Donnerstag, 18. Januar 2007

Kaffeefahrt in die Wildnis

Patagonial Lake
Langsam schaukelt der Bus die Landstraße entlang. Es ist noch früh und der Lago Nahul Huapi liegt im rötlichen Sonnenlicht, das sich sanft auf der Wasseroberfläche widerspiegelt. Nach der nächsten Kurve gibt der Wald den Blick auf San Carlos de Bariloche frei, wo ich am Vortag, nach 18 stündiger Busfahrt, angekommen bin.
Patagonien, ein Ort, der für mich mit Abenteuer, endlosen Araukarienwäldern und unberührter Wildnis verbunden ist. Wo, denke ich, kann man das besser erfahren, als in einem der meistbesuchen argentinischen Nationalparks, in dessen Zentrum sich Bariloche befindet, der Ausgangspunkt meiner Unternehmungen der nächsten Woche.

Von Mendoza kommend, fuhren wir Stunde um Stunde durch die eintönige Steppenlandschaft Nordpatagoniens, kein Baum, keine Erhebung keine Siedlungen boten Abwechslung. Nirgendwo Schatten. Ab und zu sah man vereinzelt eine Kuh an der Straße stehen und an dem verdörrten Steppengras kauen. Wem, so denke ich, gehört dieses Tier und wo findet es Wasser? Die letzte menschliche Behausung war sicher 50 Kilometer entfernt.
Langsam zeichneten sich am Horizont die ersten Berge ab, die Straße bog nach Westen und führte nun wieder auf die Anden zu. Immer deutlicher konnte man schneebedeckte Gipfel erkennen und, je näher man kam, auch üppige grüne Vegetation. Wir passierten die ersten Seen und bald hatte die Landschaft ihre spröde Schönheit verloren und bot einen Anblick, der mich an die schweizer Alpen erinnerte. Hohe Berge, grüne Wiesen, ausgedehnte Wälder, kleine Holzhäuschen und Seen, immer wieder Seen.

Ich entschloss mich für meinen ersten Tag eine Exkursion zu buchen, die den Namen "die 7 Seen" trägt und die im Prospekt eine Fahrt durch dichte Wälder, vorbei an sieben Seen, in das Andenstädtchen "San Martin de los Andes" ankündigt.
Am Morgen wurde ich von einem Kleinbus abgeholt, dessen Fahrer mir mitteilt, dass ich gleich in einen größeren Bus umsteigen muss. Großer Bus bedeutet große Gruppe und das gefällt mir nicht. Tatsächlich wartet bald ein Ungetüm auf vier Rädern auf uns, schon zur Hälfte besetzt. Er soll bis auf den letzten Platz voll werden.
Die Fahrt beginnt, das üblichen "Warm Up" unseres Guides, der heute weiblich ist. Bald wird die Straße schlechter, Asphalt wird von Schotter und schließlich von Sand abgelöst. "Die Straße wird demnächst auch noch asphaltiert" lässt unsere Führerin uns wissen, "spätestens in 2 Jahren". Der Verkehr ist tatsächlich für eine solche Straße viel zu stark, eine Karawane aus Bussen und Individualverkehr zieht auf ihr entlang und hinterlässt eine Staubwolke, die sich nie zu legen scheint. Der erste See tauch im Staub auf, unser Führer gibt Informationen zu Größe, Tiefe und Fauna und ich freue mich auf den ersten Stopp, der jedoch liegt noch weit vor uns. So geht es See um See: Infos zur Beschaffenheit im Vorbeifahren, bloß nicht den Anschluss an die Kolonne verlieren. Statt an einem der Seen zu halten, die Stille und Grandiosität der Landschaft zu genießen, wird uns ein Besuch bei einer Indianerfamilie angekündigt, die zufälligerweise auch frittierte Teigtaschen und Getränke feilbieten, zu dessen Kauf wir nun animiert werden. Mir wird langsam klar, dass ich hier in eine Art argentinischer Kaffeefahrt geraten bin. Fehlt nur noch das die Ureinwohner schnell vor unserer Ankunft Jeans und T-Shirt gegen ihre Ponchos eintauschen und uns mit ihren traditionellen Tänzen erfreuen. Der Stopp darf nicht länger als 20 Minuten dauern, so werden wir ermahnt, um sich in der Schlange vor der Toilette vorzuarbeiten dürften diese aber nicht ausreichen. Was soll´s, Bäume gibt´s genug, schließlich bin ich ja ein Mann.
Pataonian Lake
Nach 20 Minuten ist Abfahrt und der Ausflug geht weiter, wie er angefangen hat. Ein See, "mira, mira, que lindo" im Vorbeifahren und weiter geht´s. Ich wende ein dass ein Stopp doch mal ganz nett wäre aber unser Kaffeefahrt-Oberst ist streng mit seinen Untertanen. Nach 6 stündigem Staubschlucken auf der Waldpiste haben wir unser Ziel, das Örtchen San Martin de los Andes erreicht, nicht mehr als 2000 Einwohner und etwa ebensoviele Tagesgäste die in den ortsansässigen Restaurants fachkundig ausgenommen werden sollen. Hierzu gibt man den Restaurantbetreibern und Kaffeebesitzern mit 2 Stunden reichlich Zeit. Um zu verhindern, dass die Touristen fliehen hat man den Aufenthalt auf die Zeit der Siesta gelegt, zu der alles außer der Restaurants geschlossen ist. Ich warte nur darauf, dass hinter irgendeinem Baum ein Clown hervorgespringt, der uns Heizdecken oder Bratpfannen verkaufen will, aber auf diesen Höhepunkt einer jeden europäische Butterfahrt müssen wir hier leider verzichten.
Gleicher Rückweg und das gleiche Spiel. Die ganze Landschaft entlang der Straße ist in eine dicke Staubschicht gehüllt, der Staub geht durch jede Ritze und legt sich auf alles nieder, unsere Kleidung und Gesichter eingeschlossen. Mein Sitznachbar, ein lustiger, kräftiger Brasilianer aus Brasilia, der in Wien studiert hat und recht gut Deutsch spricht, und ich machen unsere Scherzchen über den Ausflug. Offensichtlich sind wir beide die einzigen, die andere Erwartungen hatten.
Einen zweiten Ausflug, den ich bereits gebucht habe, werde ich morgen sofort stornieren. Statt dessen sind von jetzt an ein Leihwagen und meine Wanderstiefel die Transportmittel meiner Wahl.

3 Kommentare:

renovatio06 hat gesagt…

Da bewahrheitet sich mal wieder: "Glaube nie den Marketing-Leuten", das sind alles professionelle Lügner (nur noch übertroffen von den Damen und Herren Politikern). Na ja, wenigstens hattest Du etwas Unterhaltung mit dem brasilianischen "Wahl-Wiener"...
Mit Leihwagen, Wanderstiefel und Deinem eigenen Programm sollte ja nichts schiefgehen können.

himmatomm hat gesagt…

wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Die Beschreibungen: Hemingway lässt grüßen! herzlich, himmatomm

Wolfram hat gesagt…

Ich hatte schon meinen Spaß, war ja meine erste Kaffeefahrt.

Wer sich wohl hinter dem Pseudonym Himmatomm verbirgt? Fuddl und Peter, ihr seid enttarnt!