Sonntag, 23. Dezember 2012

Venice Beach

Concrete Surfer in Venice Beach

Als wären sie gegen die Schwerkraft immun, schießen sie hoch über den Rand der Betonwanne hinaus, verharren kurz in der Luft, als ob jemand die Pausentaste auf der Fernbedienung gedrückt hätte, um dann wieder mit gleicher Geschwindigkeit in die entgegengesetzte Richtung zu fallen bis schließlich ihr Skateboard wieder den Boden berührt und sie auf den Rand der gegenüberliegende Seite zurasen. Kaum älter als zehn Jahre, manche auch deutlich jünger, sind die Boardakrobaten in Venice Beach, der etwas schmuddeligen Hippie-Enklave am Pazifik.
Sommerspossige, braungebrannte Kindergesichter mit langen Haaren, die unter dem Helm hervorwehen, die Arm- und Beinschoner noch ein bisschen zu groß, sind sie die Phänotypen des kalifornischen Klischees.

Venice Beach ist ein Ort von dem viele Trends ihren Weg in die Welt fanden. Das Bodybuilding wurde hier erfunden. Im "muscle beach", einem schlichten offenen Betongebäude, das in seiner Form einer Hantel nachempfunden ist, und das auf die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgeht, fing das an, was man heute überall auf der Welt in jedem Fitness Center findet.

In den 60er Jahren von den Hippies bekanntgemacht, konnte es bis heute von den Touristen nicht ganz seines Charmes beraubt werden. Venice ist heute bunt gemischt: diejenigen die dort wohnen und sich nach der Arbeit am Strand oder zum Basketball treffen, Touristen, die mit Kameras behangen an der Uferpromenade entlang laufen, die Kaffees bevölkern und denen man versucht billige T-Shirts und Sonnenbrillen anzudrehen und dann eine nicht unerhebliche Anzahl an Obdachlosen.
Einer von ihnen, ein bärtiger, großer Mann, steht, eine schmutzige Weihnachtsmannmütze auf dem Kopf, am Rand der Promenade und brüllt die Passanten an. Seine Hose ist ihm heruntergerutscht und hängt irgendwo zwischen Gesäß und Knien. Sein Geschrei kann man nicht verstehen, nur das Wort Respekt glaube ich herauszuhören. Als ich auf dem Rückweg wieder an der Stelle vorbeikomme liegt er, komplett besoffen, auf einer Wiese. Eine Polizeistreife nähert sich, und als er das bemerkt trinkt er noch schnell seine Bierdose aus, damit die Beamten sie ihm nicht mehr wegnehmen können, denn Trinken in der Öffentlichkeit ist hier verboten.

Keine Kommentare: