Montag, 10. Januar 2011

Blood, Sweat and Fears

Es gibt eigentlich nur noch eine Stadt auf der Welt, die Sydney das Wasser reichen kann: Rio de Janeiro. Auf eine Art sind sich beide ziemlich gleich und auf eine andere doch wieder ganz unterschiedlich.
Beide liegen an einem natürlichen Hafen in atemberaubender Landschaft, werden vom Meer bestimmt, haben eine Surferkultur und beide sind in sich selbst verliebt.
Rio ist noch lebenshungriger, noch knalliger, noch hedonistischer als seine australische Konkurrentin. In Rio lebt man das Leben als ob es im nächsten Moment vorbei sein kann. Rio ist Samba, laut, heiß und ein bisschen vulgär. Rio ist wie Sex, 24 Stunden am Tag, jeden Tag.
Sydney ist britisch zurückhaltend, ein wenig schüchtern und wie die Phase der ersten Verliebtheit.
Rio wird vom Zuckerhut und von der Christusstatue auf dem Corcovado dominiert und Sydney vom Opernhaus und seiner Harbour Bridge.

Harbour Bridge

Es hat lange gedauert, bis sich die Stadtväter endlich zum Bau einer Brücke durchringen konnten. Lange hieß es, man bräuchte sie nicht und sie wäre zu teuer. Eine Zeit lang überlegte man auch, ob ein Tunnel unter dem Hafen die bessere Alternative wäre (den gibt es mittlerweile zusätzlich). Es vergingen Jahrzehnte mit der Planung, bis man Ende der 20er Jahre des letzen Jahrhunderts endlich damit begann. Hätte man noch wenige Jahre länger gewartet, wäre sie wahrscheinlich nie entstanden, denn die Bauphase fiel genau in die Zeit der großen Depression.

Es ist schon ein beeindruckender Anblick, wenn man an der Bahnstation Circular Quay aussteigt und sich dieses Monstrum aus Stahl und Beton direkt vor einem erhebt.
Man kann sie nicht nur mit dem Auto, der Bahn oder zu Fuß überqueren, man kann auch ihre stählernen Bögen erklimmen und die einmalige Aussicht auf den ganzen Hafen von dort oben aus genießen.

Bridge Climber

Die Brückenkletterer bekommen einen Overall, Helme und werden mit Bergsteigergeschirr gesichert. Der Ausflug dauert 2 Stunden und kostet 120 Euro.
Auch die Brückenpfeiler kann man besteigen und das ist mit 7 Euro geradezu ein Schnäppchen und außerdem auch noch weniger anstrengend. Ich entscheide mich für die zweite Variante und beschließe das gesparte Geld in ein ordentliches Abendessen zu investieren.

Enjoying the view

Auf dem Weg in die Höhe passiert man auf halber Strecke ein Besucherzentrum in dem über die Geschichte und den Bau der Brücke informiert wird. Alles wird mit Modellen und zeitgenössischen Fotos dokumentiert.
Die Arbeitsbedingungen waren mehr als hart. Die Arbeiter hatten weder Helme, noch Sicherheitsschuhe und auch sonst keine Schutzkleidung. Von Sicherungsmassnahmen wie Netzen oder Seilen ganz zu schweigen.
Die Metallnieten, die die großen Stahlträger zusammenhalten, mussten an Ort und Stelle weißglühend verarbeitet werden, daher gab es kleine transportable Öfen. Hatten sie die gewünschte Temperatur erreicht, wurden die Nieten in ein vorgefertigtes Loch in dem Träger gesteckt, ein Arbeiter musste die Niete sichern und der andere mit einem Presslufthammer dagegenschlagen. All das ohne Gehörschutz.
Viele der Männer hatten Brandwunden von den heißen Nieten, Schnittwunden von scharfen Metallteilen und so gut wie alle waren von dem Lärm auf der Baustelle nach Fertigstellung der Brücke schwerhörig.
Wie viele der Arbeiter beim Bau der Brücke ums Leben kamen weiß ich nicht, aber es dürften einige gewesen sein.
Ein Denkmal für sie gibt es nicht, aber das haben sie sich selbst gesetzt. Sie haben eine australische Ikone geschaffen, bezahlt haben sie sie mit „blood, sweat and fears“ - Blut, Schweiß und Angst.

7 Kommentare:

renovatio hat gesagt…

Wow - Dein bester Beitrag bisher, aus meiner Sicht. Was immer sie Dir ins Essen tun - es wirkt :) Das mit dem Brückenbau klingt ähnlich, wie es beim Bau der ersten Wokenkratzer in USA zugegangen sein mag. Da gibt es ja dieses berühmte Bild von den Bauarbeitern in der Mittagspause, wie sie ungesichert auf einem Stahlträger sitzen und scheinbar ungerührt ihre Sandwiches verdrücken. Und dann gibt's natürlich auch unseren Superstar Arthur als kleinen Jungen, wie er auf einem dieser Stahlträger für die Arbeiter tanzt, aahahah!!!
Bin gespannt, wie's weitergeht.

Wolfram hat gesagt…

Ja genau, das war aber noch vor der Blütezeit des kosheren Fleisches, oder?

Was ist denn an dem Beitrag besser als an den anderen? Eigentlich ja egal, Hauptsache es gefällt.

crk hat gesagt…

"Blood, Sweat and Tears", not fears. At least that's how we use that saying. Traenen macht auch mehr Sinn als Aengste, vor allem im plural wird das sehr selten benutzt.
Oberstudienrat Dr.Kolshorn

Wolfram hat gesagt…

Der Spruch "Blood, Sweat and Fears" ist ein Wortspiel, das die im Besucherzentrum verwendet haben um auszudrücken, was für ein Knochenjob das damals war. Ich dachte mir das wäre eine schöne Überschrift für den Post.
War "Blood, Sweat and Tears" nicht auch eine Rockband aus den 70ern?

renovatio hat gesagt…

Ja, war sie. Und der Ausspruch geht auf Churchill im zweiten Weltkrieg zurück, als er seine Truppen damit zu motivieren suchte, dass er nichts anderes anzubieten habe als eben Blut, Schweiß und Tränen. Aber Omnisavant der Du bist - war Dir das mit Sicherheit bekannt.

Wolfram hat gesagt…

Gab's dazu nicht sogar ein Kapitel (Kaputel, lt. Helmes) in unserem Englischbuch, das mit diesem Zitat betitelt war?
Jetzt wo Du's sagst erinnere ich mich wieder dran, aber hätte mich jemand gefragt, wäre es mir wahrscheinlich nicht eingefallen.

renovatio hat gesagt…

"Kaputel" - *brüll* Ich glaube, müsste ich heute nochmal in die Schule und hätte den gleichen "Le(e)hrkörper" vor mir wie damals, würde es mir sicher nicht mehr gelingen, mich auf den Stoff zu konzentrieren, weil ich dauernd ablachen müsste... Teilweise war das ja schon damals so, siehe Hr. Leiß und sein Gezappel, als das Undenkbare geschehen war und er von diesem Schreibtischstuhl gefallen ist, auf dem er in unannachahmlichem Leichtsinn immer hin- und hergekippelt hat.... LOL!