Freitag, 11. Januar 2008

La Libertad

My Friend
Er ist schon fast sowas wie ein Freund geworden, der mich jeden Morgen auf meinem Weg in die Stadt begrüßt hat, nur ein Auge für kurze Zeit geöffnet, um mir zu zeigen, dass er mich wahrgenommen hat. Einmal habe ich ihm meine Hand hingestreckt und er brauchte zwei Atemzüge um zu wissen, dass von mir wohl keine Gefahr ausgeht. Am Abend lag er immer noch an der gleichen Stelle, seine Schnauze durch das schmiedeeiserne Gitter gesteckt. Das hier ist sein Revier!

Auch an meinem letzten Tag in Buenos Aires kam ich morgens, auf meinem Weg nach San Telmo, an ihm vorbei. Ich wollte in den Stadtteil, der früher den Reichen der Stadt Obdach bot, bis eine Choleraepedemie die meisten zu einem Umzug in den Stadtteil Recoletta zwang, wo auch heute noch die Wohlhabenden der Stadt residieren. San Telmo sind die schönen Häuser an den kopfsteingepflasterten Straßen, die Vielzahl an Antiquitätengeschäften und der berühmte Antiquitätenmarkt an den Sonntagen geblieben.
Ich stöbere ein wenig durch die Geschäfte, bleibe in einigen länger hängen und unterhalte mich in meinem Kleinkinderspanisch mit den Besitztern, erkundige mich nach Preisen.
Pins
Alte Möbel machen hungrig und ich beschließe nochmal ins Café Tortoni zu gehen, einer Institution unter den Caféhäusern. Als ich ankomme steht vor dem Eingang eine lange Schlange - alles Menschen, die auf Einlass warten.
Als ich gegen Ende der 90er Jahre zum ersten Mal hier war, saßen oft nur drei oder vier Gäste an den alten Holztischen. Im letzten Jahr, so habe ich gelesen, haben 200.000 Touristen mehr das Land besucht als im Vorjahr. In diesem Jahr rechnet man nochmals mit einer deutlichen Steigerung.
So überlasse ich das Tortoni den, haupsächlich brasilianischen, Besuchern und gehe weiter zum alten Hafenbezirk, dem Puerto Madero.
Argentinian Sailship "Liberdad"
Schon von weitem kann ich die Takelage eines großen Segelschiffes erkennen. Als ich näher komme sehe ich, dass es sich um die "Liberdad", das Schulschiff der argentinischen Marine, handelt. An Bord sind jedoch nicht nur Soldaten, sondern auch mehrere Zivilisten. Ich laufe also den kleinen Steg hoch und frage einen der Matrosen, ob ich an Bord kommen darf. Mit einer freundlichen Geste läd er mich ein mich umzuschauen. Gerne würde ich ein paar Fotos schießen, weiss aber nicht, ob das erlaubt ist. Am Hauptmast halten sich einige Mitglieder der Besatzung auf, die den Zivilisten Rede und Antwort stehen. Ich wende mich an einen dicken, klein gewachsenen Mann, der, wie sich später herausstellt der Smutje, der Schiffskoch ist und schon seit 22 Jahren auf diesem Schiff fährt. Das hier ist sein Zuhause.
Mir fällt ein, dass ich immerhin schon fast 19 Jahre bei Lufthansa arbeite und zwar auch, zumindest teilweise, in den Bordküchen. Wir sind also im weitesten Sinne so etwas wie Kollegen.
Das Fotografieren ist erlaubt, ja sogar erwünscht und man kann sich auf dem Oberdeck und der Brücke frei bewegen. Nur die unteren Decks, die Wohnräume der Besatzung, sind für Besucher gesperrt.
Nun werde ich ein wenig ausgefragt, woher ich komme, ob ich zum ersten Mal in Argentinien bin, wo mich meine Reise noch hinführen soll...
Als ich verrate, dass ich aus Deutschland komme, bekommt er glänzende Augen und schwärmt von den Hamburger Mädchen. Die sind so unnahbar und exotisch.
Eine Reise nach Hamburg unter Segeln dauert etwa 8 Monate, natürlich mit jeder Menge Stopps in Ländern auf dem Weg, erklärt er mir.
Ich schaue zu den Masten hoch und bei dem Gedanken bis dort oben hoch klettern zu müssen, wird mir schwindlig. Wie muss es wohl erst bei strakem Wind und Seegang sein?

3 Kommentare:

renovatio hat gesagt…

Nach Freiheit sieht das Zuhause Deines vierbeinigen Freundes ja nicht gerade aus... aber jetzt hat er ja für kurze Zeit ein Highlight in Dir ob seines tristen Alltags.

Touristenbelagerte Vorzeige-Cafés? Wäre auch nicht mein Fall gewesen. Infolgedessen: "Antizyklisch" ist unsere Devise, right? Und ich bin mir fast sicher, dass das "Kleinkinderspanisch" die reinste Untertreibung ist.

Ein Leben auf den Weltmeeren? Ein wahrlich exotischer, wenngleich wahrscheinlich ungleich härterer Lebensstil, als man ihn sich in jugendlicher Seefahrer-Romantik vorzustellen vermag. Lustig, dass die Hamburger Mädchen für so einen Zeitgenossen dann Exotik bedeuten ;-) Alles eine Frage des Blickwinkels, das wird mir - wenn überhaupt irgendwas - immer klarer.

Tja, dann Schiff ahoi für die nächsten Etappen!

Wolfram hat gesagt…

Ich glaube der Hund hat sich mit seinen Schicksal wohl abgefunden. Irgendwann werden wohl auch Hunde mal faul und träge, genau wie Männer :)

Auf einem Schiff, noch dazu auf so einem, ohne Stabilisatoren, mit dem das Meer mach was es will, wäre jetzt auch nicht meine Vorstellung von Freiheit, aber eine Fahrt, natürlich nur als Tourist wäre schon ganz lustig.

renovatio hat gesagt…

Die Fahrt als Tourist ist dann wahrscheinlich wiederum weniger eine Frage des Blickwinkels, sondern der (Geld-)Betragshöhe ;)