
Zuerst sehe ich nicht viel mehr als einen Schatten, der unter mir hindurchschwimmt, erst dann erkenne ich die Silhouette, die kein Schwimmer oder Surfer der Welt sehen will: direkt unter mir schwimmt ein Hai. Desinteressiert und genau so schnell, wie er gekommen ist, ist er auch wieder verschwunden. Schon wenige Sekunden später tauchen aus der Dunkelheit die nächsten Haie auf, diesmal zu zweit und deutlich größer als das erste Exemplar. Ich bewundere ihre torpedoförmigen Körper, die Eleganz, mit der sie sich bewegen, die typische Seitwärtsbewegung des Kopfes, wenn sie beschleunigen. Sie wissen, dass sie hier die uneingeschränkten Herrscher sind.
Natürlich weiß ich, dass diese Tiere an Schwimmer gewöhnt sind, denn Ausflugsboote kommen täglich in die Shark Bay, und ich weiß auch dass Haie nur dann Menschen attackieren, wenn sie sie mit Beute verwechseln oder selber angegriffen werden, aber dennoch ein Gefühl der Unsicherheit bleibt. Hier ist keine Glasscheibe eines Aquariums zwischen mir und den Raubfischen, das hier ist der Ozean und unter mir schwimmen wilde, gefährliche Tiere!
Am Morgen sind wir zu dieser Tagestour, die uns in die verschiedenen Buchten der Insel Koh Tao und auf die Insel Koh Nang Yuan bringen soll, aufgebrochen. Schon vor dem Ablegen der erste Zwischenfall. Da alle Boote an dem windigen Pier aus Holzlatten und Stöcken nebeneinander festgemacht sind, muss man, um auf seines zu kommen, über mehrere andere Boote steigen. Eine Frau fällt dabei in Wasser, ich vermute sie hat kurz das Bewußtsein verloren, und kann, als man sie wieder aus dem Wasser zieht, nicht aufhören sich zu übergeben. Für sie und ihren Mann ist der Ausflug bereits jetzt vorbei.
Bereits der erste Stopp ist die Shark Bay, die Hai Bucht, in der ich die zwar nicht unvorbereitete, aber dennoch unheimliche Begegnung mit den Haien habe. Etwa 10 Tiere kann ich sehen, während ich in der Bucht schnorchele. Was ich aber noch nicht ahne ist, dass das nicht die einzigen Haie sind, die ich heute sehen soll.
Wir fahren Bucht um Bucht an, pausieren kurz um ins Wasser springen und uns die Unterwasserwelt anschauen zu können, und fahren dann weiter zur nächsten. In den meisten Buchten sind die Korallengärten ungeheuer prächtig und farbenfroh. Manche fächerförmig, andere wie riesige Kugeln und wieder andere, die an menschliche Gehirne erinnern. Dazwischen hundert und tausendfach bunte Fische aller Formen und Farben. Die Fische sind sehr zutraulich und an die Wesen mit den eigenartigen Tauchutensilien gewöhnt. Man kann mitten durch einen Schwarm schwimmen, der sich nur langsam teilt, um sich hinter einem wieder zu schließen. Nur einmal ergreifen alle Fische um mich herum die Flucht, denn neben mir schießt ein pfeilförmiger Fisch hervor, schnappt sich einen der kleinen und verschlingt ihn.
In einer der Buchten macht sich die Crew unseres Bootes einen Scherz und wirft als wir alle im Wasser sind, Reis zwischen die Schnorchler. Sofort kommen von überall her Fische angeschwommen um sich die Köstlichkeit zu schnappen. Jetzt ist auch die letzte Scheu dahin. Die Fische sind so wild auf den Reis, dass man sie jetzt sogar berühren kann. Erst nach der Berührung schwimmen sie weg, um nur kurz darauf wieder zu kommen.
Der letzte Stopp ist die Insel Nang Yuan, ein privates Eiland, das aus drei, durch einen dünnen Sandstrand miteinander verbundenen Inseln besteht. Der Eigentümer lässt sich die Anwesenheit von Besuchern mit einem Eintrittsgeld von 100 Baht (2 Euro) vergolden. Das Mitbringen von Plastikflaschen oder Dosen auf die Insel ist nicht gestattet. Ich steige, mit einigen Mitreisenden auf eine Anhöhe um einen guten Rundumblick zu haben und ein Foto zu schießen.
Das Wasser der beiden Buchten ist, genau wie überall, wo wir gehalten haben, klar wie Kristall und badewannenwarm.

Der Rückweg nach Koh Tao ist kurz. Etwa auf halber Strecke stoppt der Kapitän die Maschinen abrupt. Fast wäre er in eine große Gruppe Taucher gefahren, von denen nur die Köpfe aus dem Wasser schauten. Sie sind wirklich schwer auf dem reflektierenden Wasser auszumachen. Die Größe der Gruppe erstaunt mich und von überall, nähern sich Boote und weitere Taucher springen ins Wasser, bis die Botschaft auch bis zu uns herüberkommt: unter uns schwimmt ein Walhai. Schell reißen wir uns die T-shirt vom Körper, schnappen unsere Taucherbrillen und springen ins Wasser. Zuerst sehe ich nur vierzig oder fünfzig Taucher unter mir, die sich in die Tiefe vorarbeiten. Einer hat einen Schnorchler im Schlepptau, mit dem er sich abwechselnd den Sauerstoff teilt. Ich halte überall Aussschau, sehe nur Menschen um mich herum. Ab und zu tauche ich auf, um zu sehen wohin sich die Menge bewegt, um ihr nachzuschwimmen und endlich kann ich ihn sehen: ein gewaltiger Fisch, zwischen 10 und 15 Metern lang, gefleckte Haut, umgeben von einer Vielzahl kleinerer Fische. Ohne Zweifel das größte Tier, dass ich je in freier Wildbahn gesehen habe.