Noch am Morgen habe ich mich für kein Etappenziel entschieden. Ich möchte möglichst nah an Florenz kommen um meinen Bruder zu sehen, der übers Wochenende in der Stadt ist, habe aber keine Lust mir dort eine laute und überteuerte Unterkunft zu suchen.
Meine Wahl fällt auf Strada in Chianti, nur 10 Kilometer südlich von Florenz, aber dennoch ländlich und ruhig.
Ab jetzt geht es nur noch auf den Serpentinen der Monti del Chianti hoch und runter. Schweißtreibend aber ungemein reizvoll, an Olivenhainen und Weinbergen vorbei. Hier wachsen die Produkte, für die die Region in der ganzen Welt bekannt wurde.
Nach einer kurzen Etappe erreiche ich Strada. Bereites am Ortseingang werben verschiedene Unterkünfte um Gäste. Fast überall fallen mir die braunen Schilder auf, die den Weg in die Agriturismi weisen. Agriturismo ist sozusagen Urlaub auf dem Bauernhof, wobei der Vergleich stark hinkt, da es sich oft um hochherrschaftliche Häuser handelt, in denen eine Nacht schon einmal mehrere hundert Euro kosten kann.

Auch am Ortseingang von Strada sehe ich einen solchen Wegweiser und beschließe ihm zu folgen. Ich fahre nicht lange als mich ein Pfeil in eine gekieste Einfahrt unter uralten Bäumen lenkt, an deren Ende ein Schloß in einem üppigen Garten steht. "Das kann ich mir niemals leisten", ist mein erster Gedanke, und fast wäre ich wieder umgekehrt. Was soll's, wenn ich schon einmal hier bin, kann ich's mir auch anschauen.
Kaum habe ich mein Rad auf seinen Ständer gestellt, kommt mir auch schon eine ältere Dame entgegen und begrüßt mich. Ja, sagt sie, Zimmer wären noch frei und kosten 60 Euro. Eigentlich 10 Euro mehr, als ich mir vor dem Beginn meiner Reise als Tageslimit gesetzt habe, aber nachdem sie mich durch das Haus geführt hat, hätte ich auch locker das Doppelte bezahlt.
Im Vestibül steht ein Flügel und eine Harfe, alle Zimmer sind mit Fresken toskanischer Landschaften bemalt, ein Rittersaal dient als Speisezimmer für die Abendessen und in der jahrhunderte alten Küche wird das Frühstücksbuffet aufgebaut, das im Zimmerpreis enthalten ist.

Mein Zimmer ist zwar klein, aber ebenso geschmackvoll eingerichtet, wie der Rest des Hauses und wird von einem Himmelbett aus grünem Seidenbrokat dominiert. Eine Tür führt in einen, mit Kübelpflanzen begrünten, Innenhof, den ich ganz alleine nutzen kann. Schließlich liegt im terrassenförmig angelegten Garten, hinter dem Haus, ein Pool, dessen Wasser fast Badewannentemperatur hat.
Als ich meine Taschen ins Haus trage, wird mir ein Glas vom selbstgekelterten Chianti angeboten und ich fühle mich wie ein König!