Donnerstag, 4. Oktober 2007

Neuland

Gyeongbokgung Palace
Koreanische Küche wird nicht zu meinen Favoriten gehören, soviel steht nach 7 Tagen Seoul fest. Die koreanische Nationalgerichte Kimchi (eingelegter, vergorener Kohl mit Chilli) und Bibimbap (Reis mit eingelegtem, leicht saurem Gemüse und Chilli) haben mich nicht überzeugen können. Hundesuppe (ja, sie wird wirklich aus Hundefleisch zubereitet) habe ich gar nicht erst probiert. Ich habe eine Affinität zu Hunden und stehe außerdem seit frühester Kindheit auf dem Standpunkt, dass man nicht alles probieren muss, was einem vorgesetzt wird, was ich, als ich 11 Jahre alt und für einen Monat bei einer englischen Gastfamilie in Sussex untergebracht war, fast mit der vorzeitigen Rückkehr nach Hause bezahlt hätte, denn meine Gastmutter hatte Angst, dass ich, schon immer untergewichtig, erheblichen Schaden nehmen würde, wenn ich auch weiterhin die von ihr zubereiteten Speisen verschmähen würde.
Aber nicht nur kulinarisch sondern auch kulturell war Korea Neuland für mich, denn hier war ich in den 18 Jahren, die ich nun für Lufthansa arbeite, noch nie.

Ich hatte mich gut vorbereitet auf diesen Umlauf, hatte mir in Chicago einen "Lonely Planet" Reiseführer von Seoul besorgt und mir im Vorfeld schon einmal die wichtigsten Kenntnisse über Land und Kultur angeeignet. Do's and Dont's nennt man das heute und gemeint ist damit welche Themen man in Korea besser ausläßt, welche das Land bewegen und wo Fettnäpfchen nur darauf warten von "Langnasen" betreten zu werden.

Einen Teil der Crew kannte ich schon, war mit ihnen in einer sogenannten "Teamline" schon wenige Tage zuvor in Chicago, den Rest und die beiden koreanischen Flugbegleiter, die aus Frankfurt kommend unser Team vervollständigten, kannte ich noch nicht.

Schon auf dem Hinflug versuche ich von den beiden "lokalen" ein paar Tipps für mein Layover zu bekommen und die deckten sich mit denen, die ich in einem Magazin für Mini-Fahrer fand, das ich zufällig im Zeitschriftenständer meines Fitness-Studios endeckte, wo es irgendjemand wohl für die Allgemeinheit hatte liegen lassen. In jedem dieser Magazine wird eine Stadt vorgestellt und in diesem war es Seoul.
Mehrere Künster, Schauspieler und koreanische Berühmtheiten hatten auf die Frage nach ihrem Lieblingsviertel allesamt Hongdae genannt. Der hippen Bars, Cafés und Restaurants wegen genauso wie der zahlreichen angesagten Gallerien und Boutiquen.

Mir fielen sofort die nach dem neuesten Trend gekleideten, vornehmlich jungen Leute auf, die die Stadt bevölkern. Eine Tatsache, die mir auch schon in Japan mehrmals aufgefallen ist: Wo sind die ganzen Menschen von 40 aufwärts? Wo man auch hinkommt sieht man nur Menschen zwischen 15 und 30. Und das, trotzdem Korea eine der niedrigsten Geburtenranten weltweit hat.
Koreaner scheinen mit ihren Mobiltelefonen verwachsen zu sein. Jeder zweite in der U-Bahn oder auf der Straße hat sein Telefon entweder am Ohr oder vor sich und spielt Videospiele oder schaut TV. Besonders beliebt sind Handys, bei denen das Display aufgeklappt, dann in die Horizontale geschwenkt wird, wobei eine kleine Antenne zum mobilen TV Empfang zum Vorschein kommt.
Später erfahre ich, dass hier das Telefon auch zum Bezahlen von Rechnungen verwendet wird. EC-Karte next generation sozusagen.
In keinem anderen Land der Erde gibt es mehr Internetnutzer und jedes Café, jedes Restaurant und viele Plätze im Freien bieten die Möglichkeit einer kostenlosen WiFi Verbindung.

Wie in vielen Ländern Asiens hat die Moderne das traditionelle Leben scheinbar verdrängt. Es gibt keine Altstadt, kein altes Zentrum und wenige alte Gebäude. Der Gyeongbokgung Palastbezirk ist eine der wenigen Ausnahmen, so dachte ich wenigstens, bis ich auf dem Weg dorthin an einer Fotostrecke vorbeilaufe, die den Abriss der dort errichteten Gebäude und den Wiederaufbau des alten Palastet dokumentiert. Lediglich das alte Eingangstor war der Abrissbirne entgangen und ist noch original erhalten. Unwillkürlich denke ich an das alte Stadtschloß in Berlin, dass nach dem Abriss des Palastes der Republik, wieder an seiner ursprünglichen Stelle errichtet wird.

Und dennoch ist der Konfuzianismus in der koreanischen Seele fest verankert, in dem Frauen den Männern untergeordnet sind und diesen zu gehorchen haben: Das Mädchen seinem Vater, später dem Ehemann und, nach dessen Tod, dem ältesten Sohn.
Bei unserem mehrstündigen Aufenthalt in Pusan beobachte ich schmunzelnd, wie unsere koreanische Flugbegleiterin ihren männlichen koreanischen Kollegen, obwohl dieser dienstjünger ist, mit Speisen und Getränken bedient, bevor sie sich selbst versorgt und ausruht.
Als ich am Abend durch die Straßen Hongdaes flaniere erlebe ich ein weiteres, schockierendes Beispiel für die Rolle der Frau in der koreanischen Gesellschaft: Ein Paar, ungefähr Mitte 20, steht vor einem Schaufenster und streitet offensichtlich. Plötzlich holt der Mannn aus und schlägt der Frau kräftig ins Gesicht. Die Frau versucht sich weinend zu rächen und wird daraufhin nochmals geschlagen, diesmal so kräftig, dass sie zu Boden geht und dabei einen Schuh verliert. Erst jetzt greifen zwei ausländische Passanten ein und halten den Mann zurück und besänftigen ihn.
Sicherlich keine typische Szene, wie mir meine koreanischen Kollegen bestätigen, aber ich habe es so gesehen.

2 Kommentare:

renovatio hat gesagt…

Wieder mal interessant und schön berichtet! Ist schon toll, auf diese Weise an Deinen Reiseerlebnissen teilhaben zu können.
Gefällt mir auch, wie Du den Wandel der Gepflogenheiten, den Einzug moderner Technik selbst in den traditionsverbundensten Ländern dieser Erde und die Umkehr der demoskopischen Pyramide beschreibst. Es dürfte wohl so schnell keinen geben, der Dir in Sachen persönlich gesammelter Allgemeinbildung das Wasser reichen kann. Vielleicht ein lustiges Nebeneinkünfte-Modell für die Zeit "danach" - der häufige Auftrtt in Quiz-Shows aller Couleur, wo Du mit Deinem Wissen deren Kassen leerst und die Deinige beständig füllst :-)

Wolfram hat gesagt…

Haaa, eine lustige Idee, auf die ich noch gar nicht gekommen bin. Ich denke mal, die Jungs von der Frageabteilung hätten mich aber schnell durchschaut:)