisenbahn - Eisenbahn die krachte, Dickmadame die lachte".
Meine Dickmadame lacht nicht nur gerne sondern hat auch noch das ein oder andere mit ihrer Tochter hinter sich zu besprechen. Da sie sich, auf Grund ihres Umfangs, nicht mehr umdrehen kann, muss sie halt etwas lauter sprechen, damit man sie auf den hinteren Plätzen auch versteht.
Die Straße ist übersäht mit Schlaglöchern, zum Teil so tief, dass man regelrecht aus seinem Sitz katapultiert wird und so ist schon allein deswegen an Schlaf nicht zu denken. Zumindest nicht für mich, Dickmadame hat ihre Unterhaltung nun eingestellt und ist eingeschlafen, was ihr Schnarchen, oder eher ein kehliges Röcheln, verlautbaren lässt.

Fast bin ich froh, als wir in die Grenzstation einfahren, denn sie verspricht eine Pause vom Eingesperrtsein zwischen der Bordwand des Busses und einem schwitzigen, klebrigen Körper. Eigentlich habe ich ja gar nichts gegen schwitzige, klebrige Körper, solange ich sie mir selber aussuchen kann.
Draußen ist es kühl und windig. Die Grenzstation hat Ähnlichkeit mit den Grenzübergängen der ehemaligen DDR. Schmuddlige Baracken, unfreundliche Beamte und Toiletten, vor denen sich selbst Bakterien ekeln. Grelles Neonlicht taucht die Gesichter der Wartenden in ungesundes Grün. Alle müssen sich in einer Schlange aufstellen und werden von Uniformierten angeherrscht die Papiere und den Pass bereit zu halten, die nun der Reihe nach eingesammelt werden. Hat einer der Reisenden einen Fehler gemacht, wird er ans Ende der Schlage geschickt um seine Papiere zu vervollständigen. Währenddessen werden unsere Koffer gescannt und stichprobenmäßig werden einige Passagiere, darunter auch ich, aufgefordert ihre Koffer zu öffen.
Etwa eine Stunde dauert die Prozedur, bis wir unsere Fahrt vortsetzten können.

Die Nacht ist sternklar und da ich eh nicht schlafen kann, betrachte ich die Mondlandschaft, durch die wir jetzt in Serpentinen schaukeln. Schade, dass ich das nicht bei Tageslicht betrachten kann.
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Gegen 4:30 Uhr erreichen wir die Stadt Vina del Mar, ein Seebad, nur 7 Kilometer von Valparaiso entfernt. Die meisten der Gäste steigen hier aus. Als wir Valparaiso erreichen zeigt meine Uhr 5:55. Die Stadt ist wie ausgestorben und ich wundere mich wann das Leben hier denn erwacht. Bis ich auf die Uhr im Busbahnhof schaue und mir mein Irrtum auffällt.
Ich suche ein Taxi und lasse mich zum einzigen Hostel fahren, dass ich hier kenne. Von Mendoza aus habe ich übers Internet eine Reservierung gemacht, jedoch keine Antwort erhalten.
Nach einer zehn minütigen Fahrt setzt mich der Fahrer am Hostel, auf einem Hügel der Altstadt ab. Das Hostel, ein bunt bemalter, wellblechtverkleideter Altbau, sieht genau so ausgestorben aus, wie die ganze Stadt. Ich läute an der Tür, aber niemand öffnet.
Coulors of Valparaiso
Es ist wirklich noch früh und ich will nicht sturmläuten, also beschließe ich eine Stunde zu warten, bis ich den nächsten Versuch wage. Also beobachte ich, wie der Tag erwacht, wie sich das Sonnenlicht langsam durch den Nebel frißt und diesen auflöst. Ein paar Möven überfliegen mich schreiend und vom Hafen trägt eine leichte Briese den Geruch des Pazifiks zu mir. Gesellschaft leisten mir nur ein paar streunende Katzen, wie sich neugierig nähern, als ich meinen Koffer öffne um meine Regenjacke gegen eine warme Jacke zu tauschen.
Ich versuche die Katzen anzulocken um mit ihnen zu spielen, aber sie sind zu scheu um sich auf mehr als zwei Armlängen zu nähern. Wenn ich nicht so müde wäre, wäre das hier eine schöne Stimmung.
Um 6:30 klingele ich erneut und diesmal wird mir aufgemacht. Der verschlafenen Eigentümer hat meine Reservierung nicht erhalten, hat auch keine Zimmer mehr, bietet mir aber an eine Liege aufzustellen, damit ich mich erstmal ausschalfen kann. Ich lehne ab und versuche erstmal anderweitig Quartier zu finden.
Im nächsten Hotel hat man noch Zimmer und die sind wirklich atemberaubend schön, aber mit 140 US$ einfach zu teuer, als dass ich sie mir leisten möchte.
Fündig werde ich schließlich in einem Hostel in der Nähe, dessen Eigentümer ich ebenfalls aus dem Schlaf klingeln muss.
Er zeigt mir nur kurz mein Zimmer und geht dann wieder schlafen. Die Formalitäten haben Zeit, sagt er noch als er die Tür seines Schlafzimmers wieder hinter sich zuzieht.

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