Samstag, 19. Januar 2013

Das Meer kocht

Unbenannt


Die Wanderung ist extrem anstrengend. Von oben betrachtet sieht ein Lavafeld glatt aus, wenn man sich darin befindet, läuft man auf sehr unebenem Boden, muss kleinere und größere Hügel erklimmen, permanent auf Spalten und, in diesem Fall noch zusätzlich, auf Anzeichen achten, die dafür sprechen, dass ich mich auf dünnem Boden befinde, der unter meinem Gewicht einbrechen kann, oder ich gar auf einer unterirdischen Lavaader laufe.

Am Parkplatz komme ich zeitgleich mit einem Vater und seiner Tochter an, die das gleiche Ziel wie ich haben, den Punkt, wo die heiße Lava in den Ozean fließt, den sogenannten „Lava Viewing Point“. Ich schließe mich ihnen an.
Sie haben ein sehr nützliches Gerät bei sich, ein Laserthermometer, dessen Lichtstrahl man nur auf einen Punkt auf dem Boden halten muss, um sofort dessen Temperatur ablesen zu können. 
Sie überprüfen beim Wandern permanent die Bodentemperatur, um sicherzustellen, dass wir uns nicht auf, nur oberflächlich abgekühlter, Lava befinden.
Etwa einen Kilometer von unserem Ziel entfernt, müssen die beiden aufgeben. Die Tochter ist mit Trekking-Sandalen unterwegs und hat sich einen der winzig kleinen, messerscharfen, Lavasplitter in die Fußsohle getreten. Den letzten Kilometer schaffe ich auch alleine. Schon nach wenigen Minuten kommen mir drei Wanderer entgegen, bei denen ich mich nach der Sicherheit des Weges vor mir erkundige. Alles OK sagen sie mir. 
Der Lavafluss sei heute besonders schön, sagt einer der Männer zu mir, den ich für den Führer halte.
Ich frage ihn wie nah man sich an die Lava herantrauen kann und er antwortet, dass man das merken würde und stehenbleiben sollte, wenn es zu heiß wird.
Ich habe keine Lust, dass mir die Gummisohlen meiner Wanderschuhe schmelzen und beschließe, mir das Schauspiel aus sicherer Entfernung anzusehen.
Nach einer weiteren halben Stunde Marsch stehe ich endlich an dem Punkt, von dem ich solange geträumt habe. Etwa 50 Meter vor mir stürzt glühendes, mehrere tausend Grad heisses, Gestein ins Meer und lässt dieses sofort kochen.

Unbenannt

Mehrere Dampfsäule steigen dort auf, wo die Lava den Ozean berührt. Man hört es zischen und brodeln und man kann die rotglühende Lava sehen, wie sie im Meer versinkt.
Ich setzte mich und lasse die Szenerie auf mich wirken. Unfassbar, was man hier zu sehen bekommt, ist nichts weniger als sie Entstehung neuen Landes, den Vorgang der diese Inselkette vor millionen von Jahren hat entstehen lassen.
Ich bin von der Naturgewalt, die hier vor meinen Augen wirkt, komplett ergriffen. Die Strapazen der Wanderung sind vergessen.
Etwa eine halbe Stunde verweile ich an der Stelle, mache ein paar Fotos und breche dann zum Rückweg auf.

Unbenannt

Die Orientierung fällt teilweise schwer, denn an manchen Punkten ist man nur von Lava umgeben und sieht weder den Ozean noch die Berge auf der anderen Seite.
Bisweilen kommt man an Stellen vorbei, die davon zeugen, dass hier einmal Menschen gelebt haben. Irgendwo ragt ein Gestell zum Wäschetrocknen aus der Lava, eine Wäscheleine häng noch daran. An einer anderen Stelle finde ich ein Blechdach, dass hier einmal ein Haus bedeckt haben muss.
Am Rand des Lavafeldes haben sich sogar wieder Menschen angesiedelt. Sie haben ihrer Häuser auf der erkalteten Lava errichtet, vermutlich dort, wo einst ihr altes Heim stand.
Das ist amerikanischer Pioniergeist, um den sie wohl in allen anderen Ländern beneidet werden.

Um nach Kona zurückzukommen muss ich fast die ganze Insel umrunden. Die Fahrt ist sehr abwechslungsreich. Kaum mehr als fünf Kilometer fährt man und ist bereits in einer völlig anderen Vegetationszone. Dichter Regenwald geht in grünes, saftiges Weideland über. Kaum hat man realisiert, was man sieht, befindet man sich entweder in einem Lavafeld oder in Wüstenvegetation mit Kakteen.
An der Westküste angelangt fahre ich durch eine Landschaft aus unzähligen kleinen, grasbewachsenen, Kratern. Auf der linken Seite steigt der mächtige Mauna Loa auf, auf der rechten liegt der Pazifik und aus dem Radio kommt Soulmusik. Vor mir geht die Sonne unter und taucht die Landschaft in goldenes Licht.

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