Donnerstag, 1. Februar 2007

Das Geisterhaus

Mein letzter Tag in Cordoba und meine letzte Wanderung dieser Reise. Sie soll mich in den Ort La Falda führen, der besonders für seine Vergangenheit bekannt ist, denn hier stand einst das beste Hotel des Landes, das "Eden Hotel". Heute werden Führungen durch die einstige Luxusherberge angeboten, für mich Grund genug mich nochmals in die Sierra Pampina zu begeben und den kleinen Ausflug mit einer letzten Wanderung zu verbinden.
La Falda ist ein Luftkurort und beherbergt heute viele Gäste, was die große Anzahl der kleineren und größeren Hotels belegt. Das war nicht immer so. In den 20er bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein war es den Reichen und Berühmten dieser Welt vorbehalten sich hier zu erholen.
Anfangs des 20. Jahrhunderts kauften die Brüder Eichhorn aus Deutschland billig Grund von einem Großgrundbesitzer der Region. Ihr ehrgeiziges Projekt war es, ein Hotel der Luxusklasse zu bauen, um, des guten Klimas wegen, vor allem zahlungskräftige Lungenkranke aus aller Welt anzuziehen, die sich hier kurieren sollten.
Bei der Ausführung des Baus wurde an nichts gespart. Die feinsten Hölzer für das Intarsienparkett, Carara Marmor und Bodenfliesen aus Italien, englischer Rasen für den hauseigenen Tennisplatz. Um ihre Gäste mit elektrischem Strom zu versorgen, damals in der argentinischen Provinz ein absolutes Novum, wurden aus Deutschland Generatoren importiert, mit denen ein kleines, hoteleigenes Kraftwerk betrieben wurde.
Bevor meine Führung beginnt habe ich noch etwa 20 Minuten Zeit, die ich, sagt mir die Dame am Eingang, wenn ich möchte, in "Museum" verbringen könnte. Museum? Das ist nichts weiter als eine Abstellkammer, mit dem Gerümpel, das nach der Aufgabe des Hotels übrig geblieben ist. Zu den Exponaten zählt ein Flügeltorso, der ohne Beine, Saiten und auch ohne Klaviatur, auf einer Seite an der Wand steht. Ein handgeschriebener Zettel, der mit Tesafilm darauf angebracht wurde, bittet darum, ihn nicht zu berühren.
Eden Hotel
Weiter hinten steht ein "orthopädische Bett" des Baujahres 1896, dessen Anblick mich bereits Rückenschmerzen bekommen lässt. Es folgt ein alter, hölzerner Kühlschrank, ohne Türen, die ehemalige Rufanlage, mit der die Gäste, mittels Knopfdruck in den Zimmern, kleine Glocken die an einer Holzwand im Servicebereich angebracht waren, erklingen lassen konnten, um das Hauspersonal in ihre Zimmer zu bestellen, sowie türlose Holzspinde der Hotelangestellten. Das Parkett ist unter dem Schmutz kaum noch zu erkennen, durch eine zerbrochene Fensterscheibe fliegt in regelmäßigen Abständen ein kleiner Vogel, um dann in einem Loch in der Decke zu verschwinden. Hierbei handelt es sich wohl um den jetzigen Bewohner.
Die Führung beginnt mit einer Videopräsentation, in der man in die Geschichte eingeführt wird und die, mittels alter Aufnahmen, die wohl von ehemaligen Gästen stammen, das Treiben der Bewohner zu damaliger Zeit dokumentiert. Zu Gast waren hier, so erfährt man, Albert Einstein, der Herzog von Savoyen, Ernesto "Che" Guevara, der Zeit seines Lebens an einer Lungenkrankheit litt, sowie unzählige Präsidenten, Schauspieler, Sänger und Adel aus aller Welt. Die Verweildauer der Gäste aus Europa betrug im Schnitt 3 Monate, sonst hätte sich die lange Seereise nach Buenos Aires und die anschließende, mehrtägige Eisenbahnfahrt von dort nach La Falda nicht gelohnt.
Die Führung beginnt mit den Bereichen des Hotels, die nur den Angestellten vorbehalten waren: Die Wäscherei, in der den ganzen Tag über per Hand die Hotelwäsche gewaschen wurde (Reinlichkeit war wichtig zu einer Zeit als es noch kein Penicillin gab und TBC als unheilbare Krankheit galt), die hauseigene Werkstatt für den Fuhrpark von Gästen und Hotel, sowie dem Kraftwerk, in dem immer noch die Generatoren mit ihren riesigen Schwungrädern zu sehen sind.
Als wir den Gästetrakt betreten, bevölkern in meiner Phantasie wieder die illustren Bewohner aus längst vergangenen Zeiten die Räumlichkeiten. Ich lasse den alten, bein- und saitenlosen Flügel wieder erklingen, sehe Bedienstete in schwarzem Livree und elegant gekleidete Damen in Abendkleidern die breite Treppe hinab schreiten.
Wir gehen an den ehemaligen Gästezimmern vorbei und können einen Blick in die Präsidentensuite werfen. In einer alten Badewanne liegt der Schmutz von Jahrzehnten, eines der Löwenfüsschen, auf denen sie stand ist bereits nicht mehr vorhanden. Ob in ihr wohl Albert Einstein entspannte und ihm neue Genialitäten einfielen, während er hier sein Bad nahm?
Eden Hotel
Der letzte Stopp der Führung ist das Kaminzimmer, einer der wenigen Räume, die in ihren alten Zustand zurückversetzt wurden. Hier hängen Kopien von den Kaufverträgen und Dankesschreiben der Gäste. Auch ein Schreiben von Adolf Hitler ist dabei, der dem "lieben Herrn Eichhorn" für die finanziellen Zuwendungen dankt, ohne die er wohl die Organisation (gemeint ist die NSDAP) nicht hätte aufrecht erhalten können und ihm zum Dank die goldene Ehrennadel überreicht. Er verabschiedet sich "mit deutschem Gruß".
Nach der Führung sitze ich noch ein wenig auf den Stufen des Eingangs und lasse die Stimmung auf mich wirken. Was hätte Einstein, überlege ich, wohl zu den ganzen Veränderungen der letzten Jahrzehnte gesagt, wenn er heute wieder auf die Welt käme. Hätte er Satelitennavigation, Mobiltelefone, Laptops, Digitalkameras und das Internet mit seinem genialen Geist verstehen können?

2 Kommentare:

renovatio06 hat gesagt…

Ja, wirklich - schon ein bißchen unheimlich, das Ganze. Vor allem, wenn man dran denkt, wie eng dann am Ende doch alles miteinander verwoben ist, oder? Der Herr Hitler hat hier den Menschenfreund gegeben, der später von seinen eigenen Komplexen überwältigt wurde und sich zum Ausgleich anschickte, eine ganze Ethnie - zumindest den Teil, dessen er habhaft werden konnte - auszurotten. Und hat sich hier in diesem Hotel wahrscheinlich verzückt dem virtuosen Klavierspiel der einen oder anderen Dame hingegeben, von der er sich - wie unlängst ein posthum erstelltes psychologisches Profil auf BBC offenbarte - später nach Verklingen der letzten Noten auf seiner Suite ins Gesicht pinkeln liess... Der Mensch ist doch eigentlich ein Fehler der Natur, oder nicht?
Umso mehr Grund, sich die Natur anzuschauen, solange wir noch können, wie Du das ja passenderweise tust.

Wolfram hat gesagt…

Mich hat vor allem fasziniert, dass ein "einfacher" Hotelier aus Südamerika diesen Wahnsinn finanziert hat, ohne zu wissen wie er damit die Weltgeschichte verändert.
Wie würde die Welt wohl heute aussehen, wenn sich Herr Eichhorn überlegt hätte, sein Vermögen lieber im Casino zu verbraten?
Hitler war nie dort zu Gast, ihn verband nur sowas wie ideologische Freundschaft zu dem Besitzer, der ab und zu auch in Berlin weilte.