Mittwoch, 14. Januar 2009

Sànùk

Der Wecker reißt mich unsanft aus dem Schlaf. Es ist 5 Uhr 30 und eigentlich viel zu früh um aufzustehen, aber ich möchte die Bettelmönche beobachten, wie sie die Nahrung für den Tag erbitten und ihnen selbst auch eine bescheidene Spende zukommen lassen und Mönche stehen nun einmal, das ist wohl nirgendwo auf der Welt anders, früh auf.
Am Vorabend habe ich mich erkundigt, wo man sie antreffen könnte, und mir wurde gesagt, das der Markt dafür der beste Ort wäre. Also bin ich 10 Minuten nach dem Wecken auf der Straße. Es ist kalt, so kurz vor Sonnenaufgang. Ich habe bewußt auf eine lange Hose und geschlossene Schuhe verzichtet, das einzige Zugeständnis an den kühlen Morgen ist meine Jacke. Die Mönche tragen ihre orangefarbenen Gewänder, nur aus einem dünnen Baumwolltuch bestehend und laufen barfuß. Ich wollte wenigstens ein bisschen wie die Mönche fühlen.
Die Temperaturen liegen etwa bei 15°C und ich laufe fröstelnd durch die menschenleeren Straßen. Nach etwa 10 Minuten begegnen mir die ersten Mönche und ich laufe in einigem Abstand hinter ihnen her, denn ich kenne den Weg zum Markt nich genau.

Buddhist Monks

Nach weiteren 10 Minuten bin ich am Ziel. Hier wird angeboten, was am vergangenen Tag noch auf den Feldern stand und in den Bäumen hing. Es herrscht bereits geschäftiges Treiben, die Kunden und Händler scherzen und schwatzen miteinander. Ich bin der einzige Ausländer, aber davon nimmt niemand Notiz.
Eine der Marktfrauen spricht mich an, ob ich eine Nahrungsspende für die Mönche kaufen möchte. Genau deswegen bin ich hier. Für 20 Baht bekommt man eine kleine Tüte, die mit verschiedenen Dingen gefüllt ist. Ein paar Früchte, etwas Gebäck, ein Schololadenriegel. Für zusätzliche 5 Baht bekomme ich außerdem noch 2 Räucherstäbchen und eine Lotusblühte, die die Mönche als Opfergaben für ihr Gebet brauchen. Ich kaufe von beidem und beobachte nun andere Menschen, die ebenfalls Spenden für die Mönche erworben haben, um kein Tabu zu brechen. Sobald sich ein Mönch nähert, gibt man ihm zu verstehen, dass man ihm etwas spenden möchte und er öffnet daraufhin eine den Deckel seiner Metallschale und man legt die Spende hinein. Danach dankt man ihm, dass er die Spende angenommen hat und der Mönche erwiedert einen Segen, den er zu den knieenden Spendern spricht.
Ich warte also auf den nächsten Mönch, lege meine Spende in seine Schale und danke ihm. Da ich Europäer bin und auch keine Anstalten mache auf die Knie zu gehen, nickt er mir nur unmerklich zu und geht weiter.
An einer Ecke steht eine junge Frau, die ein paar, vermutlich selbst gebackene Kekse, in kleine Plastiktüten verpackt, als Spende bereit hält. Als Frau darf sie die Mönche auf keinen Fall berühren. Müde reibt sie sich die Augen, als ich an ihr vorbeigehe.

Die Tatsache, dass der Alltag der meisten Thai durch Religion und Spiritualität geprägt ist, heiß jedoch nicht, dass ihnen Spaß fremd ist. Ganz im Gegenteil: im Thailändischen gibt es ein Wort, dass man nur sehr unzureichend mit Spaß übersetzten kann. Sànùk ist nicht nur der kurze Spaß an einem netten Abend unter Freunden oder während eines Kinobesuches, sànùk ist ein angeborenes Lebensgefühl. Sànùk ist wichtig und wenn etwas nicht sànùk ist dann lässt man es besser. Zum Einkaufen auf den Markt gehen ist sànùk, Familie ist sànùk, ein gutes Essen ist definitiv sànùk, schnell Auto fahren ist genauso sànùk wie das kleine Schläfchen des Rikschafahrers in seinem Fahrzeug. Alles was man tut sollte sànùk sein, das gilt auch, oder eben ganz besonders für die Arbeit. Auch die eintönigste Tätigkeit kann sànùk sein, wenn man sie mit Kollegen verrichtet, die zu Freunden geworden sind. Ein bisschen flirten, ein wenig scherzen und das, was man tut mit der größten Sorgfalt erledigen und alles ist sànùk!
Das berühmte thailändische Lächeln hat seinen Ursprung im Wunsch nach sànùk.

Ich wundere mich oft, mit welch guter Laune die Thais, die ich bei ihrer Arbeit erlebt habe, ihrer Tätigkeit nachgehen. Zum Beispiel als Führer von Touristen, die sieben Tage pro Woche, bei nur 10 Tagen Jahresurlaub, arbeiten oder die Mahuts des Elefantencamps, das ich besucht habe. Die Guides von "Flight of the Gibbon" haben gute Laune verbreitet uns immer wieder angefeuert, immer wieder kleine Scherze mit uns gemacht und akrobatische Einlagen gegeben wenn sie selbst am Seil hingen, obwohl sie einen ganzen Arbeitstag in den Bäumen verbringen und sicherlich nicht immer nur nette Kunden haben. Die kann ich mir nur zum Vorbild nehmen!
Im Moment jedoch brauche ich niemanden, der sich um meine gute Laune kümmert, denn: Reisen ist sowas von sànùk!

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wolfram, sag mal, ist wirklich alles so toll und fröhlich, wie Du das beschreibst, oder gibt es auch Schattenseiten des Daseins. Ich war ja nun auch schon etliche Male in Bangkok, aber eben nie im Land selbst. Siehst Du Obdachlose, Bettler, die keine Mönche sind, siehst Du Randgruppen der Gesellschaft? Gibt es keine Behinderten Menschen? Arme, Kranke Arbeitslose.....???

Und da hätt ich noch ne Frage, vielleicht weißt Du ja schon die Antwort drauf, vielleicht hast Du Lust es herauszufinden: Warum bilden die Thais in ihren Zeitungen die Opfer von Verkehrsunfällen bildlich ab. Ist das etwa auch sanuk??? Oder Abschreckung?

Ich empfinde die Thais auch genau wie Du, immer fröhlich und fast ausgelassen, nett und zuvorkommend. Doch stellt sich mir ab und an die Frage ob diese viele Freude am Alltäglichen, die uns Deutschen sicherlich größtenteils abgeht, auch einen Gegenpart hat. Vielleicht findest Du jemanden, der es weiß, wenn nicht, auch ned schlimm. nur kein stress im sanuk-glück!

Ich habe neulich wieder mal einen wunderschönen Sonnenaufgang beobachten können - sanuk! Der schiurlaub in Südtirol - unglaublich sanuk.

noch ein paar sanuk Tage für Dich!

Claudi

Wolfram hat gesagt…

Schattenseiten gibt's sicherlich hier auch, wahrscheinlich nicht gerade wenige. Obdachlose gibt es vereinzelt, aber längst nicht in den Dimensionen wie in den USA. Bettler sehe ich auch ab und zu und zumeist haben die irgendeine Behinderung, die ihnen das Arbeiten unmöglich macht.
Ansonsten glaube ich, dass man unschöne Dinge (mit Ausnahme von Autounfällen) nicht in die Öffentlichkeit trägt und das Gesicht zu wahren.
Die Sache mit den expliziten Fotos von Unfallopfern ist eher der menschlichen Eigenart der Schaulust zuzuschreiben. Begründet sich übrigens darin, dass die nicht Betroffenen froh sind, dass es nicht ihnen, sondern anderen passiert ist, insofern eigentlich auch sanuk!
Ich treffe in Bangkok eine Bekannte und werde sie man fragen.

renovatio hat gesagt…

Finde ich sehr nachahmenswert, was Du über die Lebenseinstellung der Thai zu berichten weißt. Ich habe mich immer bemüht, meine Arbeit - ganz gleich welche - so gut und gewissenhaft wie nur irgend möglich zu machen. Denn dann kommt "flow" auf und dann kann ich auch dem trockensten blöden Hardware-Artikel wenigstens soviel persönliche Freude abgewinnen, dass ich ihn guten Gewissens zu Ende bringe und abliefern kann. Solche Qualitäten - oder gar Freude an der Arbeit - sind bei uns ÜBERHAUPT nicht gefragt - ein Resumé, das ich nun ohne einen Rest von Zweifel nach über 15 Jahren IT-Branche für mich so ziehen muss. Das geht aber nicht! Ohne Spaß macht kein einziger Tag Sinn, das ist dann sozusagen das Gegenteil von sanuk!

Aber ich denke, das habe ich abgehakt oder bin im Begriff, es abzuhaken. Geschichten von Menschen, die sogar einfache Dinge mit Würde, Freude und Ausstrahlung zu verrichten wissen, sind Balsam auf meine von erlebter Habgier, Schnelllebigkeit und Mangel an gegenseitiger Achtung geschundenen Seele! Mehr davon! ;-)

renovatio hat gesagt…

Spricht übrigens mal wieder für Deine Großzügigkeit, dass Du a) von dem Spendenbrauch weißt und b) sogar im Urlaub einige Stunden Schlaf zu opfern bereit bist, um diese Begegnung möglich zu machen. Aber ich denke, ich hätte Dich gern begleitet, wäre ich auch vor Ort gewesen!
take care, man!
w.

Wolfram hat gesagt…

Ich gebe Dir recht, dass ohne Spaß kein einziger Tag im Leben Sinn macht. Oder anders ausgedrückt: Spaß ist der Sinn des Lebens, deswegen sind ja auch alle arterhaltenden Tätigkeiten, wie Fortpflanzung oder Essen, mit Spaß verbunden.
Die große Frage ist, inwiefern man als Deutscher zu dieser Lebenseinstellung des sanuk finden und sie in sein Leben übernehmen kann. Auch hier gilt wieder: Versuchen muss man es wenigstens!

renovatio hat gesagt…

"Die große Frage ist, inwiefern man als Deutscher zu dieser Lebenseinstellung des sanuk finden und sie in sein Leben übernehmen kann. Auch hier gilt wieder: Versuchen muss man es wenigstens!"

Zumindest unter den leidenschaftslosen IT-Nasen muß ich den langjährigen Versuch als gründlich gescheitert betrachten. Aber ich gebe ja nie auf! Daher: Auf zu neuen Ufern und Leuten. (mit Ausnahme von Dir, natürlich ;-))

renovatio hat gesagt…

Vielleicht versuch' ich mein Glück auch hier: http://www.islandreefjob.com/about-the-job

Wenn Du mal 'ne freie Minute hast, schau' Dir die Bewerbungsvideos der letzten Bewerber an, unbedingt "Most popular" klicken. Eine Bewerberin ging soweit, sich schonmal ein Tattoo mit dem Thema des Jobs auf den rechten Oberarm stechen zu lassen - Haaaaa!!!!! Ich lach' mich tot!

Mal schauen, ob ich 'was ähnlich Lustiges zusammenbekomme wie die anderen da.